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"Spiele entwickeln ist für mich Selbsttherapie"

Mit "Townframe" erobert Patrick Eckhardt auf Anhieb zwei erste Plätze beim Games Innovation Award Saxony. Sieger zu sein, war aber gar nicht sein Wunsch.

Von Lea Heilmann
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Patrick Eckardt (rechts) mit Journalist Marcus Richter bei der Verleihung des Games Innovation Award Saxony im Dezember in Leipzig.
Patrick Eckardt (rechts) mit Journalist Marcus Richter bei der Verleihung des Games Innovation Award Saxony im Dezember in Leipzig. © Games Innovation Award Saxony

Grimma. Hugo hat genaue Vorstellungen von der Stadt, doch seine Erinnerungen teilt er nur in Zahlen mit. Nana erinnert sich an das Fischerdorf an der Küste, in dem sie aufgewachsen ist, vor allem an den Leuchtturm, an dem der Westwind immer so entlang peitschte.

Doch wer auf einer Karte nach den Städten von Hugo und Nana sucht, wird nicht fündig, zumindest auf keiner echten. Die beiden Städte sind Teil des Computerspiels "Townframe" von Patrick Eckardt. Es ist ein Rätselspiel, in dem Städte aus den Erinnerungen von Menschen entstehen. Als Werkzeuge dienen aber nicht nur die verschiedenen Häuser, sondern auch der Wind und Umgebungsgeräusche.

Für sein Spiel wurde Eckardt, der in Grimma lebt, bei dem Games Innovation Award Saxony in Leipzig im Dezember 2022 ausgezeichnet. Zwei Mal: für das beste Spiel und die beste Innovation.

Auf die Frage, wie er die Veranstaltung wahrgenommen hat, sagte er zuerst nur "unangenehm", holte dann aber doch weiter aus: "Wir hatten einen Pitch-Workshop, da haben die anderen Nominierten auch ihre Projekte vorgestellt, das war cool. Ansonsten war das eher so ein Netzwerktreffen und ich hatte gehofft, ich kann auch die anderen Spiele ausprobieren". Als er bei der Verleihung auf die Bühne gerufen wurde, um den Preis entgegenzunehmen, schoss ihm nur eins durch den Kopf: Fuck. "Ich habe echt nicht erwartet zu gewinnen und hatte beim auf die Bühne gehen auch keine richtige Dankesrede parat", ergänzt er noch dazu.

In dem Spiel "Townframe" baut man Städte aus den Erinnerungen von Menschen.
In dem Spiel "Townframe" baut man Städte aus den Erinnerungen von Menschen. © Screenshot von Town Frame

Die Aufmerksamkeit, die er bekommen habe, habe ihm nicht so sehr gefallen. Gleichzeitig weiß Eckardt aber auch, wie wichtig diese für junge Spielentwickler ist, um die eigenen Entwicklungen bekannt zu machen. "Eigentlich will ich aber nur Spiele entwickeln", gibt er zu.

Zeichnen war seine Leidenschaft

Dass er das mal sagen wird, daran hatte er als Jugendlicher wohl nicht geglaubt. "Ich habe immer gezeichnet, vor allem in die Manga-Richtung. Früher wollte ich Comiczeichner werden", erinnert sich Patrick.

Mit einer Freundin besuchte er 2013 einen 3D-Modelling-Kurs, weil sie in die Gaming-Richtung gehen wollte. Hat Patrick Eckhardt da seine Leidenschaft für Computerspiele entdeckt? Nicht so wirklich. "Ich bin damals mit einer ganz anderen Erwartungshaltung rein- und deshalb auch mit sehr viel Unwissen wieder rausgegangen", sagt er und lacht.

Bei dem Modellierungs-Kurs hat er damals einen Charakter erstellt, über eine Stunde hat das gedauert. Mit mäßigem Ergebnis. Das sei er vom Zeichnen anders gewohnt: "Du kannst da sehr schnell etwas schaffen. Ein paar Charaktere, eine Umgebung gemalt und schon hast du eine Geschichte".

