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Die 152: Wie der erste deutsche Passagier-Jet zum Erstflug abhob

In Dresden ist Luftfahrtgeschichte geschrieben worden. In den Flugzeugwerken in Klotzsche entstand das erste deutsche Düsenflugzeug. Vor 65 Jahren startete es zum ersten Flug.

Von Ralf Hübner
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Die Endmontage des Prototyps 152/I V1 im Jahr 1958 in Klotzsche.
Die Endmontage des Prototyps 152/I V1 im Jahr 1958 in Klotzsche. © Archivfoto

Die Elbe-Flugzeugwerke gehören zu den großen Betrieben in Sachsen. Das Unternehmen hat in der Branche einen guten Ruf. Unlängst erst ist das größte Passagierflugzeug der Welt, ein Airbus A380, in Dresden gelandet, um hier gewartet zu werden. 1955 gilt als das Geburtsjahr des Unternehmens, das auf dem Gelände der ehemaligen Luftkriegsschule in Klotzsche als VEB Flugzeugwerke Dresden aus der Taufe gehoben wurde. Nur drei Jahre später startete am 4. Dezember 1958 die "152", das erste deutsche Passagier-Düsenflugzeug, zu seinem Jungfernflug.

Die Begeisterung war groß: Vor den Hallen standen Arbeiter, an den Fenstern der Fabrikgebäude drängten sich die Angestellten, berichtet Holger Lorenz in seinem Buch "Der Passagier-Jet 152". Sie wollten den Start der 152 sehen, deren silbern glänzender Rumpf am Ende der 2.500 Meter langen Rollbahn in der Sonne glitzerte. Betriebsleitung, Techniker und Ingenieure standen unter hohem Zeitdruck, denn das Projekt lag im Zeitplan deutlich zurück. Der Erstflug war eigentlich schon im Herbst 1956 vorgesehen. Für Anfang Dezember hatte der Wetterdienst einige schöne Tage vorhergesagt. Sollte das Flugzeug noch 1958 fliegen, dann musste es jetzt sein.

Flugzeug startet um 11.18 Uhr das erste Mal

Dem Start waren umfangreiche Roll- und Bremsversuche vorausgegangen. Die Techniker sollen die ganze Nacht gearbeitet haben, um den Flieger für den Start fit zu machen. Noch einmal rollte das Flugzeug über die Piste. Dann wurde die 152 betankt. Mithilfe eines Batteriewagens wurden die Triebwerke angelassen. Die Turbinen heulten auf. 11.18 Uhr hob die 152 in den strahlend blauen Himmel ab. Sie sollte nur eine erweiterte Platzrunde über wenig bewohntem Gebiet drehen und wieder landen. Nach 20 Minuten tauchte sie wieder über dem Flughafen auf. In 500 Meter Höhe drehte Flugkapitän Willi Lehmann noch eine zusätzliche Runde. Der erfolgreiche Flug machte den Flugzeugwerkern Mut.

Die 152 war das späte Erbe der Junkers Flugzeug- und Motorenwerke AG, wo in den 1930er-Jahren unter anderem die legendäre Ju 52 produziert wurde, das erste dreimotorige Ganzmetallflugzeug der Welt. Nach dem Krieg wurden die Junkers-Ingenieure wie viele deutsche Spezialisten in die Sowjetunion gebracht. Sie hatten während des Krieges an dem ersten strahlgetriebenen Bomber der Welt gearbeitet, der Ju 287.

Produktionshallenbau in Klotzsche begann 1955

Der Ursprung der späteren 152 war das Entwicklungsflugzeug EF 150, ebenfalls ein Bomber, das unter Leitung des Flugzeugkonstrukteurs Brunolf Baade entwickelt wurde. Baade handelte vor seiner Rückkehr mit den Sowjets und SED-Chef Walter Ulbricht einen Deal zum Aufbau einer Luftfahrtindustrie in der DDR aus. Demnach sollte die DDR zivile Flugzeuge hauptsächlich für die Sowjetunion bauen, die sich vor allem auf militärische Flugzeuge konzentrieren wollte. Die 152 sollte der Einstieg sein.

Ursprünglich war Dessau als Standort für das Flugzeugwerk vorgesehen, die ehemaligen Junkers-Werke. Doch wegen der Nähe zum Westen rückte Dresden in den Fokus. Allerdings gab es hier weder Fachleute noch Produktionsanlagen. Die Fachleute mussten aus Rostock, Berlin und Leipzig, wo es vor dem Krieg Flugzeugunternehmen gab, zum Umzug nach Dresden bewegt werden.

Am Flugplatz Klotzsche entstand das größte Investitionsvorhaben jener Jahre. 1955 wurde mit dem Bau der Produktionshallen begonnen. Die Halle 22, die im Frühjahr 1957 fertig wurde, war mit einer Fläche von 150 mal 170 Metern die damals größte freitragende Halle Europas. Die fast baugleiche ehemalige Halle 219 ist jetzt eines der schönsten Flughafengebäude Deutschlands.

Die 152 stürzt am 4. März 1959 ab

Erschwerend kam hinzu, dass die Experten bei ihrer Rückkehr aus der Sowjetunion alle Konstruktionsunterlagen zurücklassen und von vorn beginnen mussten. Schwierigkeiten im Ablauf und Materialmängel führten zu Verzögerungen. In einem Schreiben an Walter Ulbricht meldete Baade im April 1958 den ersten Prototyp der 152 als "hallenklar". Bei dem Rollout wurde das Flugzeug am Nachmittag des 30. April mit einem Traktor vor die Werkhalle gezogen. Walter Ulbricht konnte im Inneren Platz nehmen und war zufrieden. Im Oktober wurde das Flugzeug fertig.

Der Jungfernflug der 152 war wohl der Höhepunkt des DDR-Flugzeugbaus. Am 4. März 1959 stürzte der Flieger bei einem weiteren Testflug ab. Die Besatzung kam ums Leben. Im August 1960 wurden mit einem weiteren fertiggestellten Flugzeug die Testflüge wieder aufgenommen. Doch dann streikten die Testpiloten Gerhard Güttel und Heinz Lehmann und drängten darauf, dass vor weiteren Flügen zunächst die Kraftstoffanlage des Flugzeugs untersucht wird. Bei Enttankungsversuchen wurden tatsächlich Fehler an der Anlage sichtbar. Das Erprobungsprogramm stockte. Eine mögliche Serienproduktion rückte in weite Ferne. Zudem hatte die Sowjetunion mittlerweile das Interesse an dem DDR-Flugzeug verloren. 1961 wurden die Arbeiten an der 152 schließlich eingestellt.