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Die süßeste Lehre der Region

Immer mehr Naschkatzen wollen die Bonbons von Meister Karamellus in Stadt Wehlen. Der holt sich deshalb seinen Bruder mit ins Boot.

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© Norbert Millauer

Von Nancy Riegel

Stadt Wehlen. Salzkaramell. So heißt die erste Sorte Bonbons, die Azubi Willi selbst entwickelt hat. Wenn auch nur durch Zufall. Denn eigentlich sollte der 23-Jährige zuckersüßes Sahnekaramell anmischen. Aus der eigentlichen Prise Salz wurde eine etwas größere Ladung und so war die neue Sorte geboren. Seitdem gibt es die Tüte Salzkaramell für 3,50 Euro bei der Bonbonmanufaktur Meister Karamellus in Stadt Wehlen. Gleich neben der historischen Kasse hat sie der Chef platziert, denn die ungewöhnliche Sorte kommt gut an.

Der Chef, Max, trägt den gleichen Nachnamen wie sein erster Azubi, den er seit Sommer dieses Jahres ausbildet. Max und Willi Bernhardt sind Brüder mit zwei Jahren Altersunterschied. Süßwarentechnologe heißt die Ausbildung, die der jüngere gerade durchläuft. Davon gibt es so wenige in Deutschland, dass es auch nur eine einzige Berufsschule gibt – und zwar in Solingen. Der Unterricht dort findet deshalb in Blöcken statt. „In meiner Klasse sind wir insgesamt nur drei, die später mal in einem Handwerksbetrieb arbeiten werden. Der Rest kommt aus der Industrie“, berichtet Willi Bernhardt.

Von der Fließbandarbeit wollte der junge Mann, der in Pirna wohnt, weg. Er ist gelernter Elektroniker und war in einem großen Unternehmen tätig. Bis er irgendwann auf die Idee kam, in den Laden einzusteigen, den sein Bruder seit fünf Jahren am Markt in Wehlen betreibt. „Hätte Willi keine Lust auf die Ausbildung gehabt, ich hätte keinen anderen Azubi genommen“, gibt Max zu. Obwohl er die Hilfe gut gebrauchen kann. Der Bonbonladen wird immer bekannter. Nicht nur Kinder drücken sich die Nase am Schaufenster platt und wollen am liebsten jede Sorte probieren. Auch Geschäftskunden nutzen das Angebot der personalisierten Logo-Bonbons.

Jetzt, in der Vorweihnachtszeit, gibt es besonders viel zu tun. Als Geschenk für die Familie, Mitarbeiter oder Freunde – Bonbons und Lollis gehen immer. Und dann wollen die beiden auch noch mit einem eigenen Stand auf dem historischen Weihnachtsmarkt an der Dresdner Frauenkirche vertreten sein. Drei extra weihnachtliche Sorten – Bratapfel, Glühwein und Lebkuchen – gibt es dieses Jahr bei Karamellus zu kaufen. Während Willi Bonbons abwiegt und in quietschgelbe Tüten verfüllt, klebt sein älterer Bruder Etiketten auf die dekorativen Gläser, die er verschicken wird. Wie deren Inhalt hergestellt wird, zeigen die Brüder, ausstaffiert mit gestreifter Schürze und aufgeplusterter Mütze, täglich zweimal vor Publikum.

Der Schlüssel zu den Frauenherzen

Die süße Zuckermasse, versetzt mit Farben und Aromen, wird auf einer warmen Platte geknetet, geknotet, gedreht, gezogen, zerschnitten und am Ende zerstückelt. Rocken nennt der Fachmann den Vorgang. „Das ist schon anstrengend“, sagt der Azubi. Immerhin wiegt die Masse an die zehn Kilo. Herauskommen sollen am Ende süße Stücke in den Geschmacksrichtungen Cola, Himbeer-Pfefferminz oder auch Limette-Rosmarin.

Bei der Arbeit muss man präzise sein. Die Motive der Süßigkeiten müssen so gestaltet werden, dass sie auch beim Ziehen des Zuckers erhalten bleiben. „Hier ist mein Bruder viel besser als ich“, sagt Willi. „Aber ich bin ja auch noch im ersten Lehrjahr.“ Drei Jahre insgesamt dauert die Ausbildung. Am Ende ist der Azubi sogar fachnaher qualifiziert als der Chef. Der ist als Konditormeister nämlich Quereinsteiger.

Konkurrenz aus der eigenen Sippe? „Nein, nein, wir kommen gut miteinander klar“, sagen die Brüder. Max glaubt, das liege vor allem an ihren ungleichen Persönlichkeiten: der Chef ist der Selbstbewusste mit dem frechen Augenzwinkern und der Azubi ist der Ruhige mit dem freundlichen Lächeln. Willis Zurückhaltung fordert ihn während der Ausbildung zunehmend heraus. Denn wer in einem kleinen Laden wie Meister Karamellus arbeitet, der ist gleichzeitig auch immer Verkäufer. Für den 23-Jährigen ist das gar nicht so einfach. Egal, wie er drauf ist: „Ein Bonbonmacher muss immer gute Laune haben“, weiß Willi Bernhardt. Das gehöre einfach zum Image.

Am Ende kann der junge Mann immerhin einen entscheidenden Vorteil aus seiner Lehre ziehen. Bei der Damenwelt komme es nämlich äußerst gut an, wenn man sagen kann: Ich habe den Schlüssel zum Bonbonladen!