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DDR-Offiziersausbildung in Dresden: Die Schule der Generäle

Dresden hat ein Militärmuseum und eine Militärgeschichte. Bis 1990 war die Militärakademie „Friedrich Engels“ der NVA in der Stadt stationiert. Vor 65 Jahren wurde sie gegründet.

Von Ralf Hübner
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Dresdens lange Militärgeschichte: Parade im Januar 1969 von Offiziersschülern der Militärakademie „Friedrich Engels“ zum 10. Jahrestag der Gründung der Akademie.
Dresdens lange Militärgeschichte: Parade im Januar 1969 von Offiziersschülern der Militärakademie „Friedrich Engels“ zum 10. Jahrestag der Gründung der Akademie. © Foto: SZ/Hans-Dieter Opitz

Dresden. Dresden ist nicht nur die Stadt des Barocks und der schönen Künste, sondern auch des Militärs. Die sächsischen Kurfürsten waren seit dem Mittelalter die Erzmarschälle des Heiligen Römischen Reiches und damit die Oberbefehlshaber der Reichstruppen.

Nicht von ungefähr zeigt das kurfürstliche Wappen deshalb im linken Teil die schwarz-silberne Reichsrennfahne mit zwei gekreuzten roten Schwertern. Die Albertstadt war einst die größte und modernste zusammenhängende Kasernenanlage Deutschlands. Seit 1926 befand sich dort auch die Infanterieschule der Reichswehr. Jetzt beherbergt sie die Offiziersschule des Heeres.

Die DDR übernahm die lokale Tradition: Vor 65 Jahren wurde am 5. Januar 1959 in Dresden schließlich die Militärakademie "Friedrich Engels", die höchste Bildungseinrichtung für Offiziere der Nationalen Volksarmee, gegründet. "Erste sozialistische Militärakademie Deutschlands eröffnet", kündete die Sächsische Zeitung von dem Ereignis in einer Unterüberschrift.In den Vormittagsstunden waren Offiziere zum Appell angetreten. Der damalige DDR-Verteidigungsminister und Generaloberst Willi Stoph nahm die Meldung entgegen. Sein Stellvertreter, Generalleutnant Heinz Hoffmann, verlas den Befehl zur Gründung der Militärakademie. Dann übergab der Minister die Truppenfahne. Während eines Festaktes hielt SED-Chef Walter Ulbricht vor den Offizieren und Ehrengästen eine Eröffnungsvorlesung. Ihr schloss sich ein Konzert der Dresdner Philharmonie unter der Leitung von Heinz Bongartz an.

Die Zeit des Kalten Krieges

Es war die Zeit des Kalten Krieges. Die Bundesrepublik war Mitglied der Nato, die DDR war in den Warschauer Pakt eingebunden. Schon zwei Jahre zuvor hatte in Bad Ems die Führungsakademie der Bundeswehr ihren Betrieb aufgenommen. An der Militärakademie, der höchsten militärischen Lehr- und Forschungseinrichtung der DDR, sollte die künftige NVA-Offizierselite fit gemacht werden. Truppenführer, Stabs- und Lehroffiziere sowie Ministeriumsmitarbeiter erhielten hier den letzten Schliff. Bis 1990 wurden dort etwa 6.300 Offizieren nach einem drei- bis vierjährigen Studium ihre Urkunden als Diplom-Militärwissenschaftler, Diplom-Gesellschaftswissenschaftler und Diplom-Ingenieur übergeben. Unter ihnen waren auch rund 160 Offiziere aus Vietnam, Polen, der Tschechoslowakei und der Sowjetunion. Mehr als 8.000 Offiziere und Generäle absolvierten Weiterbildungslehrgänge.

Vorläufer der Militärakademie war die 1949 gegründete "Volkspolizei-Hochschule" in Kochstedt in Sachsen-Anhalt, die 1952 nach Dresden verlegt worden war und dort zunächst zur "Hochschule der Kasernierten Volkspolizei" und nach Gründung der NVA 1956 zur "Hochschule für Offiziere" avancierte. Einer ihrer Chefs war der Oberst Wilhelm Adam, ein erfahrener Wehrmachtsoffizier. Er war der Adjutant von Generalfeldmarschall Friedrich Paulus gewesen, dem Oberbefehlshaber der bei Stalingrad untergegangenen 6. Armee. Adam wurde ein Jahr vor Gründung der Militärakademie in den Ruhestand verabschiedet.

Paulus selbst hatte sich nach der Rückkehr aus der Gefangenschaft in Dresden niedergelassen und hielt an der Akademie Vorlesungen zu persönlichen Erinnerungen und Erfahrungen. Erster Chef der Militärakademie wurde allerdings mit Heinrich Dollwetzel ein ehemaliger Spanienkämpfer.

Heimstatt der Militärakademie war das von 1935 bis 1938 errichtete ehemalige Luftgaukommando IV der deutschen Luftwaffe in der jetzigen August-Bebel-Straße. Die Pläne für den Komplex stammten von Wilhelm Kreis, dem Architekten des Hygiene-Museums. Er hatte das Luftgaukommando in die Gärten der früheren Königlichen Villa gebaut. Ein Forsthaus, das sich an jener Stelle befand, war Mitte des 19. Jahrhunderts in den Besitz von Kronprinz Albert gelangt, der es zur Königlichen Villa erweitern ließ. Vor allem während des Frühjahrs und im Herbst hielt sich die königliche Familie gern dort auf. Auf dem Areal hatten 1760 während der Belagerung der Stadt durch die Preußen im Siebenjährigen Krieg heftige Kämpfe getobt. Auch während der Kriege gegen Napoleon war dort in der Schlacht um Dresden 1813 gekämpft worden.

Erbaut wie schon das Hygiene-Museum

Die Militäranlage wurde von Kreis ebenso wie schon das Hygiene-Museum mitten in einen königlichen Garten hineingebaut, die Grundstücke waren nach der Revolution 1918 vom Freistaat Sachsen enteignet worden. Das langgestreckte, dreigeschossige Hauptgebäude aus Naturstein umschließt mit den beiden Torhäusern einen Ehrenhof. Der Mittelbau dient als Eingangshalle, die Seitenflügel sind kammartig angeordnet. Über den Fenstern der Hauptfassade befindet sich das Relief "Genius" des Bildhauers Karl Albiker – Ikarus flankiert von Vulkan und Kriegern.

Während des Zweiten Weltkriegs wurde die Villa beim Luftangriff auf Dresden schwer getroffen und zerstört. Auch das Luftgaukommando erhielt Treffer. Doch schon ab August 1945 wurde es detailgetreu wieder hergestellt und diente bis 1952 dem Sächsischen Landtag als Tagungsort. Dann zog die Hochschule der Kasernierten Volkspolizei ein. Mit dem Ende von DDR und NVA kam 1990 die Militärakademie. Mitarbeiter der Bundeswehrverwaltung sind die letzten Militärs in dem Komplex. Andere Gebäudeteile gehören jetzt zur Technischen Universität.