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Die Ruhe nach dem Pappritzer Sturm

Seit zwei Wochen leben in Pappritz knapp 60 Flüchtlinge. Noch gibt es auf beiden Seiten Berührungsängste.

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© André Wirsig

Von Sophie Arlet

In Pappritz scheint wieder Ruhe eingekehrt zu sein. Am frühen Abend geht es auf dem Wachwitzer Höhenweg beschaulich zu, Vögel zwitschern, ab und zu fährt ein Auto vorbei. Am ehemaligen Hotel ist niemand zu sehen. Einige Fenster sind angekippt, die meisten Gardinen zugezogen. Von den 56 Bewohnern aus Syrien, dem Libanon, dem Kosovo, Libyen und dem Irak ist nichts zu merken.

„Ich habe noch niemanden gesehen“, sagt eine Anwohnerin, die gerade mit dem Bus angekommen ist. „Ich frage mich, was die den ganzen Tag machen“, ergänzt die 64-Jährige. Das weiß Michael Bockting vom Verein „Willkommen im Hochland“ am besten. Zusammen mit 60 Vereinsmitgliedern und 120 Helfern organisiert er für die Flüchtlinge Sprachkurse, Stadtrundfahrten, kleine Ausflüge und Fußballspiele. „Momentan sind der Unterricht und die Begleitung bei Behördengängen oder zum Arzt am wichtigsten“, sagt der Vorsitzende. Einige Flüchtlinge können gut Englisch, viele sprechen Französisch. Mit ihnen ist die Verständigung leicht. „Nur Arabisch kann keiner von uns. Aber dafür gibt es Hände und Füße“, so Bockting.

Ingrid Blankenburg ist froh über die Unterstützung durch den Verein. Sie kümmert sich im Auftrag der Stadt um die Flüchtlinge in Pappritz und Niederpoyritz. Immer dienstags ist sie am Wachwitzer Höhenweg, berät ihre Schützlinge vor Behördengängen und hält den Kontakt zu Anwohnern und Ämtern. „Ich kann gar nicht glücklicher sein“, sagt sie über die Situation in Pappritz. Viele der Flüchtlinge kennt sie bereits aus Niederpoyritz. „Das sind höfliche junge Leute, die vor allem Deutsch lernen und arbeiten wollen.“

So geht es auch Goran Hussein aus Syrien. Der 19-Jährige ist seit vier Monaten in Deutschland. Bevor er nach Pappritz kam, war er in einem Heim in Schneeberg. Er ist vor dem Krieg aus seiner Heimat geflohen. Sein großer Wunsch ist es, in Deutschland zu bleiben und Medizin zu studieren. Seit er in Pappritz ist, lernt er fleißig Deutsch. „Es ist nicht schwer, ich will ja hier studieren“, sagt der Kurde. Im Ort ist er selten unterwegs. „Manche Leute mögen keine Ausländer, darauf achten wir“, so Hussein.

„Viele haben sich beruhigt“, beschreibt eine junge Anwohnerin die Lage in Pappritz. Ihre neuen Nachbarn sieht sie nur selten. „Sie gehen mal einkaufen oder spielen am Sonntag auf dem Sportplatz Fußball“, so die 21-Jährige. Im Vorfeld hatte es immer wieder Proteste gegen die Einrichtung eines Übergangswohnheims in Pappritz gegeben. Eine Bürgerinitiative hatte 600 Unterschriften gegen das Heim gesammelt und bei der Stadt Widerspruch gegen die Umnutzung des Hotels am Wachwitzer Höhenweg eingelegt. „Dabei geht es uns vor allem um den Brandschutz“, sagt ein Vertreter der Initiative. Sollte der Widerspruch abgelehnt werden, will die Bürgerinitiative klagen. Die Vertreter wollen außerdem in Kontakt mit Politikern bleiben und ihnen ihre Bedenken vortragen.

Denn auch, wenn es jetzt keine Demonstrationen und lautstarken Proteste mehr gibt, sitzt die Enttäuschung über die schlechte Informationspolitik der Stadt bei den Pappritzern tief. „Der Umgang mit uns war abgehoben“, sagt ein 76-jähriger Anwohner. Er hofft, dass die Lage mit den Asylbewerbern entspannt bleibt. „Auch ich musste meine Heimat nach dem Krieg verlassen, man kann sich also in sie hineindenken. Wer weiß, wo sie herkommen“, so der Rentner.

„Sie müssen wissen, dass Pappritz geteilt ist“, sagt eine Anwohnerin. „Es gibt die Alteingesessenen und die Zugezogenen.“ Seit zwei Wochen sind es 56 Zugezogene mehr. Das Zusammenleben verläuft in überraschend ruhigen Bahnen.