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Die Sexfalle

Viele Paare streiten sich an den Feiertagen. Paarberater Christian Thiel hat dafür eine drastische Erklärung.

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Christian Thiel
Christian Thiel © SZ

Weihnachten soll ein friedliches Fest der Liebe und Besinnlichkeit sein. Doch stattdessen gibt es in vielen Beziehungen Streit. Warum das so ist und was man dagegen tun kann, wollte die Sächsische Zeitung von Paarberater und Kolumnist Christian Thiel wissen.

Herr Thiel, die meisten hetzen gerade durch die Gegend, kaufen Geschenke und Festessen, damit Weihnachten besonders schön wird. Und wenn es dann endlich so weit ist, gibt es Streit. Was machen Paare falsch?

Sie nehmen sich einfach zu viel vor. Wenn ich manchmal höre, was sich Familien für ein Weihnachtsprogramm auferlegen, dann kann ich nur sagen: Entweder einer reicht hinterher die Scheidung ein oder er wird krank, weil er körperlich und seelisch erschöpft ist. Das beginnt jetzt schon, wo Eltern ihre Kinder mitschleifen, um ihre To-do-Listen abzuarbeiten. Dann müssen die Schwiegereltern eingeladen und auch noch die halbe Verwandtschaft oder Freunde Hunderte Kilometer weiter entfernt besucht werden. Alle stehen im Stau, sind gehetzt, genervt und überfordert. Das macht dünnhäutig und anfällig für Streit.

Also einfach die Schwiegermutter wieder ausladen, und es wird ein besinnliches Fest?

Möglich. Entscheidend ist allerdings, dass sich die Partner zum Fest wieder Zeit füreinander nehmen. Denn oft eskaliert die Situation, weil sich einer nicht gesehen oder gewürdigt fühlt. Da hilft es, miteinander zu reden, zu fragen, wie es dem Anderen geht.

Was sind denn die häufigsten Streitgründe? Dass ein Großteil der Vorbereitungen vom Putzen, Einkaufen, Kochen bis hin zum Geschenke einpacken meist an der Frau hängenbleibt?

Mit Mann und Frau hat das wenig zu tun. Denn der Streitgrund spielt gar nicht die entscheidende Rolle. Alles kann Anlass zum Streit werden. Das liegt aber nicht am bösen Charakter des Anderen oder an den Gegensätzen der Partner, die es schon seit zig Jahren gibt. Im Kern geht es um mangelnde Zuwendung. Die Partner kümmern sich zu wenig um die Bedürfnisse des Anderen. Wenn sie dann zwischen dem 24. Dezember und dem 1. Januar nicht einmal miteinander Sex haben, weil sie so im Stress und zu erschöpft sind, brauchen sie sich nicht zu wundern, wenn es Streit gibt.

Wer also viel Sex hat, streitet weniger?

Sex bedeutet, sich körperlich näher zu kommen. Es werden jede Menge Glückshormone ausgeschüttet, die uns gut tun. Wir können uns entspannen. Aus meiner Beraterpraxis weiß ich, dass Sex heute oft unterbewertet wird. Denn viele glauben, ihre Karriere oder ein Konzert ist wichtiger. Ohne Sex leidet aber die Partnerschaft. Es kommt schneller zum Streit und früher oder später meist auch zur Trennung.

Angeblich trennen sich ja ausgerechnet zu Weihnachten und im Urlaub die meisten.

Ja, weil es vorher schon lange bergab gegangen ist. Und plötzlich merkt man, dass Grundlegendes nicht mehr stimmt.

Ihr Tipp für ein harmonisches Fest?

Treten Sie kürzer. Machen Sie Pläne, die realistisch sind. Nur weil es heute möglich ist, mit dem Auto überall hinzukommen, muss man nicht überall hinfahren. Orientieren Sie sich bei der Planung an den Bedürfnissen der Beteiligten und nicht an den Ansprüchen Anderer an Ihre Zeit. Weniger ist hier mehr. Und versuchen Sie nicht, medialen Vorbildern nachzueifern, wie Weihnachten sein muss. Nicht das tolle Geschenk ist wichtig, sondern das Maß an persönlicher Zuwendung entscheidet, ob das Fest harmonisch verläuft und die Partnerschaft stabil bleibt.

Interview: Katrin Saft