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Wandern statt Online-Dating: Wo sich Singles in Sachsen im Grünen kennenlernen

Wanderführer Thomas Eißer sorgt dafür, dass sich Singles auf Touren in und um Dresden in ungezwungener Atmosphäre näher kommen. In einer Altersgruppe passiert das sogar recht häufig.

Von Sylvia Miskowiec
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Gemeinsam statt einsam: Singles auf Tour.
Gemeinsam statt einsam: Singles auf Tour. © privat

Verlegenes Lächeln hier, kurze Begrüßung da, scheue Blicke in die Runde. Eine Viertelstunde vor Beginn der Wanderung sind die meisten da. Zehn Frauen und neun Männer zwischen 45 und 60 Jahren werden an diesem schönen Sommersonntag gemeinsam mit Wanderführer Thomas Eißer durch das Moritzburger Teichgebiet laufen.

Bis auf zwei befreundete Teilnehmerinnen kennt sich heute niemand. Doch das werde sich schnell ändern, sagt Sylke Ippen. Sie muss es wissen, denn sie organisiert Wanderungen wie diese schon seit vier Jahren. „Date im Grünen“ nennt sich das Ganze.

Die Idee dahinter: Singles lernen sich persönlich auf Touren in und um Dresden kennen, statt sich im Internet auf Partnerbörsen hin- und herzuschreiben oder verkrampft auf einer Singleparty herumzusitzen. „Bei uns ist die Natur die Partnerbörse“, sagt Sylke Ippen lachend. „Wir planen lediglich die Tour, vermittelt wird bei uns niemand.“

Wanderungen für verschiedene Altersgruppen

Wer auf der Suche ist, kann sich auf der Webseite zwar keinen potenziellen Partner, dafür aber die passende Altersgruppe bei den acht bis elf Kilometer langen Rundwanderungen aussuchen. Die Touren sind sowohl für Jüngere ab 30 Jahren, als auch für Ältere konzipiert, manche sind für alle Altersklassen offen. „Wir haben einen Stammgast, der kommt extra aus Leipzig und ist schon weit über die 70“, sagt Sylke Ippen. „Er sucht offenbar gar nicht so ernsthaft eine Partnerin, die Gesellschaft gefällt ihm einfach.“

Ein Date im Grünen kostet meist 19 Euro. Mindestens sechs Leute müssen für eine Tour zusammenkommen, maximal 20 ziehen dann mit dem Wanderführer oder der -führerin los. Sylke Ippen achtet bei der Anmeldung darauf, dass etwa gleich viele Männer wie Frauen mitwandern. Und darauf, dass die Strecken auf möglichst breiten Wegen verlaufen – damit sich alle gut miteinander unterhalten können.

Die Basis für die gute Unterhaltung wird beim Date im Grünen noch am Parkplatz gelegt. Alle bekommen ihren Vornamen auf Klebeband gut lesbar ans T-Shirt geheftet und stellen sich vor. Die Tour war bei den Frauen schnell ausgebucht, so Sylke Ippen. Wahrscheinlich, weil nicht nur gewandert, sondern auch geguckt wird: nach Schwänen. Wanderführer Thomas ist nämlich ehrenamtlicher Schwan-Beringer. Der 57-Jährige kann viel über das edle Federvieh erzählen – und weiß, wie man die großen Vögel aus dem Wasser lockt. Das ziehe bei Frauen offenbar ein bisschen, sagt er mit einem Augenzwinkern.

Welcher Schwan schwimmt denn hier? Thomas Eißer erklärt es seiner Wandergruppe.
Welcher Schwan schwimmt denn hier? Thomas Eißer erklärt es seiner Wandergruppe. © Sylke Ippen

Mit etwas Glück werden die Schwäne den Wandernden ein bisschen näher kommen. Ob das auch bei den Singles passiert, sei jedes Mal eine spannende Sache, sagt die Organisatorin. „Es haben sich schon einige bei uns gefunden. Deswegen hatten wir letztens eine Wanderung mit zehn Paaren, die sich bei uns kennengelernt haben.“ Wahrscheinlich seien es noch mehr Pärchen, doch diesbezügliche Rückmeldung kämen eher selten. Sylke Ippen gehört übrigens selbst zu jenen, die ihr privates Glück im Grünen gefunden haben. „Vor zwei Jahren war ein netter Mann in meiner Wandergruppe dabei“, sagt sie schmunzelnd.

