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Grünes-Gewölbe-Prozess: Zweifel an Geständnissen

Abdul Majed Remmo soll wegen seiner "Tollpatschigkeit" nicht für große Diebstähle geeignet sein. Doch jetzt kommt raus: Das Clan-Mitglied hat es wohl faustdick hinter den Ohren. Neue Tatvorwürfe gegen ihn rücken die Angaben seiner Mittäter in ein neues Licht.

Von Alexander Schneider
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Abdul Majed Remmo ist einer von sechs Angeklagten, denen der Diebstahl der Diamanten aus dem Grünen Gewölbe Dresden im November 2019 vorgeworfen wird.
Abdul Majed Remmo ist einer von sechs Angeklagten, denen der Diebstahl der Diamanten aus dem Grünen Gewölbe Dresden im November 2019 vorgeworfen wird. © Matthias Rietschel; Polizei

Dresden/Berlin. Der 4. August 2020 ist ein schöner Sommertag. Die Sonne strahlt, am Bundesplatz in Berlin-Wilmersdorf zwitschern die Vögel. Doch plötzlich kurvt ein VW-Pritschenwagen in einen nahen Hinterhof, der Fahrer versucht, mit dem Auto, das Fenster einer Bankfiliale aufzurammen. Doch er und seine Freunde werden gestört. Schüsse fallen. Ein Wachmann bricht zusammen. Der VW brennt. Die Täter flüchten über eine Gartenanlage zur nahen Stadtautobahn, wo sie in ein dunkles Fluchtfahrzeug stiegen. Später wird der Audi gefunden, die Täter hatten auch ihn in Brand gesteckt. Zum Glück, so ein Ermittler, hätten die Wachmänner schusssichere Westen getragen, sonst hätte es bei dem Überfall auch Tote geben können.

An einem falschen Kennzeichen der Tatfahrzeuge wurden Spuren gefunden, die auf Abdul Majed Remmo hinweisen. Der 24-jährige Berliner sitzt schon seit Mai 2021 in Untersuchungshaft – er ist einer von sechs Angeklagten, die sich bereits seit Januar 2022 für den Einbruch ins Grüne Gewölbe, den Diebstahl von 21 Diamanten- und Juwelen-Garnituren von unschätzbarem Wert, verantworten müssen. Im Dezember gaben sie einen Großteil der Beute heraus und stimmten einem Deal zu: Geständnisse gegen milde Strafen.

Abdul Majed Remmo hatte sich nicht an dieser Verständigung beteiligt, weil er die Tat so nicht gestehen könne. Er sei nicht in Dresden gewesen, habe lediglich Tatmittel wie die Äxte besorgt. Mitangeklagte bestätigten das und sagten, sie hätten Abdul Majed bewusst nicht mitgenommen, er sei „ein Tollpatsch“, psychisch instabil, würde möglicherweise dem Druck nicht standhalten, behaupteten sie. Abdul Majeds Verteidiger rechnen daher damit, ihr Mandant könnte nur noch wegen Beihilfe verurteilt werden.

Viele Parallelen zur Tat in Dresden

Doch die Staatsanwaltschaft könnte das anders sehen, zumal nach den neuen Vorwürfen aus Berlin gegen den 24-Jährigen. Erst vor einem Monat hat die Berliner Staatsanwaltschaft den jungen Remmo vor dem Landgericht Berlin angeklagt. Sie wirft ihm unter anderem versuchten Raub in besonders schwerem Fall und gefährliche Körperverletzung vor, so Gerichtssprecherin Lisa Jani. Das könnte darauf hinweisen, dass auch Abdul Majed Schüsse abgefeuert haben soll. Dazu machte Jani jedoch keine näheren Angaben. Die Staatsanwaltschaft Berlin teilte lediglich mit, man habe das Verfahren gegen einen weiteren Verdächtigen eingestellt, weil der erforderliche hinreichende Tatverdacht nicht bestätigt werden konnte.

Der Überfall-Versuch auf die Wilmersdorfer Volksbank-Filiale – gerade neun Monate nach dem Einbruch ins Grüne Gewölbe – weist einige auffällige Parallelen zu dem Dresdner Einbruch auf. Zunächst ist es ein spektakulärer Plan, am helllichten Tag mit einem Transporter das Fenster einer Bank auframmen zu wollen. Die Täter hatten auf der Pritsche einen Stahlträger montiert. Als sie gestört wurden, fielen Schüsse. Sie zündeten den Transporter und dann auch den Flucht-Audi an. Nicht zu vergessen, die Verwendung falscher Nummernschilder.

Bei ihrem Einbruch in Dresden hatten die Täter auch, mindestens, zwei Feuerwaffen dabei, eine Pistole und einen Revolver. Eine Schusswaffe fand sich in dem verkohlten Flucht-Audi, den die Täter in der Tiefgarage eines Dresdner Wohnkomplexes in Brand gesteckt hatten. Bis heute behaupten die Angeklagten, sie hätten nichts von der Schusswaffe im Handschuhfach gewusst, räumten jedoch ein, sie hätten geplant, das Auto anzuzünden, um Spuren zu zerstören. Dass es dann in der Tiefgarage passierte, hätten sie so allerdings nicht gewollt.

Abdul Majed Remmo hatte Täterwissen

Auch der zweite Fluchtwagen – ein als Taxi getarnter E-Klasse-Mercedes mit falschem Dresdner Kennzeichen – wurde später in Brand gesteckt. Dennoch gelang es den Ermittlern der Sonderkommission Epaulette, DNA von Abdul Majed in dem Mercedes sicherzustellen. Auch eine weitere DNA-Mischspur, deren Beweiskraft jedoch nicht eindeutig ist. Diese Spur stammt von der Sandsteinmauer am Grünen Gewölbe. Es gibt also Anlass für Zweifel an Abdul Majed Remmos Beihilfe-Behauptung – und seiner behaupteten Tollpatschigkeit.

Dass der 24-Jährige mit dem bewaffneten Banküberfall vom August 2020 zu tun haben könnte, ist für die Dresdner Ermittler nicht neu. Ein Mitgefangener Abdul Majeds hatte sich an die Beamten gewandt und Details berichtet. Im September 2022 berichtete der Vernehmer des Mitgefangenen im Prozess von dem sogenannten Täterwissen, das sich der Mitgefangene nicht ausgedacht haben und wofür es nur einen Urheber geben könne: den Täter.

Wenn es nach den Geständnissen der vier Angeklagten geht, waren sechs Täter an dem Einbruch beteiligt, neben ihnen also zwei weitere unbekannte Komplizen. Zwei Mitangeklagte, Abdul Majed und Ahmed Remmo, seien angeblich nicht in Dresden gewesen.

Das Landgericht Dresden hofft, die Hauptverhandlung noch vor Ostern abschließen zu können. An diesem Freitag muss sich Wissam Remmo weiter den Fragen des Gerichts und der Staatsanwaltschaft stellen. Auch der 26-Jährige hatte seine Beteiligung gestanden und behauptet, er habe sich von dem Einbruch in das Dresdner Museum "Geld für Kokain" versprochen.

Die Berliner Justiz hat wegen des bewaffneten Banküberfalls inzwischen einen neuen Haftbefehl gegen Abdul Majed Remmo erlassen. Egal wie der Dresdner Prozess für ihn endet, er bleibt im Gefängnis.