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Erste Einsprüche gegen Corona-Bußgelder vor Gericht

Am Dresdner Amtsgericht gab es nun die ersten Prozesse, weil Betroffene die Virusepidemie nicht ernst genommen haben.

Von Alexander Schneider
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Die ersten Einsprüche gegen Corona-Bußgelder vom Frühjahr wurden nun am Amtsgericht Dresden verhandelt. Ein Ehepaar kam mit einem blauen Auge davon.
Die ersten Einsprüche gegen Corona-Bußgelder vom Frühjahr wurden nun am Amtsgericht Dresden verhandelt. Ein Ehepaar kam mit einem blauen Auge davon. © dpa

Dresden. Während in Dresden die Diskussion über eine zweite coronabedingte Ausgangssperre an Fahrt gewinnt, sind die ersten Bußgeldverfahren aus dem ersten Lockdown vom März/April am Amtsgericht der Stadt angekommen. 

Am Mittwoch verhandelte Richter Jochen Meißner gegen ein Ehepaar aus Gorbitz und einen Mann aus der Friedrichstadt. Sie alle hatten sich nicht an die Regeln gehalten, ihre Bußgelder aber nicht akzeptiert.

Der 60-Jährige aus der Berliner Straße war am Sonntag, 5. April, einkaufen. Im Lidl-Markt am Hauptbahnhof hatte er Lebensmittel und Bier gekauft – und saß dann an der Käseglocke am Postplatz mit einem Kumpel zusammen beim Bier. Dort wurden sie von der Polizei kontrolliert und erhielten eine Anzeige.

Nur ein Alkoholfreies?

"Das war doch nur ein Alkoholfreies", erklärte der Betroffene. Er habe zufällig einen Nachbarn getroffen und mit ihm ein Bierchen trinken wollen. 

"Das waren doch nur zwei, drei Minuten." Er sei erschrocken gewesen, weil der Polizist ihm ein Bußgeld von 250 Euro in Aussicht gestellt habe.

Doch auch das Bußgeld in Höhe von "nur" 55 Euro, das er schließlich im Mai von der Stadtverwaltung erhalten habe, wolle er nicht einfach so akzeptieren. Er könne sich nicht vorstellen, einen Fehler gemacht zu haben.

"Biertrinken ist kein triftiger Grund", zitierte Richter Meißner die Coronaverordnung: "Das ist ernst gemeint und keine Schikane!" 

Hätten es die Männer bei ihrem Einkauf belassen, wäre nichts passiert. Doch der Richter machte dem Betroffenen klar, dass er wenig Aussichten hat, noch günstiger davonzukommen. Daher zog der Mann seinen Einspruch zurück – mit einem Lächeln.

Bierchen mit Kumpels auf der Babyrunde

Deutlich weniger gelassen als der 60-Jährige trat das Ehepaar aus Gorbitz auf. Die beiden berichteten, jeder in seinem eigenen Verfahren, sie hätten am Abend des 30. März, wie damals praktisch jeden Tag, ihre erst wenige Monate alte Tochter ausgefahren. 

Das Baby habe mit Drei-Monats-Koliken zu kämpfen gehabt und stundenlang geschrien, ehe es einschlief. Daher hätten sie sich immer gegen 21 Uhr auf eine Runde durchs Stadtviertel begeben.

Natürlich hätten sie ein Päuschen gemacht. "Man kann ja nicht alles auf ein Mal laufen", sagte der 38-jährige Familienvater. 

Ein Päuschen am Amalie-Dietrich-Platz, beziehungsweise gleich nebenan, wo das Alkoholverbot nicht mehr gelte, hätten sie eingelegt, um ein Bier zu trinken und zu rauchen. "Wir rauchen zu Hause nicht." Da hätten sich andere dazugesellt und hätten herumgelärmt.

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Es muss dort schon sehr laut zugegangen sein. Eine Nachbarin alarmierte die Polizei. Die 81-Jährige dachte dabei jedoch nicht den Verstoß gegen die Ausgangssperre, ihr habe das Wohl des schreienden Babys am Herzen gelegen, wie sie dem Richter erklärte. Die Mutter mit dem Baby sei ihr wiederholt aufgefallen, so die Zeugin.

Natürlich kam die Polizei, stellte das Paar und auch sechs bis neun andere junge Leute. Offenbar erhielten alle ein Corona-Bußgeld, weil sie in der Öffentlichkeit nichts verloren hatten. Manche auch einen Platzverweis.

Die 26-jährige Mutter und ihr Mann wurden von der Bußgeldstelle mit jeweils 150 Euro bestraft. Sie waren in jener Nacht auf ihrer Runde durch Gorbitz gleich zweimal aufgefallen. 

Allerdings hätte das Gericht die Verhandlung fortsetzen müssen, weil weitere Zeugen gebraucht wurden, um beide Verstöße auch nachweisen zu können.

Wiederholter Corona-Ärger

Das sei angesichts der weiteren Umstände jedoch zu aufwändig. Richter Meißner stellte daher beide Bußgeldverfahren ein und begründete seine Entscheidung jeweils unterschiedlich.

Für den Mann wäre es der erste Verstoß gewesen. Die Frau dagegen hat im Juli und im September zwei weitere Bußgelder erhalten, weil sie keine Maske getragen hatte. Das war für das Gericht wohl Strafe genug.

Die Verwaltung war schon vor dem ersten Bußgeld recht milde mit dem offensichtlich renitenten Paar umgegangen. Als Pächter einer Gartenparzelle in einer Spartenanlage am Emrich-Ambos-Ufer hatten sie Ende März sechs Gäste eingeladen und gemeinsam gefeiert. 

Auch da gab es Ärger bei einer Kontrolle. Das Paar habe nach Angaben der Verwaltungsbehörde als einzige der Gruppe kein Bußgeld erhalten - weil sie die Pächter der Parzelle gewesen seien.

Richter Meißner erklärte sowohl der Mutter als auch dem Vater, dass auch das nächtliche Lüften des Babys kein triftiger Grund sei. Wenn das Baby nicht aufhöre zu schreien, "hätten sie den Notarzt alarmieren können", sagte er. 

Das verstanden die Eltern nicht. "Ich habe vier Kinder", sagte die Mutter, sie wisse, was bei solchen Koliken zu tun sei. 

Der Vater sagte: "Wenn wir das Kind hätten zu Hause schreien lassen, hätte die Polizei vor unserer Tür gestanden." Damit hatte er wohl recht.

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