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Wie der Diamanten-Bluff ums Grüne Gewölbe ablief

Ein Niederländer hat vorgegeben, er könne Schmuck aus dem Grünen Gewölbe besorgen. Die Kunstsammlungen glaubten ihm. Nun steht der 54-Jährige vor dem Landgericht Dresden.

Von Alexander Schneider
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Am Landgericht Dresden ist ein Niederländer angeklagt, der aus dem Grünen Gewölbe gestohlenen Schmuck zum Rückkauf angeboten hatte. Wie konnte das Museum auf den Betrüger hereinfallen?
Am Landgericht Dresden ist ein Niederländer angeklagt, der aus dem Grünen Gewölbe gestohlenen Schmuck zum Rückkauf angeboten hatte. Wie konnte das Museum auf den Betrüger hereinfallen? © dpa

Der Niederländer Marcus N. könnte der bislang einzige bekannte Gauner sein, dem es gelungen ist, den Schmuckdiebstahl im Grünen Gewölbe Dresden tatsächlich in einen ansehnlichen Gewinn verwandelt zu haben.

Am 27. Dezember 2021 tauchte er in der belgischen Diamanten-Hauptstadt Antwerpen mit 40.000 Euro unter und hinterließ eine dreiköpfige Delegation der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden (SKD), angeführt von Generaldirektorin Marion Ackermann, sowie zwei sächsischen Zivilbeamten und den bekannten Kunstdetektiv Arthur Brand aus Amsterdam verdutzt zurück. Marcus N. hatte sie alle hinters Licht geführt, indem er vorgab, mit dem Geld den Bruststern des Polnischen Weißen Adlerordens „von Tschetschenen“ zurückzukaufen.

Seit einer Woche steht der 54-Jährige wegen Betruges vor dem Landgericht Dresden und hat die Tat gestanden. Er ist Schausteller, war zuletzt obdachlos, und sagte, seine Eltern hätten ein Schmuckgeschäft gehabt. Am Dienstag sind die Zeugen geladen. Es ist ein Tag mit Überraschungen, denn der Betrug steht in Sachen Cleverness dem Einbruch in Sachsens Schatzkammer in nichts nach.

In nur einer Woche alle getäuscht

In nur einer Woche hatte Marcus N. sie alle getäuscht. Seine Geschichte klang glaubwürdig, sagt etwa der renommierte Kunstdetektiv Arthur Brand. N. habe sich an ihn gewandt, als Antwerpener Diamanten-Händler ausgegeben und behauptet, ihm sei der Bruststern zum Kauf angeboten worden, nachdem sich der Schmuck als ungeeignet zum Umschleifen erwiesen habe.

N. startete seinen Bluff Ende 2021 mit einer E-Mail an Brand - einen Monat vor Beginn des Prozesses gegen sechs Angeklagte des Remmo-Clans, denen der Einbruch ins Grüne Gewölbe vorgeworfen wurde. Im Herbst 2020 hatte die Polizei die ersten Verdächtigen der Remmo-Großfamilie verhaftet. Zu jener Zeit war auch über angebliche Revierkämpfe der organisierten Kriminalität zwischen den arabisch-stämmigen Remmos und tschetschenisch-stämmigen Gruppen in Medien berichtet worden. Dass N. von "Tschetschenen" sprach, passte da offensichtlich ins Bild und verstärkte seine Glaubwürdigkeit.

Marion Ackermann, die Generaldirektorin der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden, hat am Dienstag als Zeugin ausgesagt.
Marion Ackermann, die Generaldirektorin der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden, hat am Dienstag als Zeugin ausgesagt. © dpa

Brand sagt, er habe häufig mit Betrügern zu tun, die würden aber nie ihre Namen nennen, forderten jedoch meist mehrere Millionen Euro und eine Bezahlung in Kryptowährung. N., der vermeintliche Diamanten-Händler, habe von 40.000 Euro gesprochen, aber keine Belohnung gefordert.

"Anfüttern" mit weiteren Beute-Stücken

Dafür stellte er in Aussicht, eventuell auch weitere Dresdner Beutestücke beschaffen zu können. N. habe eine eigene Wohnung gehabt, in der die Übergabe des Geldes stattfinden sollte. Er sei sofort identifizierbar, sagt Brand. Wenn er gewusst hätte, dass N. ein vorbestrafter Betrüger ist, hätte das auch nichts geändert, denn in der Szene seien so gut wie alle kriminell, er habe Kunst nicht nur von Betrügern, auch von Mördern und Rechtsextremen zurückgeführt. Natürlich, so Brand, bleibe immer ein Restrisiko, das sei jedoch sehr klein gewesen. Ihm war klar: Wenn N. ein Betrüger ist, dann wird er schnell gefasst und vier, fünf Jahre einfahren.

N. habe jedoch von einem kurzen Zeitfenster gesprochen und dass er Angst habe, sich um sein Leben fürchte, wenn die Tschetschenen mitbekämen, dass Polizei im Spiel ist. Brand wandte sich am 20. Dezember auf der Suche nach einem Dresdner Kontakt an die Dresdner Polizei. Die brachten Brand mit dem Berliner Rechtsanwalt Robert Unger zusammen, der treuhänderisch Privatspenden in Höhe von einer Million Euro ausgelobt hatte für Hinweise, die zu den Einbrechern führen.

Auftritt im "Camping-Smoking"

Unger, der in Österreich im Skiurlaub war, stellte nach anfänglichen Zweifeln die Verbindung zu SKD-Generaldirektorin Marion Ackermann her. Ihre Mitarbeiter seien die Einzigen, die die Echtheit des Schmucks bestätigen könnten. Einer der drei Privatspender, ein Versicherungsmakler, habe zugesagt, er nehme das Risiko auf sich, sollte das Geschäft schiefgehen.

Am 23. Dezember gab es ein Treffen in Ackermanns Büro mit einem Oberstaatsanwalt und Polizeibeamten, um die Übergabe zu besprechen. Es gab offenbar nicht mehr als Fotos in E-Mail-Anhängen von N. und seine Angaben zur Größe des Bruststerns, den er angeblich gesehen habe. Am zweiten Weihnachtsfeiertag fuhr Ackermann mit ihrem Kaufmännischen Direktor und einem Restaurator im Zug nach Antwerpen. Sie trafen noch am Abend den Kunstdetektiv Arthur Brand. Der sollte am nächsten Morgen das Geld N. in dessen Wohnung übergeben.

Doch N. selbst habe sich plötzlich mit der SKD-Delegation treffen wollen, berichtet der Detektiv. Wieder ein überraschender Zug des Betrügers. Mit Brand sei er durchs Viertel zum NH-Hotel gelaufen, sei von Nachbarn und Leuten auf der Straße gegrüßt worden. Das alles habe Brand noch mehr überzeugt, dass N. kein Betrüger ist. Sein Äußeres, Turnschuhe und Jogginganzug – Brand nennt es „Camping-Smoking“ – und eine Pudelmütze, daran habe er sich nicht gestört, N. habe ihm gesagt, dass er sehr krank sei.

Im Gespräch in der Hotellobby war auch Ackermann hoffnungsvoll. N. habe mit Kunstsachverstand überzeugt, sagte sie vor Gericht: „Er war perfekt vorbereitet.“ Es habe eine „merkwürdige Diskrepanz“ zwischen seinem Äußeren und dem „erstaunlichen Wissen“ über Sachsens Geschichte und die Dresdner Diamanten gegeben. Ihnen sei jedoch auch klar gewesen, „dass es auch Betrug sein könnte, war uns allen bewusst“.

Der Prozess wird am kommenden Dienstag fortgesetzt.