Lost Places: Die alte Hydraulik von Dippoldiswalde hat eine lange Geschichte
Ihren Todesstoß bekamen die alten Fabrikgebäude der Dippser Hydraulik um 2014. Ausgerechnet bei einer Sicherungsmaßnahme. „Der damalige Bürgermeister von Dippoldiswalde empfahl mir einen Hausmeister, der mir die Fenster sichern sollte“, sagt der heutige Besitzer Manfred Salzmann, der das ganze Gelände 2003 kaufte.
Der Mann vernagelte auch weisungsgemäß alles mit Holzplatten. „Aber dahinter baute er die alten gusseisernen Fenster aus und verkaufte sie in Berlin als Antiquitäten.“ Auch die alten gusseisernen Säulen mit einigem Zierrat, die das Dach hielten, verschwanden gen Berlin. „Danach hat es nur einen Winter gedauert, bis die Dächer unter der Schneelast einbogen.“ Wenn alles nach Plan läuft, werden die zwei historischen Gemäuer mit dem markanten Verbindungsgang bald abgerissen, um Platz für einen Aldi samt Parkplatz zu schaffen.
Die Fabrikgebäude gibt's es seit 1905
Um 1905 zog der Unternehmer Heinrich Blanke mit seiner Fabrik für Schmieröle und Schmiergeräte von Leipzig an den südlichen Stadtrand von Dippoldiswalde und wuchs schnell zum größten Betrieben der Stadt heran. Während des Zweiten Weltkriegs wurde die Armaturenfabrik als kriegswichtig eingestuft und stellte ab den dreißiger Jahren auch Teile für Flugzeuge und Panzer her. Als Teil der Rüstungsindustrie wurde die Familie Blanke sehr bald nach Kriegsende enteignet, ging nach Bonn und hat dort noch immer eine Fabrik für Rohrverschraubungen.
Inzwischen werfen die ruinösen Fabrikhallen direkt an der B170 bei Ortsfremden stets die Fragen auf, was hier wohl einst hergestellt wurde. Einheimische fragen sich das nicht, weil nahezu jeder vor 1989 geborene Dippoldiswalder irgendwann in seinem Leben mit dem VEB Hydraulik zu tun hatte – begonnen beim Unterricht Produktives Arbeiten, der im DDR-Lehrplan ab der siebenten Klasse für eine Einführung in die sozialistische Produktion sorgen sollte. Oft schlossen sich nahtlos diverse Ferienjobs an, und oft auch eine Ausbildung.
Orsta-Maschinen werden immer noch genutzt
Circa 500 Menschen arbeiteten hier, schätzt Christian Roche. Der Ingenieur für Metallverarbeitung blieb der Hydraulik bis zum Ende seiner beruflichen Laufbahn verbunden - erst in der Technologie-Abteilung, wo er die Fertigungsverfahren überprüfte und optimierte, später als Betriebsleiter, als Peneumatik/Hydraulik 2013 endgültig in die neuen Fertigungshallen im Gewerbegebiet Reinholdshain zog.
Als Volkseigener Betrieb war das Hydraulik-Werk in Dippoldiswalde Teil des Kombinats Orsta-Hydraulik mit Sitz in Leipzig. Noch heute geistern Unmengen von Orsta-Hydraulikpumpen, -zyliner, Hubstempel oder Ölaggregate durch die Kleinanzeigenspalten des Internets. "Unser Spezialgebiet hier war die Produktion von 1,20 Meter langen Zylinderrohren", sagt Roche.
Hochfein polierte Oberflächen
Dabei kam das Honen-Fertigungsverfahren zu Einsatz, mit dem kurz gesagt die Oberflächen feinpoliert werden. "Die Innenbearbeitung der Rohre war zentral, weil die Kolben natürlich absolut reibungsfrei im Rohr laufen müssen", sagt Roche. Deshalb gehörte auch ein galvanisches Verfahren zum Verchromen der Kolbenstangen zu den Betriebsabläufen. Im Hallen-Neubau hinter dem noch heute unversehrten Verwaltungsgebäude aus den sechziger Jahren war die Dreherei und Bearbeitung der Teile untergebracht.
"Unsere Zylinder kamen überall dort zum Einsatz, wo Kraft gefragt war", erklärt Roche. "Also in Kränen, Baggern, für die Steuerung von Werkzeugmaschinen." Für die Kraftübertragung sorgt hochreines Öl in den Zylindern. "Weil es sich nicht komprimieren lässt wie die Luft bei pneumatischen Antrieben, lässt sich damit die Kraft direkt übertragen." Wegeventile verteilen den Ölstrom - so lassen sich die Maschinen steuern. "Das stellt höchste Ansprüche an die Technologie, besonders an die Dichtungsproblematik."
Alter Handelspartner konnte nicht in D-Mark zahlen
Für DDR-Verhältnisse sei das Dippoldiswalder Werk sehr gut aufgestellt gewesen, "im Vergleich zur BRD vielleicht etwas hinterher", sagt Roche. Nach der Währungsunion ging es der Hydraulik jedoch wie zahlreichen Werken aus der ehemaligen DDR: "Wir produzierten viel für die Sowjetunion", sagt Roche. Doch die konnte sich keine Hydraulikpumpen zu D-Mark-Preisen mehr leisten. Unzählige Auftragsstornierungen flatterten herein.
- Noch mehr Nachrichten aus Pirna, Freital, Dippoldiswalde und Sebnitz.
Aus den 500 Mitarbeitern wurden um 1993 ungefähr 80, dann übernahm Gisela Grießbach den Betrieb. Bis 2013 setzte sie die Produktion an der B170 fort, dann zog die Hydraulik ins Reinholdshainer Gewerbegebiet und firmiert heute unter Dowaldwerke mit rund 150 Mitarbeitern. Nach wie vor spezialisiert auf Hydraulikzylinder - und die Technik hinter den Vakuumtoiletten in ICEs.
Und die alten Hydrauliker? "Von der Rationalisierungsbrigade sind noch welche da", sagt Roche. Ungefähr 30 Leute, die einmal im Jahr zusammen Bowlen gehen. "Aber die wenigsten konnten in ihrem Beruf bleiben."