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Döbeln
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Vertrauensverlust, enttäuscht von Politik: Wie sich die Jugendarbeit in Mittelsachsen verändert

Immer wieder gibt es Berichte von gewalttätigen Jugendlichen. Wie sieht die Situation in der Region Döbeln aus und was beschäftigt die Kids?

Von Lea Heilmann
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Laut den Sozialarbeitern gebe es für die Jugendlichen in der Region nicht genügend Angebote wie zum Beispiel Basketballplätze oder Treffpunkte in den Städten. Von der kommunalen Politik seien sie deswegen teilweise enttäuscht.
Laut den Sozialarbeitern gebe es für die Jugendlichen in der Region nicht genügend Angebote wie zum Beispiel Basketballplätze oder Treffpunkte in den Städten. Von der kommunalen Politik seien sie deswegen teilweise enttäuscht. © dpa-tmn

Mittelsachsen. Vor vier Wochen hat eine Gruppe Jugendlicher den SPD-Politiker Mathias Ecke in Dresden angegriffen. In Magdeburg sollen 14- bis 16-Jährige zwei Männer angegriffen haben – wenig später ist einer der beiden im Krankenhaus verstorben.

Laut der Polizeilichen Kriminalstatistik 2023 lag die Zahl der tatverdächtigen Kinder und Jugendlichen auf dem höchsten Stand der vergangenen fünf Jahre.

Doch macht sich das auch abseits der großen Städte bemerkbar? Mit „Kontrast“ hat der Verein Regenbogenbus eine mobile Jugendarbeit für Mittelsachsen organisiert. Die Mitarbeiter sind teilweise seit zehn Jahren in mehreren Kommunen im Landkreis vertreten, darunter auch in Leisnig.

Erfahrung mit Kommunalpolitik ist ausschlaggebend

Janine Kromm ist Teil von Kontrast. Sie habe durchaus die Erfahrung gemacht, dass Gewalt und damit zusammenhängende Erfahrungen eine größere Rolle spielen bei den Heranwachsenden. „In Gesprächen mit Jugendlichen, die wir schon lange beraten, ist es auf jeden Fall Thema. Sie erzählen, welche Erfahrungen sie gemacht haben“, erklärte Kromm.

Teilweise seien es Auseinandersetzungen untereinander, aber auch sexuelle Grenzüberschreitungen. Und Jugendliche aus ländlichen Regionen würden vor allem in Großstädten verstärkt untereinander auf sich achten und nicht allein, sondern zu zweit oder in größeren Gruppen unterwegs zu sein.

Die Themen, die die Jugendlichen beschäftigen, seien unterschiedlich – Arbeit, Zukunft, aber auch ihren Wohnort. „Das ist natürlich auch nicht unabhängig von politischen Entwicklungen“, so Kromm. Und genau in dem Bereich hätten viele Jugendlichen in der Vergangenheit Enttäuschung gespürt.

Denn rund um Politik ist es ausschlaggebend, welche Erfahrungen die Jugendlichen mit Kommunalpolitik gemacht haben. Wie ernst wurden sie dort in den vergangenen Jahren genommen? Welche Wünsche haben die Heranwachsenden, und was hat die Kommunalpolitik in die Hand genommen, um das umzusetzen?, zählte Kromm auf. „Es ist wichtig, mit den Jugendlichen ins Gespräch zu gehen und, dass mehr Fachkräfte an der Basis arbeiten“, so Kromm weiter.

Jugendliche brauchen Plätze in den Städten

Das bemerke auch Clemens Albrecht, Geschäftsführer des Vereins Treibhaus. Er nannte als Beispiel die Skatehalle, die Parkplätzen für das Jobcenter weichen musste. „Die Halle hat jemanden gehört und der darf sie verkaufen, es gibt Eigentumsrechte, in dem Sinne ist der Verkauf und Abriss schon okay. Aber es fällt den Jugendlichen schon schwer zu verstehen oder zu glauben, dass Politik und Gesellschaft da keine anderen Möglichkeiten gefunden haben.“

Für Jugendliche sei es ganz wichtig, dass sie Selbstbestimmung erleben. „Das ist teilweise für Jugendliche relativ schwierig. Es gibt schöne Kinderspielplätze, aber für die Jugendlichen eben nicht so viel“, ergänzte Albrecht. Er betonte aber auch, dass gerade in Döbeln Oberbürgermeister Sven Liebhauser (CDU) oder andere Mitarbeiter der Stadt bei Projekten des Vereins vorbeischauen.

Er höre aber auch immer wieder, dass sich in den Schulen die Meinungen der Jugendlichen radikalisieren würden, teilweise es schon starke rechte Tendenzen gebe, die von der Schule nicht unterbunden werden könnten. „Das ist aber kein Vorwurf an die Schule, sondern da fehlen einfach Kapazitäten, um beispielsweise auch in den Pausen immer präsent zu sein“, sagte Albrecht weiter.

Ob mobile Jugendarbeit, Jugendclubs oder soziokulturelles Zentrum – an jeden der Orte ist es wichtig, dass die Kinder und Jugendlichen Ansprechpartner haben, denen sie vertrauen. Um das auszubauen, bräuchten Sozialarbeiter heutzutage deutlich mehr Zeit als noch vor zehn Jahren, beobachtete Janine Kromm.

Kürzungen hätten große Folgen für die Sozialarbeit

Durch eine neu beschlossene Förderlinie sei es jedoch möglich, dass Träger, auch in der Region, von Kürzungen betroffen sind. Für das Vertrauensverhältnis könnte das schwere Folgen haben. „Das ist natürlich bestürzend zu sehen, wenn dort dann die Beziehungsarbeit beendet werden muss, obwohl junge Menschen Fachkräfte hatten, bei denen sie andocken konnten“, so Kromm.

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Laut dem Landratsamt Mittelsachsen werden mit der Neufassung der Richtlinie unter anderem einheitliche Fördersätze und Konkretisierungen zur Ausreichung der Aufwendungen für Verwaltungs- und Sachkosten festgeschrieben“, so Sprecherin Peggy Hähnel. An der Förderung seien außerdem die Träger der freien Jugendhilfe mit einem Eigenanteil und je nach Fördergegenstand die mittelsächsischen Städte und Gemeinden beteiligt.

„Das Wesentliche ist, dass man der Jugendarbeit mehr Zeit und Raum lässt, um die Kontaktarbeit leisten zu können.“ Denn es habe eine große Bedeutung, wenn selbst ein Jugendlicher sich an eine Fachkraft wendet, egal ob mit einem Problem oder etwas Schönem. Kromm schätzt, dass es teilweise drei bis fünf Jahre dauere, bis die Jugendlichen die Sozialarbeiter nicht als Störenfried, sondern als Ansprechpartner sehen.