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Die Lehrerin aus dem Internet

Was der Behörde monatelang nicht gelingt, schafft eine Mutter in wenigen Tagen: eine neue Pädagogin für ihr Kind zu finden.

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© Sven Ellger

Von Claudia Schade

Manchmal braucht es nicht viel, um für ein scheinbar auswegloses Problem eine Lösung zu finden. Im Fall von Katrin Rödiger lag es am Zuhören. Hätte sie nicht aufmerksam die Ohren gespitzt, wäre die Klasse ihrer Tochter jetzt ohne Lehrerin.

Monatelang schon hatte der Schulleiter der 96. Grundschule auf der Liebstädter Straße versucht, einen neuen Lehrer für die Klasse 3a zu bekommen. Eigentlich läuft die Schule gut. Es gibt 18 Lehrer für 350 Kinder. Unterrichtet wird in einem typischen Plattenbau, nicht besonders toll saniert, aber auch nicht heruntergekommen. Das Kollegium arbeitet gut zusammen. Eine ganz normale Grundschule.

Dann wurde eine Lehrerin schwanger. „Wir haben sehr viele junge Kollegen“, sagt Schulleiter Hendrik Buschner und ergänzt mit einem Augenzwinkern: „Die neigen dazu, auch noch Kinder zu bekommen.“ So weit erst mal kein Problem. Die werdende Mutter sagte rechtzeitig Bescheid, der Schulleiter informierte das zuständige Landesamt für Schule und Bildung im September darüber, dass er ab Februar Ersatz brauchte. Dies ist das übliche Prozedere. Und das funktioniert in der Regel auch. Doch dieses Mal wird Hendrik Buschner unruhig. Es wollte sich einfach kein Ersatz finden. Die Behörde hatte eine junge Referendarin angekündigt, stellte dann aber fest, dass ausgerechnet in diesem Jahr keine fertig wurden, da die Referendariatszeit just von 12 auf 18 Monate verlängert wurde. „Das Zeitfenster wurde immer enger“, sagt Buschner. „Es passierte nichts.“

Fächer kürzen und abwarten

Das war der Moment, in dem Katrin Rödiger ins Spiel kam. Sie machte sich Sorgen um ihre Tochter Lisa. „Die dritte Klasse ist doch besonders wichtig“, erklärt sie. „Das ist die Zeit der Bildungsgespräche. Da geht es darum, auf welche weiterführende Schule die Kinder gehen.“ Katrin Rödiger telefonierte als Elternsprecherin der Klasse mit der zuständigen Mitarbeiterin im Landesamt. „Was ist Ihr Plan B?“, fragte sie. Die Antwort: Es gab so recht keinen. Es sollten Fächer gekürzt werden. Und man wollte warten, ob sich nicht doch noch jemand melden würde. Zum Beispiel Studenten mit dem ersten Staatsexamen. Das sind junge Leute, die ihre Prüfungen an der Uni hinter sich haben und ein paar Monate warten müssen, bis sie ein Referendariat an einer Schule beginnen können.

Doch nur sitzen und warten – das wollte die engagierte Mutter nicht. Also überlegte sie: Wie an die Studenten herankommen? „Schwarze Bretter mit Zetteln haben die ja nicht mehr“, sagt Katrin Rödiger. Also suchte sie bei Facebook. „Ich fand dort einige Studentengruppen.“ Dann ging es sehr schnell. „Wir brauchen dringend eure Hilfe!“ schrieb die Mutter in einem Post und erklärte die Lage. Wenige Stunden später waren fünf Interessenten gefunden.

Eine davon war Karolin Senf. Abends um zehn schickte sie ihre E-Mail. Am nächsten Vormittag hatte sie ein Vorstellungsgespräch. Nach den Winterferien fing sie an. Die erprobten Kollegen standen ihr zur Seite, gaben Tipps und halfen bei der Unterrichtsgestaltung. „Das war recht einfach, da wir am Jahresanfang pro Jahrgang und Fach den Stoff absprechen und gemeinsam vorbereiten“, erklärt Gabriele Wahl, die stellvertretende Schulleiterin. „Jetzt, nach ein paar Wochen, komme ich mir vor, als ob ich das schon ewig machen würde“, sagt Karolin Senf. Auch die Schüler sind begeistert.

Schulleiter Buschner hat nach diesen Erfahrungen konkrete Wünsche an das Landesamt für Schule und Bildung. „Dort müsste ein Pool gebildet werden in Kooperation mit der Universität, in den sich alle Studenten mit Interesse eintragen können“, schlägt er vor. Die Schulleiter sollten darauf Zugriff haben.

Die Behörde allerdings hält die bisherige Kommunikation mit den Studenten für gut. Nach den Prüfungen, die die Referenten des Amtes mitabnehmen, würde gefragt, was die Studenten vorhätten. Auch gäbe es Infoveranstaltungen. Wann und wie diese stattfinden, konnte Sprecherin Petra Nikolov allerdings nicht sagen: „Das machen die Referenten selbstständig. Da will ich nicht hereinreden.“ Die Studenten des aktuellen Jahrgangs für Grundschullehrer allerdings wussten nichts davon. Und die vier Interessenten, die Katrin Rödiger noch gefunden hatte, wurden nicht etwa vom Amt weitervermittelt. Sie sollten sich doch bitte selbst an den Schulen erkundigen, ob ihre Hilfe benötigt würde. Kommentar