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Obstbäume auf Dresdner Streuobstwiese illegal abgeholzt

Im Omsewitzer Grund kreischen die Kettensägen. Die Bäume konnten nicht gerettet, die Verursacher aber gestellt werden.

Von Kay Haufe
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Obstbäume sind am Dienstag auf einer Streuobstwiese im Omsewitzer Grund illegal gefällt worden
Obstbäume sind am Dienstag auf einer Streuobstwiese im Omsewitzer Grund illegal gefällt worden © René Meinig

Dresden. Bauer Marcus Kühne ist überrascht, als er am Dienstagmorgen beim Frühstück plötzlich zwei Fahrzeuge auf eine Wiese neben seinen Betrieb fahren sieht. Männer steigen aus und packen große Kettensägen aus. Dann geht alles recht schnell. Die Männer beginnen, große, gesunde Obstbäume am Hang zu fällen. Dieser hatte kürzlich den Besitzer gewechselt.

Marcus Kühne läuft zu den Männern und fragt, was sie da machen. Die Streuobstwiesen stehen unter Naturschutz und sind gesetzlich geschützte Biotope nach Paragraf 21 des Sächsischen Naturschutzgesetzes. Zudem darf in Dresden nach der gültigen Baumschutzsatzung auch kein Obstbaum mit mehr als 60 Zentimeter Stammumfang ohne Genehmigung gefällt werden. Doch die Männer sägen weiter.

Kühne ist empört und traurig. Schon sein Urgroßvater besaß Flächen im Omsewitzer Grund, in dem früher alles mit Obstbäumen bepflanzt war. Um die Tradition fortzuführen, haben Kühne und seine Familie seit 2019 rund 45 neue Apfelbäume im Grund gepflanzt. Dass jetzt plötzlich jemand mit der Säge Tatsachen schafft, will Kühne nicht einfach hinnehmen.

Polizei und Ordnungsamt alarmiert

Er transportiert mit einem Radlader zwei große Sandsteine auf die Zufahrten zur Wiese, sodass die Männer mit ihren Fahrzeugen, auf die sie bereits das Holz von sechs gesunden Bäumen sowie Totholz geladen haben, nicht mehr wegkommen.

Dann verständigt Kühne die Grüne Liga, die die betroffene Streuobstwiese bisher im Auftrag des Vorbesitzers per Vertrag gepflegt hat. Andreas Wegener vom Verein ist entsetzt und informiert die Polizei. Diese verweist auf das städtische Ordnungsamt, weil sie nicht zuständig sei.

Bauer Kühne versucht indes, jemanden beim Umweltamt zur erreichen. "Ich wurde mehrfach weitervermittelt. Erst war keiner zuständig, dann der Bearbeiter nicht da, bis ich schließlich eine Mitarbeiterin fand, die sagte, sie könne in einer Stunde zu uns kommen."

Marcus Kühne ist froh, dass er die Zufahrten blockiert hat. "Sonst wären die Männer längst über alle Berge gewesen." Als er sie nach den Gründen für die Abholzung fragt, wird es nach einiger Zeit laut. Ein Mann, von dem Kühne weiß, dass er der neue Besitzer der Fläche ist, beschimpft ihn und kommt dicht an ihn heran. Gleiches geschieht Andreas Wegener, der inzwischen auch vor Ort ist. Auf eine Anfrage der SZ reagiert der neue Grundstückseigentümer nicht.

Eigentümer hat keine Fällgenehmigung

Mittlerweile sind zwei Mitarbeiter des Ordnungsamtes eingetroffen. Sie nehmen die Personalien der Männer auf. Auch die Mitarbeiterin des Umweltamtes kommt. Wie sich herausstellt, hat der neue Eigentümer keine Fällgenehmigung. "Die Untere Naturschutzbehörde im Umweltamt hat sich des Falles angenommen. Die Behörde prüft derzeit die Sachlage und die nächsten Schritte", heißt es später aus dem Umweltamt. Bis zu 50.000 Euro Strafe drohen für eine solche Aktion.

Vor Ort müssen die Männer das Holz wieder abladen, auch das Totholz. Es soll auf der Wiese verbleiben, weil es für eine große Zahl von Tieren und Pflanzen als idealer Nist-, Entwicklungs-, Nahrungs- oder Überwinterungsort sehr wichtig ist. Außerdem bietet es Schutz vor Fressfeinden. Fledermäuse, Käuze oder auch Siebenschläfer wählen Totholz als Wohnort.

"Pflegevertrag von 1996 nicht gekündigt worden"

Andreas Wegener von der Grünen Liga ist fassungslos über die Fällaktion. Sein Verein pflegt diese Wiese wie viele andere in der ganzen Stadt. "Unser Pflegevertrag mit Vorbesitzern der Fläche stammt aus dem Jahr 1996. Wir mähen die Wiesen, machen Heu, pflanzen nach, wenn Bäume eingehen, und ernten die Früchte. Geld fließt nicht." Der Vertrag sei schriftlich fixiert und nicht gekündigt worden.

Marcus Kühne ist nach diesem Erlebnis ernüchtert. Er hatte sich auch für die Fläche im Omsewitzer Grund beworben, die von der BVVG Bodenverwertungs- und Verwaltungs GmbH ausgeschrieben worden war. Doch er hat offenbar weniger geboten. "Unser Ziel mit unserem Bauernhof ist es, dass die Dresdner vor Ort sehen können, wie die Produkte entstehen und wie die Tiere leben", sagt er. Viele Spaziergänger kämen durch den Grund. "Auf den Fotos meines Urgroßvaters blühte es hier früher überall. Indem wir neue Bäume pflanzen, könnte es im Frühjahr hier bald auch wieder so aussehen."