Von Michael Rothe
René Rössler hatte sicher schon manche Frau im Arm und als Hausmeister bei der „Sächsischen Zeitung“ viele tragende Rollen. Doch dieser Job ist alle Jahre wieder ein besonderer: Wenn im Dresdner Haus der Presse Sachsens „Unternehmer des Jahres“ ermittelt wird, gehört „Die Träumende“ bei der Jurysitzung als Siegerpokal zur Kulisse. Das heißt für den Mann mit dem schwarzen Zopf: Goldtransport!
Von den Organisatoren bei der Agentur „neuwerk“, wo die Statue sonst strahlt, geht es mit Transportwagen und per pedes hinauf aufs Dach der benachbarten SZ – mit 46 Metern eine der höchsten Adressen in Dresdens City. Obwohl Rössler die Grazie schon das fünfte Jahr auf Händen trägt, kommt keine Routine auf. „Das ist was anderes, als Kisten und Regale schleppen“, sagt der Mann in der grünen Latzhose des Gebäudedienstleisters R+S. Weiß behandschuht hievt er die Figur auf einen Karren. Der vergoldete Bronzeguss von Malgorzata Chodakowska wirkt trotz seiner 40Kilo zerbrechlich. Und so behandelt ihn der Begleiter. Jeder Handgriff sitzt, die Schöne kommt wohlbehalten im 12.Stock an. Für den Muskelmann hat sich die Hantelbank im Büro mal wieder bezahlt gemacht.
Ein Kraftakt anderer Art steht wenig später der Jury bevor: Als Vormunde müssen die fünf Mitglieder die beste Partie für das SZ-Kind finden. Für die Mitgift gibt es Vorgaben: mindestens eine halbe Million Euro Jahresumsatz, zehn Beschäftigte, fünf Jahre am Markt, eigene Anteile an der Firma, die in Sachsen sitzen muss. Hochzeit ist Ende März in Dresden bei einer Gala in der gläsernen VW-Manufaktur.
75 Bewerbungen erfüllen die Kriterien – 50 Prozent mehr als im Krisenjahr 2009, nur einer weniger als beim Rekord in der Saison davor. So ist „Die Träumende“ nach krisenbedingtem Liebeskummer auch in der Hinsicht wieder auf dem Weg nach oben. Die Jury ist wählerisch –und uneins. Es gibt gleich mehrere, die neben guten Bilanzzahlen auch das gewisse Etwas haben.
Aussehen und Alter spielen keine Rolle. Der jüngste Bewerber Nicolai A. J. Baum von der Galvanotechnik Baum GmbH in Zwönitz könnte mit 27Jahren gut der Enkel des ältesten Kandidaten sein: Rolf Heinemann (73) von der Robotron Datenbank-Software GmbH in Dresden. Unter den Teilnehmern sind elf Unternehmerinnen, so viele wie noch nie. 42 Vorgeschlagene sitzen im Regierungsbezirk Dresden, 22 kommen aus dem Raum Leipzig und elf aus der Chemnitzer Region.
Nach drei Stunden und mehreren Tassen Kaffee steigt dann doch weißer Rauch über dem SZ-Hochhaus auf: „Habemus victorem“, wir haben einen Sieger! Die Juroren sind zufrieden. Für die Güte des Jahrgangs galt das ohnehin, der legte seit 2005 ein mittleres Umsatzplus von 346 Prozent hin auf zusammen 830 Millionen Euro. Die Mitarbeiterzahl hat sich im Schnitt verdreifacht auf insgesamt 8342.
Der letzte Akt gehört wieder dem Hausmeister: Die Träumende muss heim. „Endlich eine Frau, die nicht widerspricht“, sagt René Rössler – und lacht. „Eigentlich die ideale Partnerin: Sie bleibt stehen, wo ich sie abgebe und rührt sich nicht, bis ich sie wieder abhole.“ Machosprüche sind sonst nicht das Ding des 43-Jährigen, der selbst noch zu haben ist. Aber der musste raus. Hat ja niemand gehört und „Die Träumende“ kann schweigen. Auch über den Sieger. Bis zum 26. März.
Der Unternehmerpreis Sachsen ist eine Initiative der Sächsischen Zeitung mit Unterstützung der Gläsernen Manufaktur von VW, Pricewaterhouse-Coopers und der Sachsen-Bank.
Als „Unternehmer des Jahres“ wurden u. a. nominiert: Roland Lange, Purtec Engineering GmbH,Königswartha; Ingo Winkler, Ratskeller der Stadt Leipzig GmbH; Sven Erik Hitzer, Restauration Festung Königstein GmbH; Christoph Deutsch, Sächsisches Druck- und Verlagshaus AG, Dresden; Klaus Schwarz, Schwarz Medien-Center GmbH, Meerane; Hans-Jürgen Hornisch, Schwingungs Diagnose Service GmbH, Böhlen; Holger Vogel, Stahlbau Vogel GmbH, Lichtenstein; Steffen Wegener, Stein-Wegener GmbH,Belgershain/Köhra; Bernd Löffler, Thermofin GmbH, Heinsdorfergrund; Gerhard Glanz, Union Werkzeugmaschinen GmbH,Chemnitz; Reinald Wunderwald/Matthias Drechsel, Velomat Messelektronik GmbH, Kamenz; Wolfgang Wegener, Wegener GmbH, Markkleeberg; Hendrik Scherf, YellowFox GmbH, Wilsdruff/Kesselsdorf.