"Sei glücklich" - so haben Neujahrsziele eine Chance

Dresden. Tänzerin wollte Kathrin Leinweber werden. Aber nicht nur das. Prima Ballerina! Auf den größten Bühnen der Welt. "Das war mein Berufswunsch als kleines Mädchen", sagt die 41-Jährige. Stattdessen hat sie Gitarre gelernt - was sie gar nicht wollte.
Zu wissen, was sie will, das lernte sie erst später. Da hatte die Autorin und Motivationstrainerin selbst schon ein Kind und die Erfahrung gemacht, dass das Leben schwarze Löcher bereithält, in die man unversehens stürzen kann.
Bis dahin ging alles glatt. "Ich war eine Einserschülerin, sehr diszipliniert und leistungsbereit", erzählt sie. "Aber vor allem habe ich gut gelernt, um meinen Eltern und den Lehrern zu gefallen." Mathe war ihr Steckenpferd, das hatte sie wohl von ihrer Mutter geerbt. Die unterrichtete Mathematik an einer Dresdner Berufsschule und sorgte viele Jahre später für eine Anekdote, von der Kathrin Leinweber gern erzählt.
Plötzlich in ein schwarzes Loch gestürzt
Schule, Studium der Betriebswirtschaftslehre, Reisen, Job. Eine Biografie wie am Schnürchen. "Und dann kam jener Morgen, an dem ich mit meinem Baby im Arm morgens um sieben auf der Bettkante hockte und nicht wusste, wie ich den Tag schaffen soll." Von allem zu viel. Alles so anders. Zu voll und strukturlos erschien das Leben ihr plötzlich. Eigentlich sollte es kein Ding sein, ein Kind zu versorgen und mit dem Haushalt klarzukommen, aber Kathrin Leinweber fühlte alle Kräfte schwinden.
"Ich habe versucht, mir bei meiner Mutter und Freundinnen mit Kindern Rat zu holen. Doch so richtig konnte niemand meinen Zustand nachvollziehen." Alle sagten ihr: "Du hast dein ersehntes Kind, sei doch glücklich!" Die Wirklichkeit sah anders aus, und Kathrin Leinweber konnte es sich das Tief nicht erklären. Immer mehr in dieser Schwere zu versinken, das wollte sie auf keinen Fall und ging zum Arzt. "Zuerst habe ich abklären lassen, dass ich körperlich gesund bin und mir dann einen Coach gesucht."
Heute ist ihre große Tochter acht, die kleine fünf Jahre alt, und so etwas wie damals passiert ihr nicht so schnell nochmal. Sich mithilfe eines Beraters wieder auf und im Leben neu auszurichten, das war nur der erste Schritt. "Ich fand das Coaching so spannend, dass ich selbst begonnen habe, mich ausbilden zu lassen." Heute leitet Kathrin Leinweber andere Menschen dabei an, ihre Wünsche zu definieren und zu verwirklichen.
Gerade zum Jahresanfang gehören Ziele mehr als zu anderen Zeiten: Gesünder leben, Sport treiben, abnehmen. Weniger Medienkonsum, mehr Geld verdienen, sich Freunden und Familie besser widmen. Die Wahrheit ist: Spätestens im März lichten sich die Reihen in den Fitnesszentren wieder und das Handy liegt wie festgeklebt in der Hand.
"Umfragen zeigen: 75 Prozent aller Menschen geben ihre Vorhaben nach den ersten acht Wochen wieder auf", weiß die Beraterin. Aber warum ist es so schwer, Pläne zu verfolgen und Ziele zu erreichen? Was lässt den Schweinehund das Nutellaglas auslecken? Kathrin Leinweber dreht den Spieß lieber um: Was sollte man beachten, damit genau das nicht passiert?
"Ich habe fünf Tipps, die dazu verhelfen, die Vorhaben fürs neue Jahr nicht gleich wieder aus den Augen zu verlieren", sagt sie. Dazu gehöre zuerst, sich realistische Ziele zu stecken und sie mit einem guten Gefühl zu versehen. "Stellen Sie sich vor, wie schön es sich anfühlt, das Lieblingskleid wieder tragen zu können oder voller Glückshormone von einem Sportkurs mit tollen Leuten zu kommen!"
Tipp für Frauen: High Fife im Spiegel
Eine Art Probezeit sollte sich jeder Mensch gönnen, bevor er tatsächlich Ernst macht: "Geben Sie sich vier Wochen, um zu sehen, ob sich ihr Weg richtig für Sie anfühlt, und machen Sie sich immer klar: Das, was Sie tun, ist Ihre freie Entscheidung!" Sofort anzufangen, sei kein Muss. "Aber legen Sie einen Action-Day für sich fest, der gut passt!"
Wissen gibt Sicherheit und entspannt. Deshalb hält es Kathrin Leinweber für sinnvoll, sich gut zu informieren - beispielsweise über die Entwöhnung von Nikotin und Alkohol oder darüber wie die Verdauung funktioniert und bestimmte Nahrungsmittel wirken.
Weil man gemeinsam weniger allein ist, bringt es Verbindlichkeit, sich Gleichgesinnte zu suchen. Zum Joggen, zum Punktezählen bei "Weightwatchers" oder zum Tausch Handy gegen Kino und Theater. Denn dieser Schulterschluss bestärkt beim letzten Ratschlag: "Tricksen Sie Ihre Bequemlichkeit aus!"
Zwar erlebt sich Kathrin Leinweber seit ihrer Kindheit als sehr diszipliniert und zielorientiert. Aber auch sie müsse an ihrer Motivation arbeiten, gibt sie zu. "Ich habe mir mehr Bewegung vorgenommen und begonnen, beim Telefonieren den Hula-Hoop-Reifen kreisen zu lassen." So verbinde sie Altes mit Neuem und Unvermeidbares mit Nützlichem.
Besonders für Frauen hält sie einen alltagstauglichen Kick bereit: "Verlassen Sie kein Waschbecken, ohne sich selbst High-Fife im Spiegel zu geben!" Nach wie vor leisten Frauen mehr Arbeit für die Familie - viele neben ihrem Job. "Aber nur selten gibt es für die Hausarbeit ein Lob. Sagen Sie sich selber, wie super sie das alles managen!"
Viel Arbeit bringt nicht zwingend viel
Ist Höchstleistung immer nur mit Höchstleistung zu erreichen? "Nein!", sagt Kathrin Leinweber. Jeder Mensch braucht Erholungsphasen. Sobald sich mit steigender Anstrengung weniger Ergebnis erzielen lässt, sei es höchste Zeit fürs Regenerieren. "Ich arbeite in aller Regel 50 Minuten durch und gönne mir dann eine Pause." Außerdem habe sie sich für bestimmte Social-Media-Apps einen Timer eingerichtet. Nach 15 Minuten stellen sie sich ab.
Neben Vorträgen in Unternehmen und dem Coaching ihrer Klienten schreibt Kathrin Leinweber Bücher und produziert Podcasts - zum Beispiel zu Themen wie Gehaltsverhandlung und Gesprächsführung. In der Sprache der Branche geht es dabei immer wieder um sogenannte Hacks. "Das sind praxistaugliche Tipps, mit denen man den gesteckten Zielen leichter näher kommt", erklärt die Autorin.
Hack? Das kleine englische Wort rief Kathrin Leinwebers Mutter auf den Plan. Einst hatte sie angehende Fleischfachverkäufer in der Berufsschule unterrichtet. "Meine Mutter rief mich an und sagte: Ich finde ja ganz toll, was du beruflich machst. Aber was bitte hat das alles mit Hack zu tun?!"