Von Tobias Winzer
Es ist Berufsverkehr und keiner macht mit. Kurz nach 18 Uhr verschwindet gestern die hektische Betriebsamkeit auf Dresdens Straßen und sonntägliche Lässigkeit macht sich breit. Auch in den Geschäften an der Prager Straße ist es ruhiger als sonst. Dresden ist nicht mehr unterwegs. Dresden guckt Deutschland. Zum Beispiel in der Torwirtschaft am Dynamo-Stadion.
Dresden schaut das Deutschland-Spiel
Public Viewing im Fährgarten Dresden
Dort versammeln sich am Abend 300 Fans vor vier Flachbild-Fernsehern und einer großen Leinwand. Unter ihnen auch Steffi Exner und Michael Kade. Die beiden Auszubildenden sind leidenschaftliche Anhänger der DFB-Elf und halten sich an den schwarz-rot-goldenen Dresscode in dem Biergarten: Deutschland-Trikot, Deutschland-Schal, Deutschland-Mütze, Deutschland-Kette und Deutschland-Schminke im Gesicht. „Wenn Brasilien nicht so weit weg wäre, wären wir auf jeden Fall live dabei gewesen“, sagt Michael Kade. Um wenigstens ein bisschen Stadion-Atmosphäre zu erleben, wollen die beiden alle deutschen Spiele im Public-Viewing schauen. „Da ist man mittendrin“, so Kade. Für den Verlauf der Weltmeisterschaft ist der 25-Jährige verhalten optimistisch. Im Halbfinale sei aber leider Schluss, glaubt er. „Wenn Brasilien kommt, dann wird es schwer.“
Die deutsche Mannschaft im fernen Brasilien tut derweil alles, um ihn lügen zu strafen. Nach dem 2:0 durch Mats Hummels wird die Stimmung unter den Fans deutlich entspannter. Die zwei folgenden Chancen von Portugal werden locker mit einem Lachen weggesteckt.
Spätestens nach der Roten Karte für den Portugiesen Pepe und dem 3:0 durch Thomas Müller vor dem Halbzeitpfiff wird aus dem Mitfiebern ein Mitfeiern. Und so manchem Fan schwant, dass bei dieser Weltmeisterschaft doch mehr möglich sein könnte als das Halbfinale. Steffi Exner hat da ihre ganz eigene Theorie: „Die Frau Merkel hat den Jungs bisher nicht die Hand gegeben. Und immer, wenn sie das gemacht hat, hat es ja nicht geklappt mit dem Titel“, sagt die 23-Jährige. „Insofern könnte das doch ein gutes Omen sein.“