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Wie sicher ist eigentlich ein Job im Gefängnis?

Antworten auf diese und viele weitere Fragen erhalten Jugendliche in Hartha beim Berufsinformationstag. Sie wird als effektivste Messe der Region gesehen. Warum das so ist.

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Xenia Wagler interessiert sich für die Arbeit als Justizvollzugsangestellte, nicht Rechtspflege oder Büro, sondern wirklich im Vollzug und lässt sich von OIivia Lenz-Demmler erklären, dass man keine Angst haben muss und auch nicht haben sollte.
Xenia Wagler interessiert sich für die Arbeit als Justizvollzugsangestellte, nicht Rechtspflege oder Büro, sondern wirklich im Vollzug und lässt sich von OIivia Lenz-Demmler erklären, dass man keine Angst haben muss und auch nicht haben sollte. © SZ/DIetmar Thomas

Von Claudia Erbert

Hartha/Waldheim/Leisnig. Laut Statistik brechen mehr als 25 Prozent aller Auszubildenden ihre Lehre ab, die meisten davon schon in der Probezeit. Das liegt vor allem daran, dass die meisten keine Vorstellung vom angestrebten Beruf haben und dann merken, dass die Idee doch weit weg von der Realität ist. Seit Jahren gibt es in der Region ein Rezept dagegen: frühzeitiger und direkter Kontakt mit den Firmen.

Die Oberschulen Hartha, Waldheim und Leisnig laden Firmen der Region ein, ihre Ausbildungsberufe vorzustellen und die potenziellen neuen Mitarbeiter kennenzulernen. „Wer sich beschwert, dass es keinen Nachwuchs gibt, aber selbst nicht ausbildet, macht etwas verkehrt“, meint Dirk Melchior, Zahntechnikermeister vom Dentalstudio Hartha. „Von alleine kommt keiner mehr, wir müssen uns als Unternehmen präsentieren und eben ausbilden. Jedes Jahr schaffen wir es, zwei bei drei Azubis einzustellen.“ Die meisten kommen über ein Praktikum zum Beruf.

„Nur, wenn man ausprobiert hat, was alles dazugehört, weiß man, ob das was für einen ist“, so Melchior. Oft sind die Jugendlichen begeistert, wie spannend der Beruf ist – CNC-Programmierung gepaart mit präziser Handwerkskunst, jeder Auftrag individuell für einen Menschen, ob Zahnersatz oder Zahnspange. „Das ist ja viel komplexer, als ich dachte“, meint Sebastian, der sich genau erklären lässt, wie Zähne in den Wachsabdruck gesetzt werden. Und mancher sagt hinterher, das ist nichts für mich, ich hab mir was anderes vorgestellt. „Das ist nach zwei Wochen Praktikum viel besser als nach Beginn der Lehre.“

Kurt Filla lässt sich von Dirk Vosgerau zeigen, wie schwer das Pressgerät ist, das mit bis zu 40 Tonnen Kraft Stahl zusammendrückt. "Wer bisher nur einen Bleistift gehalten hat, kann hier mal zeigen, was er kann", lacht der Chef, bevor Vater Marco Filla h
Kurt Filla lässt sich von Dirk Vosgerau zeigen, wie schwer das Pressgerät ist, das mit bis zu 40 Tonnen Kraft Stahl zusammendrückt. "Wer bisher nur einen Bleistift gehalten hat, kann hier mal zeigen, was er kann", lacht der Chef, bevor Vater Marco Filla h © SZ/DIetmar Thomas

Den gleichen Ansatz hat Tobias Wagner von Wagner+Schmid Automobile. „Wenn wir die Jugendlichen einmal begeistern konnten, mal wirklich ein paar Schrauben aus einem Motorblock drehen, in die Werkstatt reinschnuppern – dann klappt es fast immer“, so der Geschäftsführer. „Für mich ist die Veranstaltung hier in Hartha die effektivste Messe. Wir haben die letzten drei Jahre jeweils einen Azubi gefunden, den wir hier für ein Praktikum begeistern konnten.“

Ausbildung oder Studium?

Egal ob Industriemechaniker mit Spezialisierung Hochleitungsbau, Rechtspflegerin, Bestatter, Sondermaschinenbauer, Optiker oder Automobilkauffrau – mehr als 400 Ausbildungsberufe gibt es offiziell, 77 Firmen aus der Region haben ihren Anteil daran mehreren hundert Schülern vorgestellt. „Es ist schade, dass das Gymnasium so nah ist und sich nicht beteiligt – zu glauben, dass die Berufswahl für einen Gymnasiasten nicht wichtig ist, ärgert mich sogar persönlich“, so Peter Luger, der als ehemaliger Lehrer mit seiner Enkelin da ist.

„Meine Erfahrung zeigt, dass die Statistik recht hat: Bei den Lehrberufen sind seit Jahren Kfz und Einzelhandel ganz vorn auf der Wunschliste, obwohl es so viel mehr gibt und bei den Studiengängen ist zwar jetzt Medizin auf Platz 1, aber die Zugänge ja nur für wenige zu schaffen, dann kommt immer noch BWL, Maschinenbau, Elektrotechnik, weil die meisten kaum wissen, was es alles Spannendes gibt. Und schade finde ich, dass Unternehmen lieber einen Dreier-Abiturienten für die Lehrstelle nehmen, als einen guten Realschüler, nur weil sie bei dem 18-jährigen mehr Freiheit bei der Arbeitszeit haben und die meist mobiler sind“, redet sich der Opa fast in Rage.

Jeremy Buksch lernt im zweiten Ausbildungsjahr den Beruf des Industriemechanikers. Da geht es auch schon mal hoch hinaus.
Jeremy Buksch lernt im zweiten Ausbildungsjahr den Beruf des Industriemechanikers. Da geht es auch schon mal hoch hinaus. © SZ/DIetmar Thomas

Dass die Abiturienten das Niveau an den Berufsschulen verändern, haben auch schon andere Betriebe festgestellt und organisieren immer öfter Nachhilfe im eigenen Haus, damit die Azubis mitkommen. Auch als Justizvollzugsbeamter ist das Eintrittsalter 18 Jahre, Olivia Lenz-Demmler, die die Berufe der JVA vorstellt, hofft, dass Oberschüler die Zeit bis dahin mit einem freiwilligen Jahr überbrücken und dann starten. Pro Jahr gibt es zwei Starttermine, September und Januar. Xenia Wagler lässt sich von OIivia Lenz-Demmler erklären, dass man keine Angst haben muss und auch nicht haben sollte, wenn man im Justizvollzug arbeitet.

Welche Firmen kommen gut an?

Insgesamt sind sowohl Firmen, als auch Lehrer und Schüler wieder sehr zufrieden mit der Veranstaltung. Marlen Junghanns, die Praxisberaterin der Pestalozzi-Oberschule Hartha sammelt mit Kollegen die Bögen ein, auf denen die Schüler den Besuch dokumentieren, zwei Stunden Anwesenheit sind Pflicht. „Zum einen wollen wir wissen, welche Firmen und Berufe besonders gut ankommen, aber es gibt auch eine persönliche Auswertung: Der Bogen kommt in den Berufswahlpass und wir besprechen mit jedem Schüler, warum er sich genau diese Firmen ausgesucht hat und in welche Richtung es gehen soll.“