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Bilder des Grauens

Der KZ-Häftling Thomas Geve hat seine Erinnerungen an die Lagerjahre in Zeichnungen festgehalten. Die Bilder werden in einer Wanderausstellung gezeigt.

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Ein Blick auf das Eingangstor des KZ Buchenwald mit der Inschrift „Jedem das Seine“. Alfred Stübner, der selbst Gefangener war, hat es nach der Befreiung des Lagers aufgenommen.
Ein Blick auf das Eingangstor des KZ Buchenwald mit der Inschrift „Jedem das Seine“. Alfred Stübner, der selbst Gefangener war, hat es nach der Befreiung des Lagers aufgenommen. © Alfred Stüber/ Stiftung Gedenkstätte Buchenwald un

Von Dagmar Doms-Berger

Mittelsachsen. Auschwitz, Juni 1943. Für den 13-jährigen Thomas Geve werden Deportation, Erniedrigung, körperliche Qualen, Selektion und allgegenwärtiger Tod fürchterliche Realität und bestimmen fortan sein Leben. Von seiner Mutter wird er getrennt. 22 Monate lang verbringt er in den Konzentrationslagern Birkenau, Auschwitz, Groß-Rosen und Buchenwald. Thomas Geve erlebt die Befreiung im April 1945 in Buchenwald. Das Ungeheuerliche, das er erlebt hat, und für dessen Beschreibung oftmals die Sprache versagt, hat Geve in Bildern festgehalten.

Zeichnungen und Fotografien

Diese Zeichnungen sind zu sehen in einer Ausstellung, die die François Maher Presley Stiftung für Kunst und Kultur in Zusammenarbeit mit der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora unter dem Titel „Gegen das Vergessen“ präsentiert. Ergänzt wird die Ausstellung mit historischen Fotografien von dem damaligen Gefangenen Alfred Stüber. Stüber (1904-1981) war als Zeuge Jehovas ins KZ gekommen und hatte im Erkennungsdienst-Fotolabor der Buchenwalder Gestapo überlebt. Im Auftrag des Internationalen Lagerkomitees hat er das befreite Buchenwald fotografiert. Seine Aufnahmen zeigen die Berge von Leichen, die Öfen, abgemagerte Häftlinge, Kinder, das Tor mit der bekannten Inschrift „Jedem das Seine“. Die Fotos werden noch im Lager für die in ihre Heimatorte zurückkehrenden Häftlinge vervielfältigt.

Für Stiftungsgründer François Maher Presley scheitert das „Verstehen“ angesichts dieses Grauens. Für ihn ergibt sich daher keine andere Möglichkeit, als wieder und wieder Partei zu ergreifen. „Ich denke, dass, wenn wir auch nur einen Menschen erreichen, die Arbeit sich ebenso gelohnt hat, wie sich auch die Gründung und das Wirken der Stiftung lohnen wird, wenn wir auch nur ein Kind ansprechen können, das unsere Gedanken aufnimmt, versteht und weiterträgt.“

Station in 13 Städten

Um möglichst vielen Menschen in Mittelsachsen und darüber hinaus diese Bilder zeigen zu können, ist die Exposition als Wanderausstellung angelegt und macht über einen Zeitraum von etwa eineinhalb Jahren in 13 Städten Station. Sie startet am 1. Dezember  in Oederan und endet im Juni 2022 in Freiberg, aber nicht sang- und klanglos. Zum Abschluss führen Solisten des Mittelsächsischen Theaters und die Mittelsächsische Philharmonie den außergewöhnlichen Liederzyklus Mauthausen, bekannt als „Mauthausen Kantate“ oder auch als „The Ballad of Mauthausen“ auf. 

Der heute 95-jährige Komponist Mikis Theodorakis vertonte in enger Abstimmung mit dem griechischen Widerstandskämpfer Iakovos Kambanellis (1922-2011) vier Gedichte von Kambanelli, der 1943 ins KZ Mauthausen deportiert wurde. Texte, die vom Leben, Verlust, der Sehnsucht und dem Leid, aber immer wieder von der Liebe erzählen.

Der Holocaust-Überlebende Thomas Geve hat Zeichnungen angefertigt und aufgemalt, was er erlebt hat, hier die Gaskammern von Auschwitz.
Der Holocaust-Überlebende Thomas Geve hat Zeichnungen angefertigt und aufgemalt, was er erlebt hat, hier die Gaskammern von Auschwitz. © Zeichnung: Thomas Geve

Detailreich schildert Geve in seinen Bildern die Zeit in den Lagern. Entstanden sind sie noch im befreiten Lager Buchenwald. Er zeichnet den Lagerplan von Auschwitz I, das Lager Buna, auch Monowitz oder Auschwitz III genannt, bildet einen „normalen“ Wochentag in Ausschwitz, der von körperlicher Erschöpfung, Hunger, von Drangsalierungen, Schikanen und Todesängsten, aber auch von Träumen gekennzeichnet ist, ab. 

