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"Eine Musikschule muss klingen"

Auch nach 30 Jahren an der Musikschule möchte Margot Berthold ihren Job nicht tauschen. Der Lockdown an ihrem Haus sei beängstigend.

Von Maria Fricke
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Als Klavierlehrerin hat Margot Berthold vor 30 Jahren an der Musikschule Döbeln angefangen. Heute leitet die 61-Jährige die Musikschule Mittelsachsen.
Als Klavierlehrerin hat Margot Berthold vor 30 Jahren an der Musikschule Döbeln angefangen. Heute leitet die 61-Jährige die Musikschule Mittelsachsen. © Dietmar Thomas

Mittelsachsen/Waldheim. Mit einer ganz normalen Stellenanzeige fing alles an. Margot Berthold war gerade auf der Suche nach einem Job. Sie hatte am Elektromotorenwerk, kurz Elmo, in Hartha Vietnamesen in Deutsch unterrichtet. Zwei Jahre lang hat sie sich damit ihr Brot verdient. Ein Notjob, der so rasch endete, wie er begann.

„Von einem Tag auf den anderen waren die Vietnamesen weg. Als die Mauer geöffnet wurden, waren sie die ersten“, erinnert sich die gebürtige Leisnigerin. Vor 61 Jahren wurde sie in der Bergstadt geboren, ist dort aufgewachsen. In einer Familie, in der Musik und Unterrichten schon immer eine große Rolle gespielt haben. „Wir haben alle immer gesungen. Das war für uns normal“, so Berthold, die leidenschaftlich gern im Auto singt. 

Mit vier fing sie bei der Kurrende an. „Die Lieder habe ich auswendig gelernt. Ich wollte ja schließlich alles mitsingen.“ Später hat sie in verschiedenen Chören mitgewirkt. Die Leidenschaft für das Singen, sie ist geblieben. Noch immer wirkt Margot Berthold im Chor des Kirchenbezirks Leisnig-Oschatz mit. Sporadisch ist sie auch bei Aufführungen der Kantoreien Leisnig oder Döbeln mit dabei. Ein Muss ist für sie eigentlich jedes Jahr im Dezember die Mitwirkung an einem Weihnachtsoratorium. Dafür reist sie auch mal bis nach Rochlitz, wenn dort ein Platz in der Kantorei frei ist.

Erster Job in Espenhain in einer finsteren Zeit

An der Universität Leipzig machte sie ihre Leidenschaften zum Beruf, studierte Lehramt für Musik und Deutsch. 1982 stieg sie in den Schuldienst ein. Ihre erste Station: Espenhain bei Leipzig. „Wir haben die Stadt in ihrer finstersten Zeit kennengelernt. Damals einer der dreckigsten Orte Europas wegen der Kohleindustrie. Es war richtig krass, was wir dort erlebt haben.“ 

In Erinnerung geblieben ist ihr vor allem das Leid der Kinder. „Viele von ihnen hatten Hautkrankheiten.“ Doch die „tolle Kinderärztin“ vor Ort habe sich sehr für ihre Patienten eingesetzt, ihnen sogar noch während der DDR eine Kur auf Zypern ermöglicht. 

Als die Ärzte bei ihrer damals dreijährigen Tochter den Verdacht auf Asthma äußerten, zog Margot Berthold aber die Reißleine. Sie kündigte ihre Stelle und verließ die Stadt.

Dem Nachwuchs vermitteln: Musik fetzt

Eben zu jener Zeit wurde im VEB Elektromotorenwerk in Hartha ein Deutschlehrer gesucht. Berthold trat die Stelle an und zog mit der Familie zunächst nach Döbeln-Nord. Doch dass das Unterrichten im Elmowerk nicht ihr Traumjob war, war klar.

Die Wende eröffnete ihr neue Möglichkeiten. Über eine Anzeige in der Zeitung erfuhr sie von einer freien Stelle an der Musikschule. „Da bin ich zur damaligen in Döbeln legendären Chefin Eva-Maria Helm gegangen und es hat geschnackelt“, sagt Berthold. 

So begann sie 1990 als Klavierlehrerin an der Musikschule in Döbeln. Und richtete sich ihren Bereich ein: die musikalische Früherziehung für Kinder. „So etwas gab es in der DDR nicht.“ Dieser Bereich sollte an der Schule neu aufgebaut werden. Margot Berthold nahm das Projekt in ihre Hände. Und versucht bis heute, Kinder ab vier Jahren für Musik, Instrumente und das Singen zu begeistern. Sie will dem Nachwuchs vermitteln, dass „Musik fetzt“.

