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„Die Risiken für den Wald werden größer“

Ursache ist der Klimawandel. Ein Forstexperte erklärt, wie der Wald durch die neuen Anpflanzungen stabiler wird.

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© Egbert Kamprath

Dippoldiswalde. Im Märzen nicht nur der Bauer „pfleget und pflanzet all’ Bäume und Land“, wie es im Volkslied so schön heißt, auch die Forstleute betreiben im Frühjahr Pflanzenanbau. 905 000 junge Bäume liegen für den rund 19 000 Hektar großen Staatswald im Forstbezirk Bärenfels bereit. Der Startschuss fürs Aufforsten stehe unmittelbar bevor, sagt Bert Hommel, der neue Leiter Staatsforst im Bärenfelser Forstamt.

Herr Hommel, Mitte Februar roch es schon mal nach Frühling. Kribbelt es einen Forstmann da in den Fingern?

Ja, natürlich. Ich denke, dass wir Ende der Woche mit dem Pflanzen anfangen können, zuerst in den unteren Lagen. Wichtig ist, dass das Wetter mitspielt.

Was ist gutes Pflanzwetter?

Der Boden muss frostfrei sein und feucht, damit die Wurzeln fest angedrückt werden können und keine Hohlräume entstehen. Bei Trockenheit ist es sonst so, als würden die Wurzeln frei liegen. Ein feuchtes Frühjahr mit viel Regen wäre gut. Im vergangenen Jahr war das leider anders, daher sind viele junge Pflanzen abgestorben.

905 000 Pflanzen sollen in den Boden. Sind das mehr als in anderen Jahren?

Es sind mehr, weil wir auf über 80 Hektar mit neuen Kulturen, auf denen es wegen der Trockenheit im Vorjahr zu Ausfällen gekommen ist, nachpflanzen müssen.

Woher bekommt der Forst solche Mengen an Pflanzen?

Wir beziehen sie von den staatlichen Baumschulen in Graupa und Heinzebank, aber auch von verschiedenen privaten Anbietern. Ein Teil liegt schon bereit, vor allem die Buchen, die anderen werden wir von den Baumschulen noch anfordern.

Wie jung sind die jungen Pflanzen?

Das Alter ist unterschiedlich, es liegt zwischen zwei und fünf Jahren. Häufig sind die Pflanzen verschult, das heißt, vom Saatbeet verpflanzt und vereinzelt, damit sie sich besser entwickeln können.

Spielt die Herkunft der jungen Bäume für den künftigen Standort eine Rolle?

Ja, wir müssen darauf achten, dass die Pflanzen in die richtigen Lagen kommen. Buchen für obere Lagen stammen von anderen Herkunftsgebieten als die für untere. Die Mutterbäume sind an bestimmte klimatische Bedingungen angepasst. Das ist in ihren Genen verankert und somit auch in den Samen und jungen Pflanzen.

Wird beim Aufforsten nur gepflanzt oder soll auch ausgesät werden?

Wir werden auf 30 Hektar Weißtanne und Rotbuche aussäen. Das ist für die Wurzelentwicklung gut, weil sie dann so wie in der Natur geschieht. Die Pflanzen wurzeln vor Ort ein. Es besteht damit nicht die Gefahr von Deformierungen oder Abriss, was beim Anpflanzen nicht hundertprozentig ausgeschlossen werden kann.

Welche Baumarten werden in diesem Frühjahr gepflanzt?

Ein Drittel sind Nadel- und zwei drittel Laubbäume. Die Rotbuche hat dabei mit mehr als der Hälfte der Pflanzen den größten Anteil. Auch die Verjüngungsfläche ist mit 63 Hektar die größte. Weißtannen, insgesamt 135 000, werden auf 58 Hektar angepflanzt. In den oberen Lagen, wo Tannen oder Laubbäume weniger gut gedeihen, kommt die Gemeine Fichte in den Boden, es sind 130 000 Pflanzen für 33 Hektar. Je nach Standort kommen noch elf weitere Baumarten wie Stiel- und Traubeneiche, Roterle, Küstentanne und Lärche, aber auch Edellaubbäume wie Berg- und Spitzahorn und die Vogelkirsche hinzu.

Unseren Wald verbinden wir mit der Fichte. Doch das Bild wandelt sich. Der Wald wird seit Jahren zum Mischwald umgebaut. Warum ist das so wichtig?

