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Doppeljubiläum für Ostritzer Apotheker

Johann Eisler eröffnete die Apotheke vor 200 Jahren, aber auch der heutige Inhaber hat Grund zum Feiern.

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© Matthias Weber

Von Jan Lange

Bei Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie ihren Apotheker: Die Ostritzer können dies seit mittlerweile 200 Jahren in der Stadt-Apotheke tun. Ein stolzes Jubiläum. Und dennoch gehört die Ostritzer Apotheke längst nicht zu den ältesten in der Region, wie der heutige Inhaber Tilo Böhmer erklärt. Es sei sogar relativ spät gewesen, dass Ostritz eine Apotheke bekam. Städte wie Zittau, Löbau, Görlitz und Bautzen hatten bereits mehrere Hundert Jahre zuvor Läden, in denen Arzneimittel erhältlich waren.

Dass Ostritz erst im 19. Jahrhundert eine Apotheke bekam, hängt vor allem mit dem Kloster zusammen. „Die Klöster pflegten traditionell selber die Heilkunde“, so Böhmer. In der Bibliothek des Klosters St.Marienthal finden sich etliche Bücher zur Heilkunde, Pharmakologie und vor allem zu Arzneipflanzen. Bernstadt erhielt laut Böhmers Recherchen als erster Klosterort im Jahr 1760 eine eigene Apotheke. Das sei wahrscheinlich der großen räumlichen Entfernung zur Abtei St. Marienstern in Panschwitz-Kuckau geschuldet gewesen.

Dass schließlich 1816 auch in Ostritz eine Apotheke eröffnet wurde, ist der Teilung Sachsens ein Jahr zuvor zu verdanken. Der erste Ostritzer Apotheker, Johann Eisler, hatte zuvor in Seidenberg (heute: Zawidow) eine betrieben. Durch die Teilung wurde die Stadt preußisch und Eisler Ausländer. So richtete er sich an die damalige Äbtissin des Klosters St. Marienthal, Laurentia Knothe, mit der Bitte, eine Apotheke eröffnen zu dürfen. Die Klosteroberin befürworte dies, da aus ihrer Sicht eine Apotheke dringend notwendig war.

Auch für die Ostritzer war dies von Vorteil. Denn viele hatten ihre Medikamente bis dato in Görlitz geholt, das nun ebenfalls zu Preußen gehörte. Nun konnten sie direkt vor Ort ihre Arznei besorgen und mussten nicht ins weit entfernte Zittau fahren. Von diesen Argumenten ließ sich auch der Oberamtshauptmann zu Bautzen, Ernst Karl Gotthelf von Kiesewetter, überzeugen und genehmigte die Apotheke.

Die erste Apotheke befand sich noch an der Nordseite des Marktes, im Haus Nummer 21. In diesem Gebäude war Jahrzehnte später der Edeka-Markt untergebracht. 1842 kaufte Eisler das Haus in der Badergasse – der heutigen Von-Schmitt-Straße –, in dem sich noch heute die Apotheke befindet. Er verlegte sie dorthin, um sie kurz danach zu verkaufen.

Auf Eisler folgten bis heute elf Apotheker und Inhaber. Tilo Böhmer, der die Stadtapotheke 1991 übernahm, kann jetzt nicht nur auf das 200-jährige Bestehen zurückblicken, sondern begeht selbst sein 25-jähriges Apothekerjubiläum in Ostritz. Den gebürtigen Dittelsdorfer hatte es nach seinem Pharmaziestudium in Berlin eher zufällig nach Ostritz verschlagen. Als er im Pfarramt nach geschichtlichen Informationen forschte, fragte ihn der damalige Pfarrer Joachim Göckeritz, ob er nicht Apotheker in Ostritz werden wolle, da man hier gerade einen suchte. Eigentlich hatte Böhmer noch nicht vor, zurückzukommen. Er sammelte seinerzeit erste berufspraktische Erfahrungen in Westberlin. Doch er erkannte auch die unerwartete Chance, in die Heimat zurückzukehren. Und nutzte sie. Am 31. Dezember 1991, also zum letztmöglichen Termin, kaufte er die Stadt-Apotheke von der Treuhandanstalt.

Er habe sich schon als Jugendlicher für Naturwissenschaften begeistert, erzählt der 52-Jährige. Eigentlich wollte er Chemie studieren. Doch sein Professor habe ihn empfohlen, lieber Pharmazie zu wählen. Dort habe er bessere berufliche Entwicklungsmöglichkeiten und genauso mit Naturwissenschaften zu tun.

Böhmer hofft, dass er nicht der letzte Apotheker in der langen Geschichte der Stadt-Apotheke sein wird. Zwar drängt das Thema Nachfolge noch nicht. Böhmer ist erst 52 Jahre, will auf jeden Fall bis zur Rente die Apotheke noch weiterführen. Ob sich danach allerdings jemand findet, der sie übernimmt, darüber macht er sich schon jetzt Gedanken. Innerhalb der Familie gebe es keinen Nachfolger. Aber dieses Problem hatten auch die Apotheker vor ihm. Apothekerdynastien wie in anderen Orten gab es in Ostritz nicht. Die neuen Inhaber kamen meist von außerhalb – so wie auch Tilo Böhmer seinerzeit.

Ob sich aber in gut 15 Jahren wieder ein Auswärtiger findet, der die Apotheke übernimmt, ist die große Frage. Denn die Entwicklung der Stadt Ostritz ist auch an der Stadt-Apotheke nicht spurlos vorbeigegangen. Als Tilo Böhmer sie übernommen hatte, wohnten in der Neißestadt 4 000 Menschen, heute sind es gerade mal noch 2 400. Er könne sich zwar nicht beklagen, sagt Böhmer, wirtschaftlich laufe die Apotheke gut. Doch jeder Einwohner, den Ostritz verliert, ist auch ein Kunde weniger bei ihm. Neben der Stammkundschaft aus Ostritz holen sich auch viele Patienten aus Hagenwerder, Schlegel, Kiesdorf, Dittersbach und Bernstadt ihre Medikamente bei Tilo Böhmer.

Anlässlich der beiden Jubiläen hat Tilo Böhmer, der sich sehr intensiv in seiner Freizeit mit Heimatgeschichte beschäftigt, die Festschrift „200 Jahre Stadt-Apotheke Ostritz“ herausgebracht, die bei ihm erhältlich ist. Darüber hinaus bietet er einen Jubiläums-Tee an sowie ausgewählte Kosmetik- und Körperpflegeprodukte zum günstigeren Preis.