SZ + Feuilleton
Merken

Zurückgekehrte Juwelen: Warum das Grüne Gewölbe das Diebesgut noch nicht ausstellt

Seit dem Einbruch ins Grüne Gewölbe ist die ausgeraubte Museumsvitrine leer. Warum lässt die Ausstellung der zurückgekehrten Stücke auf sich warten?

Von Birgit Grimm
 4 Min.
Teilen
Folgen
NEU!
Die Brustschleife der Königin Amalie Auguste wird noch vermisst. Wird sie eines Tages irgendwo in dunklen Kanälen zum Kauf angeboten werden?
Die Brustschleife der Königin Amalie Auguste wird noch vermisst. Wird sie eines Tages irgendwo in dunklen Kanälen zum Kauf angeboten werden? © SKD

Das Trauma des Einbruchs ins Historische Grüne Gewölbe im November 2019 wirkt noch lange nach, länger, als Museumsbesucher und Museumsmitarbeiterinnen sich das hätten vorstellen können. Als im Dezember das „Weihnachtswunder“ verkündet wurde, dass einige der geraubten Kunststücke gefunden worden waren, glaubte auch die Generaldirektorin der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden (SKD), Marion Ackermann, dass das Grüne Gewölbe schon bald die Stücke präsentieren und die SKD gemeinsam mit Kunstfreunden und Museumsbesucherinnen ein Fest feiern könnten.

Doch von Präsentation und Fest sind die SKD noch immer weit entfernt. Wenn am Dienstag die Einbrecher verurteilt werden, ist noch lange nicht klar, wer den Schaden bezahlt. Ein weiterer Prozess muss geführt werden. Es geht um Schadenersatzforderungen der SKD in Höhe von 89 Millionen Euro. „Es ist noch ein weiteres Gutachten über den Zustand der Stücke notwendig“, erklärt Marion Ackermann die Situation. „Vorher dürfen wir weder die Objekte präsentieren, noch können wir mit deren Restaurierung beginnen.“

Eigentlich hatten die SKD vor, die zurückgekehrte Juwelengarnituren zunächst im angeschlagenen Zustand auszustellen und dann Stück für Stück zu restaurieren, bis das Kleinod des Polnischen Weißen Adler-Ordens, die Epaulette aus der Diamantrosengarnitur und die anderen Schätze wieder im alten Glanz erstrahlen. Die Stücke weisen laut Aussage einer Restauratorin in der Hauptverhandlung mechanische Beschädigungen auf, auch ist Feuchtigkeit eingedrungen.

Alle Stücke sollen wiederhergestellt werden können – freilich bis auf die, die immer noch verschwunden sind. Marion Ackermann war sehr früh sehr optimistisch, dass diese Stücke irgendwann zurückkommen, weil die Juwelen aufgrund ihrer internationalen Bekanntheit und der historischen Schliffe nicht verkäuflich sind: „Bei anderen Stücken wie der Epaulette mit dem Sächsischen Weißen, wie dem Brillantcollier und der Brustschleife der Königin Amalie Auguste schätzen wir die Lage anders ein, und genau diese Stücke fehlen noch.“ Die SKD haben die Verluste in die Lost-Art-Website eingetragen. „Außerdem machen wir international immer wieder darauf aufmerksam, halten das Bewusstsein dafür wach, falls sie doch noch auf einer Messe oder irgendwo in der Welt zum Verkauf angeboten werden.“

Höchste Aufmerksamkeit im Alltag

Kunstdiebstähle wird es immer wieder geben – aus Leidenschaft für die Kunst oder auch vor dem Hintergrund absoluter Kulturlosigkeit. Das Gefühl der Unverwundbarkeit ist in den Museen seit dem November 2019 großer Vorsicht gewichen. Die Staatlichen Kunstsammlungen haben inzwischen vieles verändert. „Der Freistaat hat eine enorme Leistung vollbracht, baulich, in der technischen Ausstattung und personell“, sagt Marion Ackermann.

Die SKD haben inzwischen eine eigene Sicherheitsabteilung eingerichtet. Außerdem arbeitet seit dem Einbruch ein Kriminalbeamter für die Museen. „Dieses Prinzip hat sich bewährt, dass man die Innensicht der Museen und die Sicht von außen hat. Das ist ein großer Zugewinn“, sagt Marion Ackermann.

Verbessert wurde solcherart Zusammenarbeit, wurde auch der Austausch über Fragen der Sicherheit in den Museen sowohl in Sachsen als auch auf nationaler und internationaler Ebene.

Die schwere Erschütterung, die der Einbruch in den SKD auslöste, habe auch dazu geführt, dass Sicherheitskultur zu einem Schwerpunkt auf allen Ebenen wurde. „An dieser gesteigerten Aufmerksamkeit im Alltag haben wir stark gearbeitet“, sagt Frau Ackermann.

Das Collier der Königin Amalie Auguste haben die Diebe bei ihrem Raubzug zerrissen, nur ein Teil ist noch in Dresden vorhanden.
Das Collier der Königin Amalie Auguste haben die Diebe bei ihrem Raubzug zerrissen, nur ein Teil ist noch in Dresden vorhanden. © Grünes Gewölbe, Staatliche Kun

Training für den Katastrophenfall

Außerdem trainieren nicht nur die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der SKD, sondern diverser Dresdner Kultureinrichtungen im Notfallverbund seit der Flutkatastrophe 2002 regelmäßig das Verhalten bei Havarien. Jede und jeder wisse inzwischen im Schlaf, in welcher Reihenfolge die Kunstwerke im Notfall evakuiert werden müssen, sagt die Generaldirektorin. Zusätzlich würden die Museumsleute nun auch auf Krisensituationen krimineller und terroristischer Art vorbereitet.

„Im Historischen Grünen Gewölbe haben wir sofort nach dem Einbruch die Zahl der Aufsichten erhöht, obwohl der Tagesbetrieb ja relativ sicher war.“ Aber wie sich bald zeigte, gibt es nicht nur nachts, sondern auch während der regulären Öffnungszeiten brenzlige Situationen wie die fragwürdige Aktion der „Letzten Generation“, von denen sich zwei Vertreter in der Gemäldegalerie am Rahmen von Raffaels „Sixtinischer Madonna“ festklebten. Anschläge wie das Beschmutzen von Skulpturen mit Öl in Berlin oder der bewaffnete Überfall auf die Kunstmesse TEFAF in Maastricht, auf der auch SKD-Mitarbeiter regelmäßig zu Gast sind, erfordern Taschenkontrollen. Außerdem müssen Besucherinnen und Besucher Taschen, Jacken und Mäntel an der Garderobe abgeben.

„Das erhöhte Sicherheitsbedürfnis auf allen Ebenen ist finanziell nicht ohne“, sagt Frau Ackermann. „Aber wir dürfen in keine Schieflage zwischen Einnahmen und Ausgaben geraten.“ Eine Maßnahme ist mehr Aufsichtspersonal in den Ausstellungen, eine andere, Gemälde verglasen zu lassen. Auch wenn das erfahrungsgemäß den Sehgenuss mindert, werden die Museen darauf nicht mehr verzichten können.