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Dorfplatz mitten in der Stadt

Die Pläne für den Schlachthof werden konkreter. Ab Januar will die Waldorfschule als Erstes einen Schulgarten anlegen.

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© Pawel Sosnowski/80studio.net

Von Ingo Kramer

Görlitz. Stillstand gibt es nicht bei Hans-Friedrich Bültmann. „Die jungen Leute haben inzwischen das Bürgerhaus am neuen Dorfplatz aufgeräumt sowie Bäume und Sträucher gefällt“, sagt der Geschäftsführer des Instituts für Kommunal- und Umweltplanung (IKU). Das ist optimistisch formuliert. Andere Menschen würden sagen, dass Bauschutt und Müll aus einer leerstehenden Ruine auf dem alten Schlachthofgelände an der Cottbuser Straße geräumt wurde. Sozialplaner und Projektentwickler Bültmann aber ist längst einen Schritt weiter: In seinem Kopf ist die Ruine schon ein vielfältig genutztes Bürgerhaus und der Platz davor der Mittelpunkt eines Dorfes für 300 Bewohner – mitten in Görlitz.

In der Tat sind die Pläne für den Schlachthof deutlich gereift, seit Bültmann und sein Team von 20 bis 30 jungen Görlitzern damit im September erstmals an die Öffentlichkeit getreten sind. Ein Quartier zum Wohnen, Arbeiten und Einkaufen planen sie auf der Industriebrache, einen Mix aus Wohnungen, Büros, Werkstätten, Tante-Emma-Laden, Restaurant, Festsaal, Gesundheitszentrum – und sogar einen landwirtschaftlichen Betrieb, der Laden und Restaurant beliefert. Eine fünf Meter hohe Schallschutzwand soll das Areal von der lauten Christoph-Lüders-Straße abgrenzen. Solarthermie für Wärme, ein Brunnen und ein Regenwasserrückhalt für Wasser sorgen. Der bisher einzige Nutzer des Schlachthof-Geländes, der Club Nostromo, bleibt in Bültmanns Plänen langfristig an seinem jetzigen Ort bestehen.

„Mittlerweile war der OB mit Teilen der Verwaltung Mitte Dezember in unserem Büro“, sagt Bültmann stolz. Alle seien von den Plänen sehr angetan gewesen. Im neuen Jahr soll es nun monatliche Verwaltungsrunden geben. Und, ebenfalls wichtig: Der erste konkrete Nutzer steht fest: Die Waldorfschule. Deren Werklehrer Gregor Hommel will bereits im Januar mit seinen Schülern beginnen, im Hinterhof des Gebäudes Rauschwalder Straße 73 einen Schulgarten anzulegen. Die Schule selbst zieht im Sommer aus Zodel in die weiter entfernte Konsulstraße 23, doch dort gibt es kein großes Außengelände. Dafür ist der Schlachthof eine gute Alternative.

Allerdings wird der Schulgarten die großen Pläne nicht finanzieren können. Das weiß auch Bültmann. Doch er bleibt zuversichtlich. Zum einen habe die Stadt im Dezember 8,1 Millionen Euro Fördermittel für den Brautwiesenbogen erhalten. „Da liegen wir mittendrin“, sagt Bültmann – und hofft auf ein Stück vom Kuchen. Zum anderen gebe es auch Gespräche mit einigen Interessenten, die sich vorstellen können, auf dem Gelände zu investieren.

Darauf vertraut auch Franz-Josef Gausepohl, Geschäftsführer der Landeskrone Fleisch GmbH, der der 40 000 Quadratmeter große Schlachthof gehört. Die Fläche entspricht fast sechs Fußballfeldern. „Ich will weiteren Leerstand vermeiden und versuche, die beste Möglichkeit für das Gelände zu finden“, sagt Gausepohl, der in Osnabrück sitzt. Seit 2013 habe er eine sechsstellige Summe ausgegeben. Nutzer zu finden, die Flächen kaufen, ist sein langfristiges Ziel: Er will kleinteilig verkaufen und so seine jetzigen Kosten wieder reinholen. Dass er damit nicht reich wird, ist ihm bewusst. „Wir wollen etwas anstoßen, was sich am Ende selbst trägt und nachhaltig positiv für die Stadt ist“, sagt er.

Am Größten ist das Interesse nach Aussage von Bültmann derzeit für das Areal zwischen Rauschwalder- und Hilgerstraße. Am Dorfplatz sollen nicht nur Bürgerhaus und Schulgarten stehen, sondern auch ein Gesundheitshaus für Naturmedizin, ein Ärztehaus als Polyklinik und, ganz neu im Plan, ein Badehaus für Anwendungen. Für das Haus Rauschwalder Straße 73, das mittlerweile aufgeräumt ist und weiter gesichert wird, gebe es sogar mehrere Interessenten: Dienstleister können sich hier ihre Büros vorstellen, eine private Bauherrengemeinschaft denkt über Loftwohnungen nach und Künstler über Ateliers. „Unterschrieben ist aber noch nichts“, sagt der Projektentwickler, der am Leipziger Platz ein Büro eröffnet und den Görlitzer Thomas Müller zum Büroleiter gemacht hat.

Ausgezeichnet sei auch die Zusammenarbeit mit dem städtischen Großvermieter Kommwohnen, dem das Eckgrundstück Rauschwalder-/Hilgerstraße gehört. Dort plant Bültmann Starterhäuser in Massivholzbauweise und Landwirtschaft. Kommwohnen würde die Flächen dafür in Erbpacht zur Verfügung stellen, sagt er. Starterhäuser lassen sich sehr schnell und auch sehr klein bauen, und später, wenn zum Beispiel eine Familie wächst, modular erweitern bis hin zum Mehrgenerationenwohnen mit vier Wohnungen pro Haus.

Parallel arbeitet Bültmanns Team mit dem Görlitzer Büro Noack + Noack Ingenieure am Thema Baugenehmigungen. „Unsere Bauvoranfrage ist mittlerweile komplett bestätigt“, sagt Bültmann. Im Februar oder März sollen die ersten Bauanträge eingereicht werden. Und dann bleibt das Tempo hoch. Er wünscht sich, dass bereits dieses Jahr die ersten Menschen einziehen können. „Das sehe ich tatsächlich als realistisch an“, so Bültmann.

www.iku-ug.de