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Drama am Behinderten-WC

Ein Besuch auf der Messe wurde für eine Rentnerin und ihre Mutter zur Qual. Die Toiletten für Behinderte waren zu.

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Von Franziska Schneider

Erika Lippert ist mit ihren 93 Jahren noch eine lebenslustige Frau. Auch wenn sie nur noch selten rauskommt, ist die Dresdnerin interessiert an ihrer Umwelt. „Sie ist ein großer Orchideen-Fan, weshalb wir mit ihr einen Ausflug zur Ostermesse in Dresden geplant haben. Auch, damit sie mal auf andere Gedanken kommt“, sagt ihre Tochter Christine Haase, die in Dippoldiswalde lebt.

Erika Lippert ist seit 40 Jahren auf den Rollstuhl angewiesen, hat ein steifes und ein künstliches Hüftgelenk. Ausflüge mit dem Auto sind ein Abenteuer. „Die Messe war richtig gut. Wir sind mit ihr gleich in die Orchideen-Ausstellung gegangen, das hat ihr große Freude bereitet“, erzählt Christine Haase. Doch dann begann das Drama: Erika Lippert musste auf Toilette. Zwar waren die Behinderten-WCs gut ausgeschildert, doch die Türen waren alle verschlossen. „Auf einem Schild stand, dass man einen sogenannten Euro-Schlüssel dafür braucht. Davon hatte ich noch nicht gehört. Alternativ waren zwei Telefonnummern angegeben, doch da erreichten wir niemanden“, schildert Frau Haase.

Mit ihrer Mutter im Rollstuhl eilt sie durch zwei Hallen, auf der Suche nach einem passenden Schlüssel, fragt sich durch. Nach ein paar Minuten kommt ihnen ein Wachmann zu Hilfe, der schließlich den Schlüssel organisiert. „Dafür musste er einmal quer durch die Halle laufen, das hat noch einmal zehn Minuten gedauert. Meine Mutter hatte Schmerzen, wusste sich beinahe nicht zu helfen.“ Der Messebesuch sei danach gelaufen gewesen.

Beatrice Schreckenbach von der Messe Dresden bedauert den Vorfall, spricht aber von einem Einzelfall. Allerdings hätte Frau Haase mit ihrer Mutter „deutlich früher kommen müssen“, sagt sie. „Behinderte haben alle so einen Euro-Schlüssel, müssen ihn eigentlich bei sich tragen“, behauptet die Messe-Sprecherin. Zudem seien zwei Ersatz-Schlüssel bei der Security hinterlegt. „Das ist am Infotresen bekannt“, sagt sie. Dass unter den Telefonnummern, die an den Toilettentüren standen, niemand erreichbar sei, könne vorkommen. „Wenn wir so eine große Messe haben, sind die Nummern auch mal besetzt.“ Frau Haase hätte sich gedulden müssen. Sylvia Müller ist Behindertenbeauftragte von Dresden. Sie widerspricht der Messe-Sprecherin. „Das Euro-Schlüsselsystem ist seit der Wende bundesweit verbreitet, vor allem an Raststätten und öffentlichen WCs. Doch eine Pflicht zum Mitführen des Schlüssels gibt es nicht“, sagt sie.

Das System diene dazu, Behinderten-Toiletten durch wenig Betrieb möglichst hygienisch rein zu halten, damit dort etwa auch mal ein Katheter gewechselt werden kann. Betroffene können die Schlüssel an der Tourist-Information und beim Körperbehindertenverband kaufen.

„Meine Mutter ist seit über 40 Jahren gehbehindert. Trotzdem haben wir so etwas noch nie erlebt“, sagt Christine Haase. „Wenn die Messe mehr Gäste möchte, muss sie auch etwas für ihre Besucher tun“, findet sie.

Behindertenbeauftragte Sylvia Müller will nun das Gespräch mit der Messe suchen. „Das Euro-Schließsystem ist praktisch. Aber es muss auch unterlegt sein“, sagt sie. An den Toiletten sollte etwa vermerkt sein, wo der Ersatzschlüssel zu holen sei. „So ein Schlüssel kostet 18 Euro, da muss man nicht knausern.“