Er zeigt den Weg zu den gefürchteten Selektionen bis hin zur Befreiung von Buchenwald. Geve gibt somit einen ganz individuellen Einblick in die Lagerrealität, die dem Betrachter bisher Unbekanntes eröffnet. Sein Bild „Wir sind frei“ wurde später mehrfach vergrößert und zum Symbol der 50-Jahres-Befreiungsfeiern in der Gedenkstätte Buchenwald gewählt. Die Bilder werden ergänzt mit erläuternden Kommentaren von Thomas Geve.

Landrat ist Schirmherr

Der Landrat des Landkreises Mittelsachsen Matthias Damm hat die Schirmherrschaft für die Wanderausstellung übernommen. „Ich danke François Maher Presley für seine Idee und deren Umsetzung mit einer Wanderausstellung durch 13 Städte und Gemeinden, das Leid, die Verfolgung und die Schrecken des Holocausts 75 Jahre nach Beendigung des Zweiten Weltkriegs, insbesondere eines Krieges gegen die Menschlichkeit, mit all seinen Auswirkungen weltweit, die bis heute ihre Wirkung zeigen, nochmals und durch eine sehr persönliche Sichtweise, nämlich durch die hier gezeigten Bilder von Thomas Geve, gedanklich gegenwärtig werden zu lassen.“

 Wichtig sei es, so der Landrat, danach zu forschen, wo die Wurzeln von Diktatur und Terror liegen, wo die Triebfedern für Entrechtung und Verfolgung von Menschen. „Eins ist klar“, so Damm, „wer zu vergessen beginnt, für den ist aus der Geschichte nichts zu lernen. Er wird erneut in den Teufelskreis von Unrecht, Krieg und Gewalt hineingezogen.“

 Der sächsische Ministerpräsident Michael Kretzschmer ruft dazu auf, entschlossen allen Tendenzen entgegenzutreten, Mitmenschen zu diskriminieren, sie anzugreifen, zu vertreiben. Es dürfe heute kein Wegsehen geben. Kretzschmer wünscht der Ausstellung viele Besucher und allen, die sich mit dem dunkelsten Kapitel der deutschen Geschichte beschäftigen, immer wieder die richtigen Lehren für eine gute Zukunft zu ziehen.

Katalog mit den Fotos, Zeichnungen und Texten

Begleitend zur Ausstellung erscheint ein Katalog mit den Fotos, Zeichnungen und Texten. Außerdem gibt es ergänzend einen Film von Dr. Wilhelm Rösing, in dem Thomas Geve mit einem Jugendlichen durch Buchenwald geht. Der junge Mann stellt einfache Fragen, auf die ihm Geve antwortet. Der Film kann von Schulen ausgeliehen werden.

Terminvorschau:

  • Oederan, Stadtverwaltung, Gerichtsgebäude, 1. Dezember 2020 bis 10. Januar 2021
  • Mittweida, Hochschule Mittweida, Technikumplatz 17, Vernissage: Dienstag, 12. Januar 2021, 17 Uhr, 12.1.2021 bis 25.02.2021
  • Rochlitz, Foyer des Rathauses, Vernissage: Samstag, 27. Februar 2021, 18 Uhr,  27.Februar bis 26. März 2021
  • Waldheim, Kunsttreppe im Stadt- und Museumshaus, Niedermarkt 8, Vernissage: Sonntag, 28. März 2021, 11 Uhr, 28.März bis 27. April 2021
  • Leisnig, Rathaus, Vernissage: Sonntag, 2. Mai 2021, 12 Uhr 1. Mai  bis 15. Juni 2021
  • Zusätzlich Ausstellung zu den in Leisnig geborenen General Friedrich Olbricht, der am Attentat vom 20. Juli 1944 auf Adolf Hitler beteiligt war.
  • Hainichen, Rathaus, Vernissage: Mittwoch, 30. Juni 2021, 18 Uhr,  30. Juni bis 30. August 2021
  • Lommatzsch, St. Wenzelkirche, Vernissage: 11. September 2021, 17 Uhr;3. September bis 20. September 2021
  • Roßwein, Rathaus, Vernissage: Freitag, 1. Oktober 2021, 19 Uhr;  21. September  bis 13. Oktober 2021
  • Brand-Erbisdorf, Stadthaus, Vernissage: 27. Oktober 2021, 18 Uhr; 27. Oktober bis 29. November 2021
  • Flöha, Wasserbau in der Alten Baumwolle, Claußstraße 3, Vernissage: 8. Februar 2022, 16 Uhr; 5. Februar 2022 bis 4. März 2022
  • Frauenstein, Gottfried-Silbermann-Museum, Vernissage: 6. März 2022, 11 Uhr;  6. März bis 5. April 2022
  • Döbeln, Stadttheater, Vernissage: 9. April 2022, 18 Uhr; 10. April bis 10. Mai 2022
  • Freiberg, "Werner-Hofmann-Haus" Landratsamt Mittelsachen, Frauensteiner Straße 43, Vernissage: 20. Mai 2022, 17 Uhr; 16. Mai bis 17. Juni 2022

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