Sie würden zuviel düngen, das Grundwasser belasten, die Bienen umbringen. Jessica Kröhne kann es nicht mehr hören. "Kein Bauer würde besinnungslos drauflos düngen", sagt die 19-Jährige: "Schon allein, weil das wirtschaftlicher Quatsch wäre. Der Dünger kostet ja auch was, und die Pflanzen würden so nicht gut wachsen."
Die schmale junge Frau hat gerade als Beste ihres Jahrgangs die Ausbildung zur Landwirtin abgeschlossen, nach drei Lehrjahren bei der Liebenauer Agrar GmbH. Sie trägt ein festliches schwarzes Spitzenkleid für die große Zeugnisübergabe, die Sylvia Konrad vom Regionalbauernverband Sächsische Schweiz-Osterzgebirge zusammen mit der Ausbildungsberaterin Grüne Berufe Astrid Hänel in der Hermsdorfer Schunkelscheune organisiert hat. Landrat Michael Geisler (CDU) ist ebenfalls gekommen und gratuliert den frisch freigesprochenen Lehrlingen persönlich.
Zurück am Tisch wirft sich Jessica Kröhne mit ihren Azubi-Kollegen Insider-Witze zu, lacht und bedient sich bei Eierschecke und Erdbeertorte. Doch wenn es um die gängigen Vorurteile geht, die sie über ihren Beruf zu hören bekommt, verschwindet ihre gute Laune schlagartig: "Die 'dummen Bauern' heißt es immer", sagt sie: "Dabei wären die Leute hungrig und nackt ohne uns."

Nur mit Begeisterung wird ein Beruf draus
Um die drei Lehrjahre durchzuhalten, brauche es eine gute Portion Begeisterung für die Natur: "Um vier Uhr morgens zum Melken in den Stall zu gehen oder in der Erntezeit pausenlos auf den Beinen zu sein, dafür muss man schon mit Herz und Seele dabei sein", sagt sie. Henrik Fichtner, Referent für berufliche Bildung beim Sächsisches Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie, schiebt eine Zahl hinterher: 50 Prozent der Lehrlinge in den sogenannten grünen Berufen beenden ihre Ausbildung. "Eine gute Zahl", findet er. Heißt aber auch: 50 Prozent hören vorher auf.
Die körperliche Arbeit ist nur ein Teil des Berufsbildes: "Landwirte brauchen technisches und naturwissenschaftliches Know How." Die Digitalisierung hat längst Einzug gehalten in die Landwirtschaft: "Automatisierte Melk- und Fütterungssysteme und GPS-geführte Landmaschinen muss man schon auch bedienen können", sagt Sylvia Konrad vom Bauernverband. Marie-Luise Otto, ebenfalls frisch freigesprochener Lehrling bei der Agrargenossenschaft "Wesenitztal" Dürrröhrsdorf, gibt ein Beispiel: "Bevor wir düngen, nehmen wir Bodenproben an ganz verschiedenen Stellen. Sie sind die Grundlage für die Düngebedarfsermittlung. Per GPS wird der Dünger dann punktgenau auf dem Feld ausgebracht."
Landwirtschaft braucht Fachkräfte
Die 13 frisch ausgelernten Tier- und Landwirte haben in den Ausbildungsbetrieben der Region Sächsische Schweiz-Osterzgebirge gelernt. Die meisten von ihnen werden auch übernommen: "Fachkräfte werden dringend gesucht und gebraucht", sagt Fichtner. Auch die neuen Landwirte und -wirtinnen wissen um ihren Wert für den Arbeitsmarkt: "Jetzt wird auch mal mehr bezahlt als der Mindestlohn und mehr auf die Überstunden geachtet", sagt Jessica Kröhne. Zudem habe Corona gerade gezeigt, wie wichtig die einheimische Produktion für Deutschland ist: "Und auch sonst sollten die Menschen begreifen: Bei uns geht es sehr geregelt und überwacht zu in der Landwirtschaft. Das ist beileibe nicht überall so."
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