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Böhmische Dörfer

Ein Buch über zwei Orte bei Česká Kamenice erinnert an die einst deutschen Bewohner. Noch fehlt aber Geld für den Druck. Ein Blick ins Nachbarland.

Von Steffen Neumann
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Das Gut von Studený (Kaltenbach) auf einem historischen Foto.
Das Gut von Studený (Kaltenbach) auf einem historischen Foto. © R. Heinrich

Was hat Jitka Tůmová nicht schon alles getan für die Dörfer Lipnice (Limpach) und Studený (Kaltenbach) bei Česká Kamenice (Böhmisch Kamnitz). 

Durch ihre Mithilfe gründete sich vor 13 Jahren der „Verein unter dem Kaltenberg“. Er half, Wegkreuze zu restaurieren und wieder aufzustellen, sammelte Geld für die Erneuerung des Aussichtsturms auf dem Studenec (Kaltenberg), brachte ein Buch über die Region unter dem Studenec heraus und kümmert sich um die Wiederherstellung der alten Friedhöfe. Zuletzt wurde eine neue Holzbrücke über den Bach Studený potok (Kaltenbach) gebaut.

Vertreibung? Abschiebung?

Vor allem aber knüpfte Tůmová Verbindungen zu den ehemaligen Bewohnern dieser Region. Das waren Deutsche, die nach 1945 aus ihrer Heimat vertrieben wurden. „Ich weiß, dass wir über dieses Thema nicht gerne sprechen und die Vertreibung lieber Abschiebung nennen. Für mich ändert sich damit nichts. Beides sind negative Begriffe“, erzählt Tůmová und ergänzt: „Die Menschen von hier siedelten sich vor allem in Sachsen an.“

Glücksfall für die Vertriebenen

Dieser Kontakt zu den Alteingesessenen, von denen heute leider nur noch wenige leben, ist vielleicht die wertvollste Tat von Frau Tůmová. Und für die Vertriebenen ist sie wiederum ein Glücksfall. Denn, „ich habe ein Gedächtnis wie ein Elefant“, sagt sie. Seit 1950 ist sie regelmäßig in Studený. „Anfangs fuhren wir in ein Betriebsferienheim. Nachdem mein Vater die Arbeit gewechselt hatte, war er traurig darüber, nicht mehr hierher fahren zu können. Also kauften meine Eltern hier ein Wochenendhaus“, erinnert sich Tůmová an ihre Anfänge in dem kleinen Dorf.

Vor 13 Jahren fasste sie den Entschluss, all das, was sich in den Jahrzehnten in ihrem Gedächtnis angesammelt hat, aufzuschreiben. „Inzwischen sind über 500 Seiten daraus geworden.“ Auch wenn das Buch zweisprachig, also deutsch und tschechisch, geschrieben ist, bleibt es ein beachtliches Werk. Denn es handelt „nur“ von den eingangs erwähnten zwei Dörfern Lipnice und Studený.Jitka Tůmová befasst sich mit jedem einzelnen Haus und vor allem dem Leben und Schicksal der Bewohner.

 „Ich habe 3.000 Fotografien gesammelt. Darauf sind auch viele Bewohner abgebildet und ich kenne ihre Geschichten. Hier lebten keine Bonzen, sondern einfache Menschen, und daran möchte ich erinnern.“

Alte Fotos als Vorlage für Sanierung sakraler Denkmäler

Darunter sind auch die Fotografien ihres Vaters, eines leidenschaftlichen Fotografen. Nach dem Krieg waren die Häuser noch in einem relativ guten Zustand, standen noch alle Wegkreuze. Diese Fotos sind heute eine wertvolle Quelle zur Wiederherstellung dieser sakralen Denkmäler. „Ich erinnere mich, wie wir mit dem Porzellan- und Glasgeschirr, welches die Vertriebenen zurücklassen mussten, spielten“, sagt Tůmová. Und sie erinnert sich an die alte Mühle, die 1620, vor genau 400 Jahren, erstmals erwähnt und nach 1945 abgerissen wurde. „Heute steht hier leider ein ganz hässlicher Neubau.“

Das Buch, das im besten Fall noch vor Weihnachten erscheinen soll, hat sie vor allem für die früheren Bewohner, aber auch die jetzigen geschrieben. „Die meisten sind Wochenendhäusler und wissen nichts über die Geschichte. Unterstützung für ihr Buch erhält sie, auch wenn auf den letzten Metern noch rund 2.000 Euro fehlen. Die versucht sie nun über einen Fonds der Bank ČSOB zu bekommen. 

Wer will, kann ihr dabei helfen. Es reicht, auf dem Link für das Projekt zu stimmen (hlasovat). „Dieses Buch sind wir den früheren Bewohnern schuldig“, sagt Tůmová.

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