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Die Jungs vom Dippser Dirtpark

Neben dem gepflegten Sportpark Dippoldiswalde beginnt ein Niemandsland. Die Downhill-Strecke darauf haben sich zahlreiche Jugendliche selbst angelegt.

Von Siiri Klose
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Raphael Münch (re.) und Pascal Pretzsch beim Sprung über die Hügel des Dirtparks Dippoldiswalde.
Raphael Münch (re.) und Pascal Pretzsch beim Sprung über die Hügel des Dirtparks Dippoldiswalde. © Egbert Kamprath

Die Erde ist knochentrocken und staubt bis in die spärliche Grasnarbe. Ein paar Schaufeln lehnen an einer Schubkarre, ein paar Birken spenden Schatten über der Böschung. Mehr Ausstattung gibt es nicht - und doch: Wenn der 15-jährige Nico sagt, dass er eigentlich jeden Tag herkommt, kann man ihn sofort verstehen. Die Atmosphäre zwischen den Jungs im Dirtpark ist so, dass man sofort dazugehören und so schnell nicht wieder gehen möchte.

Der Dirtpark entstand 2012 sozusagen aus den Resten des Sportparks Dippoldiswalde. Während der Sportpark als große Baumaßnahme von Stadt und Landkreises nach allen Regeln des Baurechts ausgeführt wurde, türmte sich der Aushub aus der abgetragenen Erde zunächst ohne weitere Bestimmung daneben. Bis irgendwann ein paar Jugendliche feststellten, dass die Haufen eine prima Geländemodellierung für ihre Mountainbikes ergaben.

Jeden angequatscht, der mit Fahrrad unterwegs war

Inzwischen hat diese erste Generation der Dirtpark-Biker Schule und Ausbildung längst hinter sich, ist Studium oder Berufen hinterhergezogen und ist mit der Familiengründung beschäftigt.

Ihre Spur hatte sich verloren, als Jens Prasatko das Gelände für sich entdeckte. "Als ich hier wieder was machen wollte, standen überall mannshohe Disteln und in der Mitte ein kaputter Bauwagen." 2018 nahm er die Sache im wahrsten Sinne des Wortes wieder in die Hand: "Ich bin damals mit nem Blatt Papier und Handy durch Dippoldiswalde gezogen und habe jeden angequatscht, der mit einem Fahrrad unterwegs war", erinnert er sich lachend.

Senkrecht hinunter, senkrecht hinauf

Sein Ziel: Wieder eine Truppe zusammenzukriegen, die Spaß daran hat, sich per Downhill-Bike senkrecht die Hügel herunterzustürzen, ebenso senkrecht wieder hochzufahren und den restlichen Schwung am Scheitelpunkt in einen effektvollen Sprung zu verwandeln. Auch wenn der bei den Zehnjährigen noch nicht ganz so hoch ausfällt, ist es erstaunlich, wie selbst die Jüngsten die halsbrecherischen Strecken meistern.

Gruppenfoto mit Rädern und Hügeln. Auf den Abfahrtsstrecken gibt es verschiedene Schwierigkeitsstufen für Anfänger und Fortgeschrittene.
Gruppenfoto mit Rädern und Hügeln. Auf den Abfahrtsstrecken gibt es verschiedene Schwierigkeitsstufen für Anfänger und Fortgeschrittene. © Egbert Kamprath

Die Ältesten hier sind knapp 20, die allermeisten zwischen 14 und 16. Rund 35 Jugendliche nutzen inzwischen regelmäßig-unregelmäßig den Dirtpark, schätzt Ronny Wenzel vom Pro Jugend e. V. Feste Trainingstage wie bei anderen Vereinssportarten gibt es nicht. Jeder kommt, wie er Lust hat. Viele - wie Nico - gerade deshalb täglich. "Vom Busbahnhof haben wir auch schon ein paar weggelockt", sagt Pascal.

Geländepflege mit 48-Stunden-Aktion

Auch Vereinsmitglied beim Dirtpark Dippoldiswalde e. V. muss man dafür nicht sein, und wenn Jens Prasatko mal wieder jemandem die Federgabel repariert, macht er das - wie alles - ehrenamtlich. Ronny Wenzel und Barbara Graumann sind als Sozialarbeiter bei Pro Jugend angestellt und waren 2018 dabei, als Prasatko die neue Bikertruppe zusammentrommelte.

"Wir haben gleich mit einer 48-Stunden-Aktion angefangen", erzählt Wenzel. Viele Jugendliche im Landkreis kennen diese Aktionen: Eine Art Frühjahrsputz mit Budenschwung, der eben 48 Stunden währt - genügend Zeit, um nicht nur den frisch renovierten Jugendclub, sondern auch einander intensiver zu würdigen.

Immer wieder Brandlegung

"Die Jungs haben alle Trails mit Schaufel und Schubkarree angelegt. Radlader oder Bagger gab es hier nie", sagt Wenzel. Sie sorgen auch dafür, dass das Gras kurz bleibt, und eigentlich haben sie auch immer wieder versucht, sich ein bisschen wohnlicher einzurichten - mit einem Bauwagen etwa oder einem Unterstand. "Aber das wird immer angezündet", sagt Jens Prasatko.

Wer das macht und warum - keine Ahnung. Vom letzten Unterstand sind nur die Brandspuren an einer Birke geblieben. Dass das Niemandsland-Areal neben dem Fußballplatz für jedermann zugänglich ist, ist eigentlich ein Segen - unkomplizierter kann man Jugendliche nicht einladen, sich sportlich zu betätigen.

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Doch jetzt kommt bald ein Zaun drum herum. "Auch versicherungsrechtlich ist der nötig", sagt Wenzel. Gerade hat er mit dem Berufsschulzentrum in Dippoldiswalde gesprochen: "Wenn im September das neue Ausbildungsjahr der Maurer beginnt, legen sie uns einen Betonsockel an." 300 Meter lang soll dann ein Bauzaun das Gelände umschließen.

Kostet wenig und macht Spaß

Jens Prasatko träumt außerdem von einem Seecontainer, "Versichert, verschlossen und unbrennbar", sagt er. Darin könnte man ein paar Sachen lagern, die oft gebraucht werden - bisschen Werkzeug für die Räder, der Rasenmäher, Schaufel und Schubkarre.

Doch viel Geld hat der Dirtpark nicht. "Der Verein lebt von den Beiträgen der Mitglieder", sagt Prasatko. Ronny Wenzel und Barbara Graumann kümmern sich um Förderungen für solche Highlights wie die Ausflüge zum Rabenstein im Westerzgebirge oder nach Schöneck im Vogtland - Orte, die in der Downhill-Szene bekannt sind für ihre Bikeparks.

"Aber hier machen wir auch manchmal Touren", sagt Jens. "Zum Einsiedlerstein, dann beim Heidemühlenteich was zu Essen auspacken und zurück." Kostet wenig und macht Spaß - wie so vieles am Dirtpark.