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Die Schau der 1000 Teile

Volker Karp aus Dresden stellt im Museum sein Spielzeug aus. So viele Stücke wurden noch nie gezeigt.

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© Anne Hübschmann

Von Kathrin Krüger-Mlaouhia

Großenhain. Weihnachtsausstellungen haben in Großenhain eine fast 100-jährige Tradition. Sie waren immer ein Garant für eine besinnliche Adventszeit und leuchtende Kinderaugen. Es war eine Ortsgruppe des Vereins sächsische Volkskunst, die 1907 die Großenhainer Museumstradition aus der Taufe hob. Und auch dieses Jahr ist es die Fertigkeit erzgebirgischer Volkskünstler, die viele Familien ins Haus am Kirchplatz locken wird.

Diese Pferde, samt Wagen liegen Volker Karp ganz besonders am Herzen.
Diese Pferde, samt Wagen liegen Volker Karp ganz besonders am Herzen. © Anne Hübschmann
Diesen Wackelhahn bekam Karp von seinem 5-jähriger Enkel geschenkt.
Diesen Wackelhahn bekam Karp von seinem 5-jähriger Enkel geschenkt. © Anne Hübschmann

Hier stellt ein Mann aus, dessen Spielzeugsammlung so alt ist wie er selbst. Sie beginnt mit einem kleinen Seiffener Hochzeitszug – Symbol für die Eheschließung von Volker Karps Eltern im Zweiten Weltkrieg. Der Sammler wurde 1943 in Sagan in Schlesien geboren. Er erzählt, wie sein Vater – ein Musiker und Chorleiter – in amerikanischer Kriegsgefangenschaft mit einem verbotenen Messer eine kleine Häusergruppe für ihn schnitzte. Mit seinem eigenen Blut färbte er die Dächer rot. Das alles wird in der Vitrine, in der die Häuschen gleich am Eingang des Raumes stehen, nicht erklärt. Volker Karp möchte, dass die Besucher dies Spielzeug einfach auf sich wirken lassen. „Ich will den Erlebniswert nicht mindern“, sagt der 72-Jährige. Genauso wie bei den vielen anderen Häuschen und Fahrzeugen, die auf der linken Seite zu sehen sind. Manche sind sogar noch aus dem 19. Jahrhundert! Und die zahlreichen Pferde und Wagen. Die kleinen Spielzeugautos aus Holz. Die winzigen Figuren wie Bergleute, Musikanten und Waldarbeiter. Die einklappbaren Burgen mit ihren Soldaten. Oder der Bauernhof mit den lustigen Tieren.

Soviel wie noch nie

Fast 1000 Einzelteile haben Volker Karp und seine Frau Irmhild selbst im Museum aufgebaut. „So viele Teile hatten wir noch nie in einer Sonderausstellung“, meint Museumsleiter Dr. Jens Schulze-Forster.

Ein Sinnbild für diese Fülle ist eine ovale Spanschachtel mit Holzwolle, in der die Figuren einfach nur darin liegen. Exponiert in einer Nische wie in einer kleinen Kapelle aber steht ein alter hölzerner Apfelschimmel. Der gehört Volker Karps Enkelin Mia. Ob sie das Mädchen ist, das darüber auf einer gerahmten Zeichnung mit eben so einem Schimmel zu sehen ist? Unterm Weihnachtsbaum stehen dagegen Pferd und Wagen von Sohn Sebastian. Der fünfjährige Enkel Gustav schenkte seinem Opa für die Sammlung eine lustige Wackelpuppe, auch sie ist natürlich in Großenhain zu sehen. Vieles steht übers Jahr bei ihm im Schrank, sagt Volker Karp. Aber mit etlichen Dingen spiele er tatsächlich mit seinen Enkeln. „Ich baue es gemeinsam mit ihnen auf. Denn Vorbild ist alles“, sagt er. So vermittle er seinen Enkeln die Hinwendung zu den Dingen und die Sicht auf das Schöne.

Spielzeug aus aller Welt

Volker Karp erzählt, dass er früher in Chemnitz wohnte, also am Rande des Erzgebirges, wo man dieses Spielzeug bekommen konnte. Als Musiker der Dresdner Philharmonie kam er aber auch auf 120 Tourneen in viele Länder der Welt. Von überall her brachte er sich Spielsachen mit. „Ich reiste fast nur mit meiner Zahnbürste, hatte immer den Rucksack voller Mitbringsel“, erzählt der Dresdner. Seine Kollegen hätten ihn deshalb oft „für verrückt erklärt“, so Volker Karp ...

Heute stellen diese Stücke Schätze dar. Und einen Kontrast zur sächsischen Volkskunst. Aber die Themen, so Museumsleiter Schulze-Forster, sind überall auf der Welt doch die gleichen. In einer Vitrine im Foyer, gleich neben dem Adventskalender, wurden deshalb je drei Figuren aus Polen, Kuba und Mexiko ausgestellt. Es sind Musiker, Frauenfiguren, Heilige. „Diese Puppen aus aller Herren Länder sind hier friedlich vereint“, sagt Amtsleiter Matthias Schmieder bei der Ausstellungseröffnung. Deutlich hört man den Wunsch heraus, dass das auch bei den Menschen so sein möge.

Volker Karps Sammlung ist nicht zum ersten Mal öffentlich. Seit 2007 stellt sie der Dresdner aus – in Dresden, Dohna, Reitzendorf oder Landwüst. Dass sie jetzt in Großenhain zu sehen ist, begeistert auch ältere Besucher wie Dieter Lehnert, Jahrgang 1952. „Ich habe als Kind mit solchen Figuren gespielt“, erinnert sich der Großenhainer. „Da gab`s Weihnachten nur ein Pferdegespann – und das war`s.“ Heute erkennt Lehnert auch anderes wieder: den Kletteraffen. Oder die kleinen Feuerwehren. „Eine schöne Ausstellung“, ist sein Urteil. Und wie preiswert die Miniaturen früher waren! 42 Pfennige steht an einer Original-Schachtel. Manches wurde in Seiffen von Karl Müller gefertigt, einem der letzten traditionellen Drechsler und Figurenmacher im Erzgebirge. Er starb 1958.

Ab Dienstag wird im Museum täglich der Adventskalender geöffnet. Hinter jedem Türchen versteckt sich dann ein kleines Spielzeug. Auch im Museumsshop soll es demnächst passende Spielwaren zu kaufen geben.