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Die Verwandlungskünstlerin

Ulrike Bartsch ist die neue Gewandmeisterin im Bautzener Theater. Mit ihrem Team erzählt sie Geschichten aus Stoff.

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© Uwe Soeder

Von Miriam Schönbach

Bautzen. Ein stattlicher Bär braucht ein kuschelig-braunes Fell. Ulrike Bartsch wirft einen letzten Blick auf die Garderobe für den Meister Petz. Die neue Gewandmeisterin am Deutsch-Sorbischen Volkstheater in Bautzen tippt auf die etwas breiteren Hüften des brummigen Gesellen und auf die übergroßen Knöpfe. „Solche Kostümplastiken zu bauen, macht Spaß. Wichtig ist, dass die Proportionen stimmen. Das Tierische müssen wir auf den Menschen übertragen“, sagt sie. In die Kombination schlüpft Erik Dolata für „Die verzauberten Brüder“. Am Sonnabend feiert der Weihnachtsklassiker Premiere.

Bilder aus der Kostümbildner-Werkstatt

Die Hexe aus "Die verzauberten Brüder".Uwe Soeder
Die Hexe aus "Die verzauberten Brüder".Uwe Soeder
Szene mit dem Bären aus "Die verzauberten Brüder".Uwe Soeder
Szene mit dem Bären aus "Die verzauberten Brüder".Uwe Soeder
Gullivers Hand aus "Gullivers Reisen".Uwe Soeder
Gullivers Hand aus "Gullivers Reisen".Uwe Soeder

In der Schneiderei des Theaters rattern an diesem Vormittag noch die Nähmaschinen. Nach der Probe am Abend zuvor gibt es ein paar Änderungswünsche. „Schließlich müssen sich die Schauspieler in den Kostümen gut bewegen und spielen können“, sagt Ulrike Bartsch. Die Dresdnerin hat zu Beginn der Spielzeit ihre Freiberuflichkeit an der Elbe gegen die Festanstellung an der Spree getauscht. Eine Unbekannte ist sie im Haus trotzdem nicht.

Schließlich hat die ausgebildete Damenmaßschneiderin in Bautzen schon – im wahrsten Sinne des Wortes – ihre Hand-Schrift hinterlassen. Bei der Theatersommerproduktion „Gullivers Reisen“ entwarf sie vor drei Jahren die gigantischen Hände. „Sie mussten leicht sein, damit sie die Schauspieler tragen konnten und bespielbar sein“, sagt die Gewandmeisterin. Einen zweiten Abstecher ins Bautzener Ensemble machte sie bereits ein Jahr zuvor bei der Freiluftinszenierung „Senf für Bonaparte“. Doch nach den Ausflügen auf Zeit will Ulrike Bartsch nun länger bleiben.

Plädoyer für die Freundschaft

Ihr Handwerk hat die gebürtige Dresdnerin in einem privaten Schneiderbetrieb gelernt. Ihre Leidenschaft für das Nähen gibt ihr allerdings schon die Großmutter weiter. Sie sitzt noch an einer Gusseisernen zum Treten, fasziniert schaut ihr die kleine Enkeltochter zu, wie aus einem großen Stück Stoff wunderbare und fantasievolle Kleidungsstücke werden. „Mit fünf oder sechs Jahren habe ich die ersten Sachen ausprobiert“, sagt Ulrike Bartsch. Bei der Ausbildung im Modeatelier merkt die junge Frau, dass sie mehr als nette Röcke, Blusen oder Festtagsmode nähen möchte.

Apropos Rock. Herrenmaßschneiderin Manuela Fulk macht gerade die letzten Stiche am Lumpen-Rock der Baba Jaga. Ihr gegenüber kümmert sich Evelin Zschoch um das Hemd für den Hund im Märchen. Bettina Poese dagegen versieht die Jacke des Katers mit grünen Stichen. Aus der Ferne wirkt es wie Moos. Das samtene Jackett ist total zerfetzt. „Die Kleidungsstücke sollen ja schon eine Geschichte erzählen“, sagt Ulrike Bartsch. Schließlich hausen Scharik, der Hund, der Bär Mischa und der Kater Kotofej schon seit Jahren im Wald.