Wenn Margot Berhold unterrichtet, ist ihre Welt rund

Erfolg hat sie damit immer noch. Jeden Mittwoch begrüßt Margot Berthold, außerhalb des Krisemodus, drei Gruppen Mädchen und Jungen im Kita- und Vorschulalter. Früher ist sie noch durch die Kindergärten der Region gereist und hat vor Ort mit den Mädchen und Jungen gearbeitet. 

„Wir haben in der musikalischen Früherziehung immer viel Zulauf gehabt. Jeden Vormittag haben wir an zwei bis drei Kitas unterrichtet“, erzählt Berthold. Sie selbst kann als Leiterin der Musikschule Mittelsachsen nun aber nur noch ihren Unterricht in der Schule abhalten. 

Die musikalische Früherziehung wie hier in der Wendishainer Kita ist nach wie vor ein Steckenpferd von Margot Berthold.
Die musikalische Früherziehung wie hier in der Wendishainer Kita ist nach wie vor ein Steckenpferd von Margot Berthold. © DA-Archiv

Für die Touren in den Kitas bleibt beim Pendeln zwischen den Belangen der Freiberger, Döbelner, Flöhaer und Mittweidaer Schüler keine Zeit mehr.

 „Im anstrengenden ‚Außendienst‘ ist meine Kollegin Tina Bartel mit unglaublichem Engagement unterwegs“, so Berthold. Auch wenn sie schon aufgrund gesetzlicher Vorschriften nicht auf den Unterricht verzichten kann, würde sie die Arbeit mit den Kindern auch aus eigener Motivation heraus nicht aufgeben. Sie ist ihr Ausgleich zu den zunehmenden bürokratischen Herausforderungen, die ihre Aufgabe als Leiterin mit sich bringt. „Für diesen Nachmittag ist dann meine Welt wieder rund.“ 

Beruflich ganz klar angekommen

Bleibt der Nachwuchs bis zum Schulbeginn der Musik treu, versucht Margot Berthold, den Mädchen und Jungen ein Instrument nahezulegen. An der Musikschule baute sie von 1990 bis 2003 den Kinderchor mit auf. 

Sie habe viel ausprobiert in dem neuen Job, sei neugierig gewesen, und vor allem froh, wieder Musik unterrichten zu dürfen. „Ich habe gefühlt, dass ich angekommen bin und hierbleiben möchte.“ Kurz nachdem sie in Döbeln angefangen hatte, zog die Musikschule 1991 aus den Räumen des Beruflichen Schulzentrums in ihre heutige Unterkunft, das ehemalige Pionierhaus an der Straße des Friedens.

1995 wird Margot Berthold Künstlerische Leiterin an der Seite des damaligen Schulleiters Clemens Lipus, fünf Jahre später übernimmt sie das Amt der Schulleitung an der Musikschule in Döbeln. 

Chinesen total vernarrt in barocke Kostüme

Ebenfalls 2000 wird das Projekt Musical Company Hartha an die Musikschule angegliedert. Mit der Gruppe erlebte Berthold, die die Leitung des Projektes des Martin-Luther-Gymnasiums übernommen hatte, einen ihrer beruflichen Höhepunkte: eine zehntägige Reise nach China mit knapp 120 Leuten. 

Einen ihrer beruflichen Höhepunkte erlebt Margot Berthold, als sie 2007 als Projektleiterin mit der Musical Company Hartha zum Auftritt nach China reist.
Einen ihrer beruflichen Höhepunkte erlebt Margot Berthold, als sie 2007 als Projektleiterin mit der Musical Company Hartha zum Auftritt nach China reist. © DA-Archiv

„Bei unserem Auftritt auf der Berliner Messe Grüne Woche sind wir den Chinesen aufgefallen. Sie haben uns zum weltgrößten Tourismusfestival nach Shanghai eingeladen“, erklärt die ehemalige Leiterin der Gruppe die Hintergründe der Reise.

 Aufgeführt haben sie dort ihr Musical „August, der Starke“. Das begeisterte die Chinesen vor allem aufgrund der barocken Kostüme. „In die waren die Chinesen total vernarrt gewesen.“