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Döbeln: Wenn Nachbarn wie Hund und Katze sind

Die Döbelner Friedensrichterin Andrea Beckert hat vor allem mit klassischen Streitfällen zu tun. Jetzt kann sie fünf Jahre weitermachen.

Von Jens Hoyer
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Andrea Beckert ist seit sechs Jahren Friedensrichterin in Döbeln und schlichtet vor allem Streitfälle zwischen Nachbarn. Jetzt hat sie der Döbelner Stadtrat erneut in dieses Ehrenamt gewählt.
Andrea Beckert ist seit sechs Jahren Friedensrichterin in Döbeln und schlichtet vor allem Streitfälle zwischen Nachbarn. Jetzt hat sie der Döbelner Stadtrat erneut in dieses Ehrenamt gewählt. © Dietmar Thomas

Döbeln. Andrea Beckert zeigt eine kleine Broschüre: „Wenn sich die Leute daran halten würden, gäbe es keine Probleme mehr.“ „Nachbarrecht in Sachsen“, steht vorn auf dem Heftchen. Herausgegeben wurde es vom sächsischen Justizministerium. Und es ist auch der Leitfaden für die ehrenamtliche Arbeit von Andrea Beckert. Die 53-Jährige ist die Döbelner Friedensrichterin.

Auf ihren Tisch landen vor allem Nachbarschaftsstreitereien. Solche, bei denen sich die Parteien nicht selbst einigen können, die aber auch nicht unbedingt vor den Amtsrichter gehören. Einmal habe der Richter sogar jemanden zur ihr geschickt, weil die Streitsache zu geringfügig war, erzählte sie.

Wenn der Ast über den Zaun ragt

Mittlerweile hat die Döbelnerin einige Erfahrungen als Friedensrichterin sammeln können. Zehn Jahre war sie Stellvertreterin ihres Vorgängers. Seit sechs Jahren ist sie selbst Friedensrichterin. Wegen Corona hatte sich die Amtszeit um ein Jahr verlängert.

Die Probleme sind in dieser langen Zeit immer die gleichen geblieben. Es sind tatsächlich die Klassiker: Der Ast, der über den Gartenzaun ragt, das Laub, das vom einen zum anderen Nachbarn geweht wird oder das Wasser, das von einem zum anderen Grundstück abfließt. Auch in den neueren Wohngebieten gibt es solche Konflikte. „Die Leute bauen da ihr Eigenheim und denken, sie habe ihre Ruhe. Und dann baut der Nachbar seinen Pool auf, in dem die Kinder toben. Aber das ist normal im Sommer“, sagte Andrea Beckert.

Es sind praktisch immer Hausbesitzer, die bei ihr anfragen. Fälle aus Mehrfamilienhäusern kommen kaum vor.

Streit geht oft schon lange

Nach den Erfahrungen der Friedensrichterin sind es oft lang anhaltende Konflikte, die bei ihr landen. „Da hat sich oft über Jahre etwas aufgestaut. Das Problem ist: Die Leute reden zu wenig miteinander.“ Und reden, das müssen die Kontrahenten bei ihr. Manchmal kommen die Leute gut vorbereitet, kennen die Paragrafen, die in ihren Fällen zutreffen. „Aber ich bin da, um zu schlichten, und nicht, um zu richten“, sagte Andrea Beckert. Dazu sei es nötig, dass beide Seiten nachgeben. Sie animiere die zerstrittenen Personen immer, sich in die Lage des anderen hineinzuversetzen.

Manche Fälle sind aber aussichtslos. Etwa, wenn die andere Seite nicht bereit ist, mit der Friedensrichterin zu sprechen. Manchmal dauert das Schlichten auch länger. „Manche Nachbarn können sich nicht mehr am Gartenzaun begegnen. Da muss ich dann die Gespräche einzeln führen.“ Vor-Ort-Termine seien immer am besten. „Da kann man vieles klären.“

Die Friedensrichterin kann sich verschiedener Instrumentarien bedienen. Manchmal reiche schon ein Gespräch. Im Fach-Jargon sind das die „Tür-und-Angel-Fälle“, weil sie zwischen Tür und Angel auf die Schnelle zu lösen sind. „Den Leuten hilft es oft, sich etwas von der Seele zu reden. Wenn man einen Rat gibt, sagte sie: Ach ja, so könnte man das machen.“

Vergleich kostet Geld

In manchen Fällen läuft das Verfahren auf einen Vergleich zwischen den Kontrahenten hinaus. Das kostet dann auch Geld, um die Auslagen zu tragen. Nicht viel, 60 Euro. „40 Euro bekommt die Stadt, 20 bekomme ich für Schreib- und Post-Gebühren. Wenn Geld übrig bleibt, wird es wieder ausgezahlt“, sagte die Friedensrichterin. Die Kosten könnten auch über die Rechtsschutzversicherung abgerechnet werden. Am Ende des Vergleichs steht eine schriftliche Einigung, die von beiden Seiten unterzeichnet wird.

Andrea Beckert ist Altenpflegerin, kann ihren Beruf aber aus gesundheitlichen Gründen derzeit nicht ausüben. Ihr liege der Umgang mit Menschen, mit den verschiedenen Persönlichkeiten, erklärt sie ihre Motivation für ihr Ehrenamt. „Ich bin mehr ein Mensch, der zuhören kann, als selbst zu reden. Die Leute wollen oft erzählen und ich versuche, ihnen zu helfen.“

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Die Döbelnerin wird auch in den nächsten fünf Jahren als Friedensrichterin arbeiten. Der Stadtrat hatte sie mit großer Mehrheit erneut gewählt. Es hatte dieses Mal sogar vier Bewerber um das Ehrenamt gegeben.

Nicht viele Fälle im vergangenen Jahr

Im vergangenen Jahr hatte es nicht viel Bedarf am Schlichten gegeben. Nur drei oder vier „Tür-und-Angel-Fälle“, erzählte sie. „Da ist viel übers Telefon gegangen. Das Rathaus ist geschlossen, die Leute brauchen einen Test und wissen nicht, ob sie nun einen Termin vereinbaren müssen oder nicht.“ Sehr viele Leute gehen ohnehin nicht den Weg der außergerichtlichen Einigung. Auf 15 bis 20 Fälle schätzt sie ihren Arbeitsumfang der vergangenen Jahre.

Friedensrichter stehen unter Aufsicht des Amtsgerichts. „Ich reiche die Fälle regelmäßig ein und der Richter schaut mal drüber“, sagte Andrea Beckert. Weiterbildungen gehören auch zu ihrem Amt. Richter im Ruhestand halten übers Wochenende Seminare. „Sie nennen Beispiele, wie man helfen kann und beantworten Fragen. Es gibt auch Rollenspiele. Man kommt dort auch mit anderen Friedensrichtern ins Gespräch. Nachbarschaftsstreitigkeiten machen bei allen die Hauptarbeit aus.“