Ihre große Stunde kommt, als sie mit der klugen und fleißigen Wassilissa gegen die Hexe Baba Jaga antreten. Sie ist nicht nur raffgierig, selbstverliebt, eifersüchtig und lebt im berühmten russischen Hexenhaus auf Hühnerbeinen. Die garstige Alte hat auch die beiden Söhne der guten Wassilissa, Igor und Fjodor, auf der Suche nach Abenteuern gekidnappt und in Birkenbäume verwandelt. Mit List, Treue und auch ein bisschen Tapsigkeit treten die neuen Freunde dem Bösen entgegen.

Das Plädoyer für Freundschaft inszeniert Stefan Wolfram, die Ausstattung hat Katharina Lorenz gemacht. „Ihre Entwürfe erhielten wir Anfang Oktober, danach begannen wir mit der Umsetzung“, sagt Ulrike Bartsch. Dazu gehört die Stoffrecherche genauso wie Schnittentwürfe und – wie in diesem Fall– eine Testreihe, aus welchem Material sich der Katerschwanz bauen lässt. An dieser Stelle sei so viel verraten. Die neue Gewandmeisterin war jüngst häufiger im Baumarkt anzutreffen.

In die Selbstständigkeit gewechselt

Dieses Experimentieren mit Farben, Formen und Materialien gefällt Ulrike Bartsch am Beruf. Nach dem Ende des Studiums an der Hochschule für Bildende Künste in Dresden, Fachrichtung Kostümgestaltung, kurz nach der Wende, arbeitete sie erst bei der Staatsoper in Dresden. „Trotz vieler Praktika, wie zum Beispiel bei den Filmstudios in Babelsberg oder am Berliner Metropoltheater, hat es mich immer wieder in die Heimat zurückgezogen“, sagt sie. Nach Jahren der Festanstellung wechselte sie dann vor gut zehn Jahren in die Selbstständigkeit. In dieser Zeit wird die Dresdnerin häufig von Open-Air-Produktionen, wie zum Beispiel die Nibelungen-Festspiele in Worms oder die Zwinger-Festspiele, engagiert. Das Spiel mit der Mode der Vergangenheit liege ihr dabei genauso wie das Moderne-Futuristische. „An Kostümen aus dem Barock und Rokoko mag ich zum Beispiel das Verspielte und die wunderschönen Stoffe, aber die Kostümplastiken, wie eben Gullivers Hände, reizen mich immer wieder“, sagt sie.

Jetzt bleibt es in der Schneiderei vorerst noch ein bisschen märchenhaft. Nach den letzten Handgriffen für die „Verzauberten Brüder“ gehen die Kostüme für die Puppentheaterinszenierung „Hänsel und Gretel“ in die Feinabstimmung. „Der schönste Moment ist für mich eigentlich, wenn die Schauspieler unsere Arbeiten mit dem Spiel zum Leben erwecken“, sagt Ulrike Bartsch. Dann beugt sie sich über ihren Arbeitstisch. Für die nächste Produktion müssen noch Stoffe bestellt werden.

Premiere am 25. November, um 17 Uhr im großen Haus, nächste Vorstellung am 26. November um 17 Uhr. Weitere Termine unter www.theater-bautzen.de

Anlässlich der Premiere verkauft der Theaterförderverein unter anderem Röcke, Kleider, Fräcke, sowie Wolf- und Bär-Kostüme. Besonders viel gibt es für Kinder. Die „Kostümboutique“ öffnet ab 16 Uhr, in der Pause und nach der Vorstellung im Foyer des großen Hauses. Natürlich darf probiert werden.