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Die Irrfahrt des „Kofferraumvergewaltigers“

Weil Sebastian G. einem Opfer von einer Radarfalle erzählte, kam die Polizei ihm auf die Spur.

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Von Thomas Schade

Mit dem Satz „Ich bin der Kofferraumvergewaltiger“ soll sich Sebastian G. am 30. Dezember auf dem Berliner Hauptbahnhof bei der Polizei gemeldet haben. Da waren Fahnder ihm schon dicht auf der Spur. Wenig später wurde der dickliche 25-Jährige im schwarzen Freizeitanzug abgeführt.

Was erst gestern bekannt wurde: Berlin war das Ende einer Flucht, die Sebastian G. nach drei schweren Straftaten quer durch Europa geführt hat. In Paris wollte er nach eigenen Angaben bei der Fremdenlegion anheuern, wohl um sich der Strafverfolgung zu entziehen. Danach fuhr er mit dem Zug über Köln nach Berlin, sah im Fernsehen, dass nach ihm gefahndet wird und ging zur Polizei.

Schon in der ersten Vernehmung am Silvestertag habe er umfassend ausgesagt, „absolute Reue gezeigt“ und sei in Tränen ausgebrochen, sagte Gunter Titze von der Chemnitzer Polizei gestern bei einer Pressekonferenz in Regensburg. Die Angaben des Beschuldigten würden weitgehend mit Aussagen der Opfer übereinstimmen. Nur über das Motiv rätseln die Ermittler noch.

Er lebte bisher unauffällig

Sebastian G. sei ein Mensch, der „sehr isoliert“ lebt, so Regensburgs Polizeisprecher Michael Rebele. 2005 sei G. von Sachsen nach Biberbach in Niederösterreich gezogen und habe dort als Mechaniker in einer Fabrik gearbeitet. In seiner Firma gelte er als Einzelgänger. Auch privat habe er allein gelebt.

Burgstädt bei Chemnitz, sein Geburtsort, ist noch heute ein Bezugspunkt für den 25-Jährigen. Dort wohnen seine Großeltern. Zum Weihnachtsurlaub fuhr Sebastian G. deshalb auch zurück in seine Heimat. Am 20. Dezember zwang er in Chemnitz nach Mitternacht eine 18-Jährige, die gerade aus einer Disko kam, in den Kofferraum seines Autos. Später verging er sich an ihr. Anschließend fuhr er zu einer Brücke unweit von Colditz, zerrte sein Opfer aus dem Kofferraum und stieß es in die Mulde. Die 18-Jährige fiel ins Wasser und überlebte den Sturz.

Vier Tage später, am 24. Dezember, gegen ein Uhr, versuchte Sebastian G. erneut in Chemnitz, eine junge Frau im Kofferraum seines Autos zu entführen. Das misslang, weil diese sich so stark wehrte, dass sie entkommen konnte.

Offenbar aus Angst flüchtete der 25-Jährige anschließend aus Sachsen und traf nach vier Stunden in Regensburg ein. Die Stadt kennt er, ein Freund hat dort studiert. Gegen fünf Uhr morgens bedrohte G. ein 16-jähriges Mädchen mit einem Teppichmesser und zwang sie ebenfalls in den Kofferraum seines silberfarbenen Pkw. Die 16-Jährige wollte zu einem Supermarkt, wo sie am Weihnachtstag arbeitete. Aus dem Kofferraum telefonierte das Mädchen 13 Minuten lang mit der Polizei, dann bemerkte der Entführer den heimlichen Kontakt und warf das Handy noch in der Nähe von Regensburg weg. Die Polizei konnte das Funktelefon zwar orten und die Fluchtrichtung erkennen, aber den Entführer fand sie nicht.

Viereinhalb Stunden nach der Entführung meldete sich die 16-Jährige am Linzer Hauptbahnhof bei der österreichischen Polizei. Sie war unterwegs von ihrem Entführer vergewaltigt worden. Nach dem Verbrechen hatte er dem Opfer 50 Euro für die Heimfahrt gegeben und es am Bahnhof abgesetzt. Außerdem erzählte er dem Mädchen, dass er bei Linz in eine Radarfalle gerast war. Als die Polizei das erfuhr, wusste sie bald, wen sie suchen musste. Während dessen saß der „Kofferaumvergewaltiger“ im Zug nach Paris.

Bis auf ein Drogendelikt war G. der Polizei bisher nie aufgefallen. Nun sitzt er in Chemnitz in U-Haft. Die Polizei Westsachsen hat den Fall übernommen. Denn an der Brücke bei Colditz hat er in diesen Tagen das schwerste Verbrechen begangen – einen Mordversuch.