Die Risiken für den Wald werden durch Witterung und Klima größer. Gegen häufige Stürme, längere Trockenheit und Bodenversauerung ist das Beste, was man machen kann, eine Vielzahl von Baumarten zu pflanzen und mehrschichtige Bestände heranzuziehen. Also hohe Bäume, den Oberstand und darunter jüngere Bäume, den Unterstand. Bei einem Sturm sind die Schäden geringer. Wenn die großen Bäume weggebrochen werden, stehen die jüngeren schon da. Die Fichte wollen wir beim Waldumbau nicht ausrotten, sie ist für uns ökonomisch sehr wichtig.

Wann begann der Waldumbau?

Erste Ansätze gab es schon vor 1990, aber eine richtige Waldumbaukonzeption erst danach. Bislang konnten wir auf fast einem Drittel des Waldbestandes einen Unterbau etablieren. Aber wenn man bedenkt, dass wir im Jahr etwa 150 Hektar Verjüngungsfläche haben, wird deutlich, dass der Waldumbau noch ein langer Prozess ist. Er muss auch mit Augenmaß erfolgen, denn der Wald hat verschiedene Funktionen. Wir versuchen, die Interessen des Waldes zu schützen, aber dabei auch andere, berechtigte Interessen zu beachten.

Warum muss der Mensch beim Waldumbau so kräftig nachhelfen. Pflanzt sich der Wald nicht auch selber aus?

Das ist bislang nur in geringem Umfang möglich, weil uns in großen Gebieten noch die Mutterbäume wie Buchen, Ahorn und Tannen für diese Naturverjüngung fehlen. Je weiter wir mit dem Waldumbau vorankommen, desto stärker können wir die Möglichkeiten der Naturverjüngung nutzen. Bei der Fichtenverjüngung ist das jetzt schon überwiegend der Fall.

Welche Feinde haben die Pflanzen?

Das sind zum Beispiel verschiedene Tierarten, die im Wald leben, selbst der Hase frisst gerne an den jungen Pflanzen herum.

Wie können die geschützt werden?

Durch Zäune, aber unser Ziel ist es, möglichst ohne Zäune auszukommen, denn sie kosten viel Geld. Wir konzentrieren uns daher beim Zaunbau auf besonders gefährdete Baumarten wie die Eiche oder in höheren Lagen den Ahorn und die Weißtanne.

Wie stehen Sie zu dem Vorwurf der Jäger, der Forst würde zum Schutz des Waldes das Wild zu stark dezimieren?

Die verschiedenen Sichtweisen sind für mich nachvollziehbar. Wenn ich aber die Verjüngungsflächen mit mehr Zäunen schütze, dann heißt das auch, dass ich dem Wild Lebensraum entziehe. In Rotwildgebieten müssten die Bäume 30, 40 Jahre lang geschützt werden, nicht nur vor Verbiss, sondern, wenn sie älter werden, auch vor Schälschäden. Denn durch diese Schäden verlieren die Bäume an Wert und an Stabilität. Es ist uns aber wichtig, mit den Jägern im Gespräch zu bleiben und gemeinsam nach Lösungen zu suchen.

Ist der Wildbestand heute deutlich geringer als noch vor Jahren?

Er ist sicher geringer als vor 30 Jahren, und das hängt auch mit dem Waldumbau zusammen. Für mich ist die Jagd ein wichtiges Instrument, um den Waldumbau vorantreiben zu können. Wenn wir damit gut vorankommen, wird sich die Situation wieder entspannen, weil das Nahrungsangebot fürs Wild wieder größer ist, viel größer als in einem reinen Fichtenbestand.

Zurück zum Aufforsten: Verzögern sich durch die Schäden, die das Sturmtief Eckhard zum Jahresende angerichtet hat, die Frühjahrsarbeiten?

Nein, der Sturm hat einiges komplizierter gemacht, aber es ist nicht davon auszugehen, dass sich das Aufforsten dadurch verzögert. Wir sind mit dem Aufräumen auch ziemlich ran. Eben wegen solcher Stürme versuchen wir, unseren Waldbestand so zu entwickeln, dass derartige Naturereignisse keine Katastrophen mehr sind.

Das Gespräch führte Regine Schlesinger.