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Die Landschaft als Vexierbild

Der Freitaler Sebastian Glockmann zeigt im Einnehmerhaus seine neuesten Gemälde. Keine einfache Kost.

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© Thomas Morgenroth

Von Thomas Morgenroth

Freital. Man muss meine Bilder mit Abstand betrachten“, sagt der Maler Sebastian Glockmann und zeigt im Einnehmerhaus Freital durch zwei Türöffnungen hindurch auf das Gemälde am anderen Ende der Zimmerfluchten. Ja, jetzt formt sich aus dem farbigen Wirrwarr ein Gewässer, gesäumt von Schilf und Gebüsch, dahinter könnte ein Haus stehen.

Tatsächlich ist es ein „Teich in Liebenau“ im Osterzgebirge, den Glockmann im vergangenen August gemalt hat. Wirklich zu erkennen ist er freilich nicht. Dabei war der Künstler mit seiner Feldstaffelei vor Ort. Viermal ist er mit der Leinwand nach Liebenau gefahren – mit Bus und Bahn, ein Auto besitzt er nicht, noch nicht einmal einen Führerschein.

Glockmann, der vor zwei Jahren nach Freital gezogen ist, beschriftet seine Bilder mit exakten topographischen Angaben. Auf kleinen Schildern steht, was er beim Malen gesehen hat, die „Bosel mit Maisfeld“ zum Beispiel, eine „Lichtung am Pfaffenstein“ oder die „Elbe bei Scharfenberg.“ Seine Motive jedoch löst er in Strichen und Pinselschlägen auf. Glockmann zerlegt Berge, Gebäude, Wälder oder Flüsse in streichholzgroße farbige Stücke und setzt sie neu zusammen. Größere Konturen lassen sich in dem Gewusel noch ausmachen, der Königstein etwa ist aber nur zu erahnen, weil die Beschriftung einen Hinweis gibt.

Ohne solche Hilfestellungen aber oder die launigen Erklärungen des Malers bleiben Sebastian Glockmanns Gemälde poetische Vexierbilder, die mitunter schwer zu entschlüsseln sind. „Die Erkennbarkeit ist mir nicht wichtig“, sagt der Künstler. Er lässt sich weniger vom Gegenstand als vielmehr von Strukturen und Stimmungen, Formen und Farben inspirieren. Und zwar direkt in der Natur, im Dresdner Hochland, der Sächsischen Schweiz, an der Elbe bei Meißen oder in der Lommatzscher Pflege. Der 55-Jährige versteht sich als Freilichtmaler in bester Tradition, als Pleinairist mit einem eigenen Stil, den er in den vergangenen vierzehn Jahren entwickelt hat.

Sebastian Glockmanns Ölgemälde entstehen überall dort, wo er mit öffentlichen Verkehrsmitteln oder zu Fuß hingelangt. Manchmal kommt er zehnmal an die gleiche Stelle, bis er mit einem Bild zufrieden ist, unter viermal gelingt es ihm nie. Das führt dazu, dass der Künstler, der im Atelier auch Stillleben malt, kaum mehr als ein Dutzend Landschaftsbilder pro Jahr fertigstellt. Am liebsten, erzählt er, arbeite er an einem schattigen Platz in der hochstehenden Mittagssonne. Dann seien die Reflexe besonders schön. So wie auf dem „Wasserlauf im Hermsdorfer Park“, der mit einer Auswahl seiner Gemälde seit Sonnabend im Einnehmerhaus zu besichtigen ist.

Viele Jahre war Glockmann ein klassischer Freilichtmaler, dem der Gegenstand genauso wichtig war wie die Stimmung. Als er zunehmend unzufriedener mit seinen Ergebnissen wurde, begann er, auch die Strukturen seiner Motive malerisch zu erkunden. So wandelte sich Glockmanns Malstil über Jahre. Besonders spannend ist die Zeit des Übergangs, der sich an einer kleinen Werkgruppe aus den Jahren 2004 und 2005 im Einnehmerhaus exemplarisch ablesen lässt. Damals war Glockmann im Tal der Roten Weißeritz unterwegs und malte, mehr noch dem Gegenstand verpflichtet, im grünenden Spechtritzgrund die mittlerweile abgerissenen Ruinen der Spechtritz-Mühle und der Korkmühle.

Trotz aller Abstraktion ist Glockmann bei der Landschaft geblieben, die sein bevorzugtes Sujet ist. Der aus Berlin-Pankow stammende Maler studierte an der Hochschule für Bildende Künste in Dresden bei Hubertus Giebe und Johannes Heisig. Seit 1988 arbeitet Glockmann freischaffend, zunächst in Frankfurt an der Oder, 1991 kehrte er nach Dresden zurück. Seit Februar 2016 lebt er in Potschappel. Glockmann, der aus seiner Wohnung auf dem Weißen Hirsch ausziehen musste, ist nur deshalb Freitaler geworden, weil er in Dresden keine preiswerte Alternative fand. „So langsam aber freunde ich mich mit der Stadt an“, sagt er und will nun auch mal den Windberg besteigen. Vielleicht findet der Maler dort oben ein interessantes Motiv. Das wäre für ihn jedenfalls deutlich besser erreichbar als der Teich in Liebenau.

Gemälde von Sebastian Glockmann, bis 18. März im Einnehmerhaus Freital, geöffnet Dienstag bis Freitag 16 bis 18 Uhr, Samstag und Sonntag 10 bis 17 Uhr.

www.kunstvereinfreital.de