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Bobritzschtal bekommt Rückhaltebecken und das sorgt für Kritik

Naturschützer sehen die Arbeit von Jahrzehnten gefährdet, während sich andere über einen besseren Hochwasserschutz freuen.

Von Siiri Klose
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Der grüne Strich in der Landschaft Rückhaltebecken Bobritzsch
Der grüne Strich in der Landschaft Rückhaltebecken Bobritzsch © Repro: LTV

Als das Oberverwaltungsgericht Anfang März entschied, dass die Planungen für das Hochwasserrückhaltebecken in Oberbobritzsch rechtlich korrekt sind, freuten sich vor allem die Einwohner 45 Kilometer weiter nördlich. Dort liegt Döbeln, und dort richtete das Hochwasser im Jahr 2002 beträchtliche Schäden an. Seither baut die Landestalsperrenverwaltung Millionen-teure Hochwasserschutzmauern an der Mulde, die von Freiberg kommend durch die Stadt fließt.

Diese Bauwerke sind abgestimmt mit weiteren Maßnahmen für den Hochwasserschutz. Darunter fällt auch das Hochwasserrückhaltebecken bei Oberbobritzsch, dass bei Starkregen bereits beim Mulden-Zufluss Bobritzsch das Wasser zurückhalten soll. Geplant ist es in der Nähe des alten Bahndamms zwischen Friedersdorf und Oberbobritzsch in Mittelsachsen.

Lebensraum für besonders geschützte Tiere in Gefahr

Dort will die Landestalsperrenverwaltung einen sogenannten Steinschüttdamm von 17 Metern Höhe und 550 Metern Breite errichten. Wasser soll nur bei Hochwasserereignissen angestaut werden, dann gibt es Platz für knapp fünf Millionen Kubikmeter Wasser. "Der Steinschüttdamm wird mit Schotterrasen begrünt und passt sich somit harmonisch ins Landschaftsbild ein", schrieb die LTV im Oktober 2023 in Pressemitteilung.

Der Oberlauf der Bobritzsch ist allerdings auch ein eingetragenes Flora-Fauna-Habitat mit einer Vielzahl von Lebensräumen für Tiere und Offenland-Biotope. "Die große Bobritzsch-Aue ist ein Vorranggebiet für Natur und Landschaft", sagt Tobias Mehnert, Vorsitzender des Naturschutzverbandes Sachsen (NaSa). Sein Verein war es, der gegen die Baupläne der Landestalsperrenverwaltung klagte und das Planfeststellungsverfahren zunächst ins Stocken brachte.

Naturschutzverband ist Besitzer der Auenflächen

"Anfang der neunziger Jahre haben wir als Verband diese 35 Hektar Bobritzsch-Aue erworben und Schritt für Schritt renaturiert", sagt er. Dafür beseitigte der Verband Entwässerungsrohre aus den dreißiger Jahren, machte Flussbegradigungen rückgängig, konnte Grünland aus der intensiven landwirtschaftlichen Nutzung in die extensive, also ungedüngte, überführen. "Und jetzt haben wir hier die Highlights!", sagt er: "Wachtelkönig, Wiesenpieper, Bekassine, Braunkehlchen, Kammmolch, Fischotter."

Das Highlight der Bobritzsch-Aue: der Wachtelkönig.
Das Highlight der Bobritzsch-Aue: der Wachtelkönig. © J. Gläser

Dieser Erfolg nach der jahrzehntelangen, stetigen Arbeit der Naturschützer sieht er akut bedroht. "Das ist ein riesiges Bauvorhaben direkt in unserem Gebiet. Nach dem Bau werden sich die Gegebenheiten vor Ort auch durch Sedimentablagerungen verändern."

Vor allem kann Mehnert den Sinn des Rückhaltebeckens als Flutschutz für Döbeln nicht nachvollziehen. "Das Becken soll zwölf Kilometer hinter der Bobritzsch-Quelle im Gimmlitztal entstehen. Danach haben Bobritzsch und Mulde noch einmal 40 Kilometer, auf denen Starkregen niedergehen können."

Kleinteiligere Lösung mit dezentralen Becken?

Die LTV möchte allerdings nicht nur die Wassermassen gen Nossen, Roßwein und Döbeln mit dem Bauwerk regulieren, sondern auch "Oberbobritzsch, Niederbobritzsch, Naundorf, Teile von Falkenberg, Krummenhennersdorf und Reinsberg." Für diese Orte allerdings regte Tobias Mehnert kleinere, dezentrale Becken in den einzelnen Orten an. "Das betrifft oft Seitenbäche der Bobritzsch, denn gerade die rauschen bei Starkregen die Felder runter." Doch diese Bäche sind Gewässer zweiter Ordnung, "Die Landestalsperrenverwaltung ist aber nur für Gewässer erster Ordnung zuständig", sagt Mehnert. Deshalb, sein Vorwurf, werde über kleinere Lösungen nicht nachgedacht.

Im Klageweg lag jetzt die letzte Hoffnung der Naturschützer. "Mit dem Entscheid für das Bauwerk wird nicht nur unsere Arbeit in den letzten 30 Jahren ignoriert, sondern jegliches Auenprogramm ad absurdum geführt", sagt Mehnert