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Berührendes aus dem Osterzgebirge

Daniela Schwalbe aus Hermsdorf spielt das Märchen „Der standhafte Zinnsoldat“. Die Inszenierung besorgte Karla Wintermann, die gern auf schrille Töne verzichtet.

Von Thomas Morgenroth
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Puppenspielerin Karla Wintermann aus Röhrsdorf (links) inszenierte mit der Tänzerin und Schauspielerin Daniela Schwalbe aus Hermsdorf das Märchen „Der standhafte Zinnsoldat“.
Puppenspielerin Karla Wintermann aus Röhrsdorf (links) inszenierte mit der Tänzerin und Schauspielerin Daniela Schwalbe aus Hermsdorf das Märchen „Der standhafte Zinnsoldat“. © Thomas Morgenroth

Er ist der fünfundzwanzigste Zinnsoldat in einer Schachtel, der letzte in der Reihe, und ihm fehlt ein Bein. Sie alle sind Brüder, weil sie aus einem Löffel gegossen wurden, nur für ihn reichte das Material nicht. Der junge Mann lacht dennoch fröhlich in seiner blauen Uniform, hüpft auf einem Bein und schultert tapfer seinen Karabiner. Er ist „Der standhafte Zinnsoldat“, und er ist verliebt. In die schöne Tänzerin aus Papier, die in einem prächtigen Schloss wohnt und anmutig auf Zehenspitzen ihre Pirouetten dreht. Es sieht aus, als hätte sie nur ein Bein, weshalb der Soldat meint, sie würden gut zueinander passen.

In diesem Herbst machte der Soldat der Primaballerina in Hermsdorf im Osterzgebirge schöne Augen. Die Tänzerin und Schauspielerin Daniela Schwalbe probte in ihrer Wohnung ihr neues Stück, zu dem sie durch eine Ausstellung mit Zinnfiguren in Lübbenau angeregt wurde. Die 46-Jährige bringt nun das 1838 erstmals veröffentlichte Märchen „Der standhafte Zinnsoldat“ des dänischen Dichters Hans-Christian Andersen auf die Bühne. Regie führt Karla Wintermann, Puppenspielerin aus Röhrsdorf bei Dohna. Die Inszenierung vereint Puppenspiel, Tanz, Schauspielerei und Musik auf sehr poetische Weise.

Vergangenen Dienstag war die Premiere im Dresdner Theaterhaus Rudi – mit einem halben Jahr Verspätung wegen der staatlichen Corona-Verbote. Das Publikum bestand aus Kindergartenkindern, die aber zuvor das Märchen mit den Erzieherinnen besprochen hatten. Das ist auch durchaus zu empfehlen, bei Andersen geht es nicht immer lustig zu. Außerdem: Wer spielt heute noch mit Zinnsoldaten?

Daniela Schwalbes „Zinnsoldat“ ist ein sinnliches und emotional berührendes Theater, das ohne schrille Effekte und plumpe Anbiederung an die Zuschauer auskommt. Das klingt ein wenig anachronistisch, passt freilich aber gerade in diese merkwürdige Zeit, in der die ganze Welt aus den Fugen zu geraten scheint. Da stellt sich die Frage: Was ist wirklich wichtig? Andersen weiß die Antwort: Die Liebe. Sie kann alles Böse besiegen, so sie denn wahrhaftig und selbstlos ist. Auch Falschheit und Verrat, für die der Kobold und die Ratte stehen. Die Liebe überdauert sie alle, selbst wenn sie erst im Tod ihre Erfüllung findet.

Historisches Ambiente

„Wir wollen Inhalte und Werte vermitteln“, sagt Karla Wintermann. Nach „Circus Pimpinella“ und „Die Regentrude“ übernahm sie zum dritten Mal bei einem Soloprogramm Daniela Schwalbes die Spielleitung. Von ihr ist auch die Ausstattung des Stücks, die an die Entstehung des Märchens im 19. Jahrhundert erinnert. Karla Wintermann verortet die Geschichte auf einen Dachboden, auf dem es allerlei Spielzeug, Kisten und Pappdosen gibt, die sie gebaut und beklebt hat. Ein wurmstichiges Schneidebrett versah sie mit den Initialen „D.S.“ für Daniela Schwalbe und ihrem Geburtsjahr minus einhundert – also 1874.

Die Tänzerin, die sich auf einer erzgebirgischen Spieldose dreht, und der Zinnsoldat sind Flachfiguren, entworfen und bemalt von Silke Führich vom Kastanienhof Reichenau. Der Kobold stammt aus der Werkstatt von Karla Wintermann, die beiden hölzernen Pferde sind aus Daniela Schwalbes Familienbesitz, damit, sagt sie, habe schon ihr Vater gespielt. Herzstück der Kulissen aber ist ein Papiertheater, das die Kopie eines Originals aus dem 19. Jahrhundert ist. Angefertigt hat es Karla Wintermanns Sohn Carsten Wintermann, der als Diplomrestaurator mit dem Spezialgebiet Papier in Weimar arbeitet.

Mit all diesen wunderschönen Zutaten erzählt Daniela Schwalbe die Geschichte, tanzt alleine oder mit den Puppen, sucht als Ratte mit der Taschenlampe nach Opfern, spielt auf der Konzertina, die nur drei Töne hat, und gibt die entsetzte Köchin mit einer Haube, die an Daniela Schwalbes schauspielerische Anfänge als Waschfrau bei „Dippolds Erben“ vor fast dreißig Jahren erinnert. Sie schneidet den Fisch auf und findet darin den Zinnsoldaten.

Nach einem Fenstersturz und einer Odyssee durch die Gosse ist er schließlich mit seiner angebeteten Tänzerin in Liebe vereint – im brennenden Kamin, wo sie gemeinsam glücklich verglühen.

Wieder am 4. und 5.11. im Schloss Senftenberg sowie am 26. November, 9.30 Uhr, im Club Passage in Dresden. Daniela Schwalbe tritt zudem u.a. mit dem Wandertheater Schwalbe auf, als Tänzerin und mit einer Feuershow. Weitere Infos im Internet.

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