Glück in der Lebensmitte

Ähnliche Erfolgsgeschichten kann auch Günther Kuhr erzählen. Er leitet seit vielen Jahren das Internetportal „Freizeit Dresden“. Das Konzept ähnelt dem vom Date im Grünen, denn auch hier treffen sich vor allem Singles zu Ausflügen auf dem Rad und zu Fuß. Eine Tour kostet zehn Euro, die Dreierkarte 25 Euro. „Es hat schon öfter gefunkt bei uns“, sagt Günther Kuhr. „Manche kommen dann als Paar einfach weiterhin mit, wir sind ja offen für alle. Und zweimal war ich sogar schon Trauzeuge.“ Die meisten Teilnehmer bei „Freizeit Dresden“ sind zwischen Mitte 50 und Mitte 60. Beim Date im Grünen sieht der Altersdurchschnitt ähnlich aus – auch der all jener, die als Paar zusammengekommen sind. „Viele sind in diesem Alter offenbar entspannter, nicht so getrieben wie vielleicht Jüngere es sind“, versucht Sylke Ippen die Erfolgsquote der Älteren zu erklären.

Auch die Moritzburger Wanderer gehören an jenem Sonntag zu den Entspannten. Gebagger und platte Anmachen? Fehlanzeige. Darauf haben die Wanderführer ohnehin ein wachsames Auge, schließlich sollen sich alle wohlfühlen. Alkohol unterwegs ist auch tabu. „Ich will einfach mal wieder raus, was Schönes machen, aber eben nicht alleine“, sagt Rosi. Rosi heißt eigentlich anders, genauso wie alle anderen Singles, die ihren Namen lieber nicht in der Zeitung lesen wollen. Online-Dating ist nicht ihr Ding, Kneipentreffen Dresdner Singlegruppen waren enttäuschend. Dann lächelt Rosi verschwörerisch und blickt zu zwei Mitwanderern hinüber: „Aber heute kann ich mir schon vorstellen, die ein oder andere Telefonnummer zu tauschen.“ Wie viele der Teilnehmer ist Rosi Mitte 50, geschieden, lebt allein, die beiden Kinder arbeiten in anderen Städten. Zwei Mitwanderer haben ihre Anmeldung sogar den Kindern zu verdanken, weil die den Papa unter Leute bringen wollten.

Kennenlernen mit Hilfe

Sollten solche und ähnliche Gemeinsamkeiten noch nicht als Gesprächsstoff gereicht haben, hilft Wanderführer Thomas mit einem kleinen Kennlernspiel an einer Waldlichtung nach. „Wer ist hier eher der Naturbursche, wer mehr der kulturell Interessierte und wer eine Sportskanone“, will er wissen. Es wird aufmerksam zugehört, als Hannes erzählt, wie er Filmprogramme für ein kleines Kino plant. Oder wenn Martin sagt, er bereite sich auf den Marathon vor, während Viola sich auf eine vierjährige Auszeit freut. Auch als wenig später Ingrid beim Picknick am Schlossteich sitzt und aus ihren 13 Jahren als Trucker-Fahrerin quer durch Europa berichtet, ist ihr Aufmerksamkeit gewiss. Die Schwäne machen sich indes rar, weil ein Hund von anderen Wanderern am Ufer entlangläuft und die Tiere verscheucht.

Gegen 15 Uhr erreicht das Date im Grünen wieder den Parkplatz. Schnell heim will keiner. Alle nehmen im Biergarten gegenüber Platz, kramen im Rucksack nach Zettel, Visitenkarte und Stift. Noch bevor die Getränke kommen, werden Nummern getauscht. Manchmal auch zwischen Frauen, die sich einfach sympathisch waren, sagt Sylke Ippen. Aus diesem Grund hat die Date-Chefin in diesem Jahr sogar eine Ausnahme im Programm gemacht. Am Herrentag war eine rein weibliche Gruppe unterwegs.