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"Und wenn du nicht zahlen tust..."

Ein 42-Jähriger droht seiner Ex allerhand Böses an - wegen 45 Euro. Der Mann soll auch mehrfach in einem Übergangswohnheim gezündelt haben.

Von Alexander Schneider
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Rußgeschwärzte Wände zeugen von dem letzten Brand in einem Pirnaer Obdachlosenwohnheim am 8. Dezember vergangenen Jahres. Ein 42-jähriger Bewohner steht seit Juli wegen schwerer Brandstiftung vor dem Landgericht Dresden.
Rußgeschwärzte Wände zeugen von dem letzten Brand in einem Pirnaer Obdachlosenwohnheim am 8. Dezember vergangenen Jahres. Ein 42-jähriger Bewohner steht seit Juli wegen schwerer Brandstiftung vor dem Landgericht Dresden. © Daniel Förster

Dresden. Es kann keinen Zweifel geben, dass die Männerstimme, die in einem Saal des Landgerichts Dresden aus einem Laptop-Lautsprecher tönt, die des Angeklagten ist. Das zeigen schon die Reaktionen des Mannes auf die insgesamt sechs Sprachnachrichten, die der Vorsitzende Richter Birger Magnussen abspielt.

Christian H., ein 42-jähriger Deutscher aus Halle, hatte die verräterischen Nachrichten auf seinem Handy gespeichert, das bei einer Wohnungsdurchsuchung sichergestellt wurde. Damals war zunächst nur wegen einer Brandserie in einem Pirnaer Übergangswohnheim gegen H. ermittelt worden, doch mit dem „Zufallsfund“ auf seinem Handy änderte sich das. Nun kam auch noch versuchte räuberische Erpressung dazu.

H. hatte einer Frau, mutmaßlich seine Ex-Freundin in Sachsen-Anhalt, verschiedenste Verbrechen angedroht, weil er von ihr angeblich noch 45 Euro zu bekommen hatte. Und so schimpft H. in seinen Nachrichten los. „Okay Schatz, jetzt reicht’s, jetzt brennt die Luft!“

Er wisse ja, dass er sich ihr nicht weniger als 100 Meter nähern dürfe, doch dafür habe er seine Leute. Sie werde die nicht erkennen, aber sie kämen in einem dunklen BMW mit wechselnden Nummernschildern. Die Männer seien vermummt und trügen Sonnenbrillen. Mal sprach H. von „Leuten von der Eisenbahnstraße (…), wo Waffenverbot herrscht“, damit hatte er offenbar Leipzig gemeint. Mal sprach er auch von Dynamo-Leuten, Hooligans, oder seinem Cousin.

"Ich würde jämmerlich aufpassen"

Die Frau müsse damit rechnen, in den nächsten Tagen überfallen zu werden, in ihrer Wohnung oder „wenn du mit dem Hund rausgehst“. Vielleicht zapfe er auch einfach den Sprit aus ihrem Auto, so H. Weiter drohte er der Frau, dass er und seine Kumpels sie nach Polen oder Tschechien verschleppten: „An deiner Stelle würde ich jämmerlich aufpassen.“

Sprachnachrichten, wie sie in Messenger-Diensten wie etwa WhatsApp aufgenommen und erst dann verschickt werden, haben die Eigenschaft, dass ihre Urheber nicht unterbrochen werden oder das Gegenüber das Telefonat nicht einfach abbricht.

An dieser fehlenden Rückkopplung wird es neben der Einfalt des Angeklagten gelegen haben, dass er redet und redet, um seine Drohung deutlich zu machen. Er steigert sich dabei regelrecht in blutrünstige Fantasien darüber hinein, was er mit der Frau und ihrem Hund anzustellen gedenkt.

Flachbild und Schermaschine

Richter Magnussen spielt jede Sprachnachricht, die Oberstaatsanwalt Silvio Helmert bereits zum Prozessauftakt im Juli in seiner Anklageschrift verlesen hatte, einzeln ab. Manche sind einige Minuten lang, einige etwas kürzer, stets hat H. damit Probleme, ein Ende zu finden.

Aber immer geht es um die 45 Euro, um schwere Jungs, die im Auftrag des Angeklagten – er sei als rechtsradikaler Hooligan mit Knasterfahrung bekannt – das Geld eintreiben würden. Oder er komme selbst, um Benzin aus dem Auto abzuzapfen oder die Wohnungstür mit einem Baseballschläger einzutreten, ihren „Flachbild“ zu holen und die Schermaschine. Es sei ihm auch ganz egal, 20 Jahre Haft für das zu bekommen, was er mit der Frau anstellt.

Christian H. ist ein großer, breiter Kerl mit kahl geschorenem Schädel. Er trägt ein gelbes Fan-Shirt von Dynamo Dresden. Im vergangenen Jahr war der einschlägig vorbestrafte und hafterfahrene Wohnungslose in das Pirnaer Heim für sozial benachteiligte Menschen in der Glashüttenstraße gezogen, in dem damals knapp 30 Menschen gelebt hatten.

Dann hat es dort zwischen dem 26. November und dem 8. Dezember mehrfach gebrannt. Am 30. November wurden dort nachts mehrere Bewohner verletzt. Sie hatten giftige Rauchgase eingeatmet. Das ist er erste Brand, der dem Angeklagten vorgeworfen wird, und zwei weitere am 6. und 8. Dezember. H. geriet wohl aufgrund seiner Vorgeschichte in den Verdacht und wurde noch am 8. Dezember verhaftet. Seitdem hat es in der Einrichtung nicht mehr gebrannt.

"Dann noch einen schönen zweiten Advent"

Die Beweisaufnahme im Fall der Brände ist kompliziert. H. bestreitet die Vorwürfe. Mehrere Zeugen, Bewohner des Heims, habe ausgesagt, manche wurden von der Polizei gebracht, weil sie aufgrund ihres Gesundheitszustands, besser wohl wegen ihrer Alkoholkrankheit, alleine den Weg nach Dresden für eine Aussage vor Gericht nicht geschafft hätten.

Im Fall der "versuchten räuberischen Erpressung" sieht die Beweislage wohl besser aus. Die Sprachnachristen liegen vor, ihre Authentizität dürfte klar sein. Die Frau wird von Christian H. manchmal mit ihrem Namen angesprochen, er nennt sie auch mal „Schatz“ oder verächtlich „Madame“ oder „Fräulein“. Im Hintergrund ist Schlagermusik zu hören. Hits von Helene Fischer oder „Die immer lacht“ von Kerstin Ott erinnern eher an einen gemütlichen Sonntagmorgen und passen so gar nicht zu den wüsten Beleidigungen, der aggressiven Stimme H.s und den sich immer wiederholenden Gewaltfantasien des 42-Jährigen: „Wenn du arbeiten bist, räumen wir deine Bude aus.“ Der Hund werde aus dem Fenster geworfen und totgetreten.

Er werde die Frau beim Jugendamt melden, weil sie mit der Erziehung der Kinder überfordert sei, schimpft der Angeklagte. Auch der „Ex-Freund“ der Geschädigten, wen auch immer H. damit gemeint hat, könne „sich einsargen lassen“. Und er endet: „Dann wünsch‘ ich dir noch einen schönen zweiten Advent!“

Und so droht und droht er weiter. In der letzten der sechs Sprachnachrichten stellt H. der Frau erneut ein Ultimatum: „Und wenn du das Geld innerhalb einer Woche nicht zahlen tust, (…) ansonsten schaff ich dich um die Ecke. Warte ab.“

Der Prozess wird fortgesetzt. 

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