Ein Jahr später hat Patrick sein Studium in Halle angefangen - Multimedia und VR Design. Er erzählt von seinem Anschreiben, in dem er erwähnt hat, dass er ein Medium finden will, mit dem er besser oder anders Geschichten erzählen kann. "Wer hätte gedacht, dass ich das Medium wieder treffe, dass ich eigentlich verweigert hatte?", fragt er und muss selber über die Ironie des Schicksals schmunzeln.

Computerspiele als Selbsttherapie

Die Liebe zu dem Medium hat sich schließlich etwas später, 2016, entwickelt, über die Teilnahme an Game Jams. Das sind Veranstaltungen, bei denen sich Menschen vor Ort oder virtuell treffen, um gemeinsam in ein paar Tagen ein Spiel zu entwickeln. Solche Veranstaltungen hat der Grimmaer immer wieder besucht und seine ersten Spiele zusammengebastelt, erst gemeinsam in der Gruppe, zum Ende des Jahres entstanden die ersten in Alleinregie.

Patrick Eckardt ist Autodidakt. Alles, was er für die Entwicklung von Spielen braucht, hat er sich selbst beigebracht, durch Ausprobieren, Videos schauen und in Foren rumstöbern. "Wenn ich eine Sache benötige, um weiter zu kommen, dann fuchse ich mich da auch gerne durch", erklärt er sein Durchhalten. Letztendlich ist das ja auch wie ein Spiel - du erlernst etwas, um weiterzukommen, ergänzt er.

Spieleentwickler - das ist mittlerweile sein Berufswunsch für die Zukunft. Vor knapp zwei Jahren hat sich der Grimmaer selbstständig gemacht, arbeitet momentan als Freelancer bei einer Entwicklungsfirma in Halle. Er habe große Pläne, erzählt Eckardt, die Spiele, die er in der Vergangenheit angefangen hat, fertigzumachen.

Seine Spiele beruhen immer auf eigenen Erfahrungen. Das Entwickeln sei für ihn auch immer eine Art Selbsttherapie. Er glaubt aber auch, dass er anderen Menschen in gleichen Situationen mit seinen Spielen helfen kann.

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In der Zeit als er "Townframe" entwickelt hat, ist Patrick Eckardt von Halle nach Grimma gezogen, wo er auch geboren wurde. Als er durch die Stadt gelaufen ist, habe er sie noch mal neu kennengelernt, gleichzeitig aber auch viele Erinnerungen von früher gehabt. "Da dachte ich mir, das wäre doch cool, wenn das Spiel so etwas auch auslöst", sagte er. Patrick Eckardt merkt man die Begeisterung für seine Spiele an. Wenn er anfängt, darüber zu reden, weiß er oftmals gar nicht, wo er anfangen soll, weil er so viel darüber teilen möchte.

Freunde überredeten ihn, sein Spiel einzureichen

Auch in "Townframe" hat er sein eigenes Leben mit eingebaut - eine der Personen, Sam, ist von seiner Schwester inspiriert. "Ihr hat es auf jeden Fall gefallen, sie hat sich nur gewundert, warum sie im Spiel eine Augenklappe trägt", verrät er und lacht.

Das Spiel wollte Patrick ursprünglich gar nicht einreichen, erst als Freunde ihn überredet haben, hat er sich dann doch dazu entschlossen - zum Glück. Als Erstplatzierter erhält Eckardt ab Februar ein persönliches Coaching, das über ein halbes Jahr geht.

Der Zweitplatzierte hat einen Technik-Gutschein bekommen. "Als ich für den Preis nominiert war, hatte ich zuerst gehofft, dass ich den zweiten Platz bekomme, weil ich mir dachte: Dann kann ich mir neue Hardware kaufen". Natürlich freut sich Eckardt nun sehr auf das Coaching. Aber eigentlich will er eben einfach nur Computerspiele entwickeln.