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Dresdner Polizist verliert die Beherrschung

Mit ausländer- und frauenfeindlichen Sätzen hat sich ein 44-jähriger Beamter aus Dresden bei einem Einsatz um ein Haar um Job und Zukunft gebracht.

Von Alexander Schneider
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Bei einem Einsatz in einem Hochhaus am Amalie-Dietrich-Platz in Dresden hat ein Polizist die Nerven verloren. Nun stand er vor dem Amtsgericht Dresden.
Bei einem Einsatz in einem Hochhaus am Amalie-Dietrich-Platz in Dresden hat ein Polizist die Nerven verloren. Nun stand er vor dem Amtsgericht Dresden. © Archiv/Sven Ellger

Dresden. Schwere Vorwürfe gegen einen 44-jährigen Polizeiobermeister vom Revier Dresden West in Gorbitz – Volksverhetzung und Aussageerpressung. Der Mann stand jetzt vor dem Amtsgericht Dresden. Laut Anklage hatten er und seine Kollegen im Februar 2019 einen Notruf erhalten. Eine Frau soll vormittags Opfer häuslicher Gewalt geworden sein. Täter und Opfer waren bereits bekannte Ausländer.

Schon bevor die Beamten zum nahegelegenen Amalie-Dietrich-Platz aufbrachen, soll der 44-Jährige die mutmaßliche Geschädigte unter Kollegen massiv herabgewürdigt haben. Die Staatsanwaltschaft wertete die Kombination aus N-Wort und einem derben frauenfeindlichen Begriff als Volksverhetzung.

Als die Beamten wenig später am Einsatzort von der auch als „psychisch auffälligen Tunesierin“ beschriebenen Frau erfahren wollten, was vorgefallen war, habe der Obermeister ihr gedroht, er werde ihr ins Gesicht treten, wenn sie nicht die Wahrheit sage. Die Mindeststrafe für Aussageerpressung beträgt ein Jahr Haft.

Respektloses Verhalten gegenüber der Polizei?

Der 44-Jährige gab sich geläutert. Er entschuldigte sich für seine Äußerungen und gab zu, etwas in der Art zu der Frau gesagt zuhaben. Sie habe sich gegenüber der Polizei respektlos verhalten, sagte er. Schon als die 30-Jährige aus der Wohnung gekommen sei, habe sie in Richtung des mutmaßlichen Täters, der sie geschlagen haben soll, gespuckt und ihn beleidigt. Sie sei mal aggressiv und mal weinerlich gewesen: „Irgendwie fing die Frau an, mich zu provozieren.“

Er habe sie angehalten, die Wahrheit zu sagen, um zu erfahren, was vorgefallen war. Mehr habe er nicht erreichen wollen. Sprachschwierigkeiten hätten die Befragung zusätzlich erschwert. Es sei einfach nicht klar gewesen, was überhaupt passiert war.

Den rassistischen Begriff habe er erst nach der Rückkehr in einem Dienstzimmer genannt – „weil ich emotional erregt war. Das tut mir leid“. Er habe das aus Verärgerung über den Einsatz gesagt, die Frau habe eine „rote Linie“ überschritten. Ihre Nationalität habe keine Rolle gespielt, sagte der Angeklagte. Er habe bis da auch noch nie mit ihr zu tun gehabt. Auf die Frage des Richters Arndt Fiedler, ob er auch für eine deutsche Frau diesen Begriff verwandt hätte, räumte der Angeklagte ein: „Das N-Wort hätte ich wohl nicht gesagt“.

Der Angeklagte ist seit 25 Jahren Polizist und arbeitet seit 2014 im Streifendienst im Revier West. Von dienstrechtlichen Sanktionen nach dieser Sache wurde nichts bekannt.

Kollegen deeskalieren

Die betroffene Frau erschien nicht als Zeugin. Zwei Kollegen des Angeklagten berichteten, sie seien zu dritt zum Amalie-Dietrich-Platz gefahren. Einsätze an diesem sozialen Brennpunkt seien immer gefährlich. Auch sie beschrieben die Frau als hysterisch. Man sei mit ihr zum Treppenhaus gegangen, um sie vom Täter zu trennen. Zu zweit befragten sie die Frau. Als das Gespräch des Angeklagten mit der Betroffenen eskalierte, hätten sie ihn von der Frau getrennt.

Bemerkenswert war die Schilderung eines Beamten, der sagte, nach der Drohung des Angeklagten habe sie gesagt: "Schauen Sie mir in die Augen und wiederholen Sie, was Sie gesagt haben." Nach etwa zehn bis 15 Minuten habe man die Frau für eine Vernehmung mit aufs Revier genommen.

Unklar blieb nach den Aussagen der beiden 32- und 29-jährigen Polizisten, wann und wo genau das N-Wort gefallen ist – vor oder nach dem Einsatz, im Dienstbüro oder dem Blutentnahmeraum – und wer davon habe Notiz nehmen können.

In seinem Plädoyer forderte der Staatsanwalt einen Freispruch für die Volksverhetzung. Der Begriff sei zwar „ganz klar herabwürdigend, ausländerfeindlich und frauenfeindlich“, doch er sei im Kollegenkreis gefallen, nicht öffentlich. Für die Aussageerpressung forderte der Staatsanwalt eine Bewährungsstrafe von acht Monaten. Er ging wegen der aufgeheizten Situation von einem minder schweren Fall aus.

"Einmaliges Fehlverhalten"

Verteidiger Michael Sturm hielt auch die Aussageerpressung für nicht erfüllt. Der Beamte habe der Frau nicht gedroht, um die Wahrheit zu erfahren. „Das konnte er gar nicht wollen, weil die Frau ja aussagen wollte“, sagte Sturm. Vielmehr sei es dem Angeklagten darum gegangen, dass sich die Frau benehmen solle. Sturm bat daher um eine mildere Strafe. Der Angeklagte selbst sagte in seinem letzten Wort, ein solcher Vorfall werde sich nicht wiederholen.

Das Gericht verurteilte das Verhalten des Angeklagten scharf. Der Mann habe die Contenance verloren und einen schwerwiegenden Fehler begangen. Die Aussageerpressung sei erfüllt. Der 44-Jährige habe der Frau gedroht – das habe auch die Reaktion des Opfers vor Ort gezeigt. Der Mann sei provoziert worden und habe die Nerven verloren, sagte der Vorsitzende. Das Verhalten der Kollegen nannte er vorbildlich. Sie hätten deeskaliert, den Angeklagten von der Frau getrennt.

Der 44-Jährige erhielt wegen Aussageerpressung eine Bewährungsstrafe von sechs Monaten. Das sei die Mindeststrafe für einen minder schweren Fall. Vom Vorwurf einer Volksverhetzung wurde der Mann freigesprochen – das N-Wort sei nicht öffentlich, sondern im geschützten Umfeld der Kollegen gefallen, so das Gericht. Fiedler: „Wir sind sicher, dass das ein einmaliges Fehlverhalten war, das sich nicht wiederholen wird.“ Sollte das Urteil rechtskräftig werden, erwartet den Angeklagten wohl noch ein internes Disziplinarverfahren.

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