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Mittelsachsens Ruinen: Wann greift das Amt ein?

Von einigen Problem-Immobilien geht eine Gefahr aus. Reagieren die Besitzer nicht, ist die Kreisverwaltung gefragt. Auf den Kosten bleibt sie oft sitzen.

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An der Waldheimer Härtelstraße wird derzeit das Haus Nummer 39 abgerissen. Darin befand sich früher ein Milchgeschäft.
An der Waldheimer Härtelstraße wird derzeit das Haus Nummer 39 abgerissen. Darin befand sich früher ein Milchgeschäft. © Dietmar Thomas

Von Jan Leißner und Elke Braun

Mittelsachsen. Die Schicksale von leerstehenden und dem Verfall preisgegebenen Häusern gleichen sich an vielen Orten Mittelsachsens: Meist sind es ehemalige Wohnhäuser, teils Gewerbebrachen und in einem Fall sogar ein Schloss.

Allen gemeinsam ist: Deren private Besitzer können oder wollen sich nicht mehr um ihre Immobilie kümmern. Dachziegel fallen auf Fußwege, Giebelwände drohen auf Straßen zu stürzen, eingeschlagene Fensterscheiben und offene Eingänge laden Kinder zu lebensgefährlichen Expeditionen ein. Spätestens dann ist die Bauaufsicht des Landkreises gefordert, die darüber entscheidet, ob die öffentliche Hand eingreifen muss.

Von Sicherung bis Abriss

Zur Gefahrenabwehr ist so im vergangenen Jahr die Bauaufsicht in acht Fällen im Rahmen einer sogenannten Ersatzvornahme tätig geworden. In der Praxis veranlasst die Verwaltung die Sicherungsmaßnahmen, die eigentlich Aufgaben des Eigentümers wären, von diesem aber trotz kostenpflichtiger behördlicher Verfügung nicht realisiert wurden. Das reicht von Dachdeckerarbeiten über das Aufstellen von Bauzäunen bis zum Komplettabriss.

Im vorigen Jahr waren Immobilien in Frauenstein, Großschirma, Hartha, Lunzenau, Seelitz, Roßwein, Mittweida und Waldheim betroffen. Für Sicherung oder Abriss der Häuser stand dem Kreis – wie auch 2020 – ein Budget von 600.000 Euro zur Verfügung. Dieses wurde 2021 vollständig ausgeschöpft, wie Kreis-Pressesprecherin Tina Soltysiak bestätigte. Die Kosten für die Sicherung der Problem-Immobilien werden den Eigentümern in Rechnung gestellt.

Eigentümer zahlen häufig nicht

Doch läuft der Landkreis dem Geld meist über Jahre hinterher, nur ein Bruchteil der Forderungen an die Eigentümer wird erfüllt. Es bedürfe eines „intensiven Engagements des Bereiches Vollstreckung manchmal auch über mehrere Jahre“, um solche Forderungen beizutreiben, bestätigte die Sprecherin. So wurden im Jahr 2020 von der Bauaufsicht rund 335.000 Euro an Forderungen aus Ersatzvornahmen an die Vollstreckung übergeben, 2021 waren es rund 216.000 Euro. Im Vergleich dazu konnten 2021 lediglich rund 50.000 Euro Forderungen, die aus dem Zeitraum 2017 bis 2020 stammten, beigetrieben werden.

Ein wesentlicher Grund, warum es so schwer fällt, das Geld zu bekommen, sind Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldner. Wird so ein Verfahren eröffnet, kann der Landkreis seine Forderungen zwar anmelden. Doch so ein Verfahren kann Jahre dauern und je nach Ausgang erhält der Landkreis nur einen Teil der Forderungssumme. Um sich die zu sichern, kann die Verwaltung auch eine Zwangssicherungshypothek im Grundbuch eintragen lassen oder das Instrument der Gehaltspfändung anwenden. Das Risiko, dass der Landkreis auf den Kosten sitzenbleibt, besteht dennoch. Und jährlich erfährt nur ein Bruchteil der maroden Immobilien eine solche Behandlung durch die Kreisverwaltung. Aktuell werden laut Landratsamt 230 baufällige bauliche Anlagen überwacht. Bei den Problem-Immobilien handele es sich überwiegend um Wohnhäuser.

Überwiegend Wohnhäuser

In Roßwein hat die Kreisverwaltung Ende vergangenen Jahres das denkmalgeschützte Gebäude Bahnhofstraße 2 abreißen lassen. Mit dem Abriss wird das Gebäude von der Denkmalschutzliste gelöscht. Besonderen Wert hatte es aus verschiedenen Gründen: Es zeugte als eines der letzten Häuser davon, wie die ursprüngliche Architektur der Vorstädte vor der gründerzeitlichen Bebauung einmal ausgesehen hat, heißt es in der Denkmalsbegründung. Außerdem waren die markante Fassadengliederung sowie der – zumindest stellenweise – noch im Original erhaltene Putz von Bedeutung. Jetzt steht von dem Haus nur noch ein etwa zwei Meter hoher Sockel, der aus statischen Gründen stehenbleiben muss. Insgesamt hat der Landkreis allein in diesen Abriss 140.000 Euro investiert.

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Im Rahmen einer sogenannten Ersatzvornahme wird durch den Landkreis Mittelsachsen derzeit in Waldheim das Gründerzeitgebäude Härtelstraße 39 abgerissen. Auch dafür sind Kosten in Höhe von rund 140.000 Euro veranschlagt. Das Haus stand schon seit Jahren unter Beobachtung der Bauaufsicht. Der Fußweg und ein Teil der Straße mussten abgesperrt werden, um Passanten vor herabstürzenden Gebäudeteilen zu schützen. Die Abrissarbeiten sind dort noch bis Mitte Februar geplant.

Bereits im Jahr 2020 war in Waldheim der ehemalige Vereinshof an der Breitscheidstraße abgerissen worden. Dort hat die Kommune inzwischen am angrenzenden Gebäude den Brandgiebel sanieren lassen. Dessen Gestaltung erinnert an das früher als Kulturhaus von den Betriebsangehörigen der ehemaligen Sitzmöbelwerke genutzte Gebäude.

In Roßwein hat die Kreisverwaltung Ende vergangenen Jahres das denkmalgeschützte Gebäude Bahnhofstraße 2 abreißen lassen. Damit verschwand ein Denkmal.
In Roßwein hat die Kreisverwaltung Ende vergangenen Jahres das denkmalgeschützte Gebäude Bahnhofstraße 2 abreißen lassen. Damit verschwand ein Denkmal. © Dietmar Thomas

Weil die Bauaufsicht eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung erkannte, ist sie unter anderem in Frauenstein tätig geworden. In dem Fall war die als alte Molkerei bekannte Immobilie im Stadtteil Nassau betroffen. Wie Bürgermeister Reiner Hentschel erklärte, drohte der Giebel des Hauptgebäudes auf die Straße zu stürzen. Daher wurde es abgerissen.

In Großschirma hatte die Stadtverwaltung schon längere Zeit den Abriss des ehemaligen Rittergutes an der Hauptstraße gefordert. Doch wie Frank Jänich vom Bauamt erklärte, stimmte das Landesamt für Denkmalpflege nicht zu. So soll zumindest der vordere Wohngebäudeteil erhalten bleiben. „Der dringende Handlungsbedarf besteht weiterhin“, so Jänisch. In der Stadt würden zehn Immobilien beobachtet, davon werde bei fünf eine Gefahr für die Öffentlichkeit erkannt. (mit FP)