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Wird Dresden bald mehr Geflüchtete aufnehmen?

Im Dezember hat die Stadt 165 Menschen Zuflucht geboten, für Januar sind weitere angekündigt. Nun soll der Stadtrat am 27. Januar eine Entscheidung treffen.

Von Julia Vollmer
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Viele Geflüchtete kommen von Afghanistan , dem Irak und Syrien nach Dresden. Sollte die Stadt mehr für Geflüchtete tun als bisher?
Viele Geflüchtete kommen von Afghanistan , dem Irak und Syrien nach Dresden. Sollte die Stadt mehr für Geflüchtete tun als bisher? © Patrick Pleul/dpa

Dresden. In vielen Ländern der Erde ist ein sicheres Leben derzeit nicht möglich - für große Teile der dortigen Bevölkerung oder einzelne gesellschaftliche Gruppen. Seit dem vergangenen Jahr treten wieder mehr von ihnen die Flucht an. Auch Dresden nimmt zunehmend Menschen auf, die in Deutschland Sicherheit suchen. Das sei aber nicht genug, kritisiert die Seebrücke-Initiative und fordert die politischen Entscheider dazu auf, über das vereinbarte Aufnahme-Kontingent hinauszugehen.

Wie viele Geflüchtete will die Seebrücke-Initiative aufnehmen?

Oberbürgermeister Dirk Hilbert nimmt ein Buch von der Initiative Seebrücke entgegen.
Oberbürgermeister Dirk Hilbert nimmt ein Buch von der Initiative Seebrücke entgegen. © SZ/Julia Vollmer

Fast 5.000 Dresdner haben bei einer Petition der Initiative Seebrücke dafür unterzeichnet, dass die Stadt zum sogenannten sicheren Hafen für Geflüchtete wird. Bei der Idee der "sicheren Häfen" geht es um Unterstützung für die Seenotretter von Mission Lifeline und die Bereitschaft, mehr geflüchtete Menschen aufzunehmen, als es der Königsteiner Schlüssel vorschreibt. Dieser Schlüssel regelt, wie viele Geflüchtete die Städte und Gemeinden in Deutschland aufnehmen. Die Petition sollte schon mehrfach im Stadtrat beraten werden, flog aber pandemiebedingt immer wieder von der Tagesordnung. Nun wendet sich die Initiative Seebrücke mit einem offenen Brief an die Stadträte, mit der Bitte, die Petition bei der nächsten Stadtratssitzung am 27. Januar zu behandeln.

"Ein neues Jahr hat begonnen und immer noch gibt es kaum sichere Wege nach Europa für Menschen, die vor Not, Krieg und Gewalt flüchten. Doch anstatt die Menschen auf der Flucht zu schützen, schottet die EU sich ab. Sie sieht dem Sterben der Flüchtenden tatenlos zu – nicht nur auf dem Mittelmeer", schreiben die Mitglieder der Seebrücke. Deutsche Politiker seien viel zu zögerlich und verschärften damit die Lage. Die Initiatoren möchten, dass sich Dresden öffentlich positioniert.

Am Montag übergaben Mitglieder der Initiative Seebrücke ein Buch zum Thema an Oberbürgermeister Dirk Hilbert. Auf der Tagesordnung am 27. Januar steht die Petition jetzt drauf.

Wie viele Menschen nimmt Dresden derzeit auf?

In Dresden sind im Dezember 2021 insgesamt 13 Geflüchtete mit afghanischer Staatsangehörigkeit neu angekommen, darunter eine afghanische Ortskraft, so das Sozialamt auf SZ-Anfrage. In Summe nahm Dresden damit im Dezember 165 Geflüchtete auf. Dabei kamen die meisten von ihnen aus Afghanistan, dem Irak, aus Libyen, Pakistan sowie Syrien. Auch in den kommenden Wochen werden Flüchtlinge erwartet. "Nach Mitteilung der Landesdirektion Sachsen vom 14. Dezember ist für Januar die Zuweisung von 100 Geflüchteten an Dresden geplant", so das Sozialamt.

Wo werden sie untergebracht?

Die Geflüchteten werden in Wohnungen und Übergangswohnheimen der Stadt untergebracht. Mit Stand Ende November waren 2.018 Plätze in Wohnungen und 441 Plätze in Wohnheimen belegt. Platz gibt es noch. "Es standen noch 93 belegbare Plätze zur Verfügung", so das Sozialamt.

Die Stadt hatte Ende des Jahres die Dresdner aufgerufen, wenn sie Wohnungen zum Vermieten haben , diese für Geflüchtete zur Verfügung zu stellen. Haben sich Bürger und Vermieter auf den Aufruf, dass die Stadt Wohnungen für Geflüchtete sucht, gemeldet? "Ja, auf den entsprechenden Aufruf der Stadt haben sich Bürger und Vermieter gemeldet und vorwiegend Ferienwohnungen sowie vereinzelt Wohnungen angeboten", so das Sozialamt. Eine genaue Anzahl könne man nicht benennen. Insgesamt seien die ernsthaften Angebote jedoch eher verhalten ausgefallen.

Bis zum Jahresende konnten aber insgesamt 106 Wohnungen in der Stadt angemietet werden. Da die Stadt einen "Anstieg an zugewiesenen Personen" erwartet, prüft sie gerade weitere Unterbringungsmöglichkeiten, heißt es aus dem Rathaus. Eine Anmietung von weiteren Wohnungen sei auch eine Option. Auch die Schaffung neuer Heime sei eine Option.

Sollte Dresden zum "sicheren Hafen" werden, stünden der Stadt drei Aufgaben bevor. "Als sicherer Hafen stehen wir, solange es keine staatlichen Rettungsmissionen gibt, hinter der Seenotrettungs-Nichtregierungsorganisation Mission Lifeline." Außerdem zeige sich die Stadt dann bereit, mehr geflüchtete Menschen aufzunehmen, als vorgegeben. Laut Schlüssel besteht für Dresden derzeit die Pflicht, bis zu 2.750 geflüchtete Menschen zeitgleich in der Stadt aufzunehmen. Aufgabe Nummer drei, so die Initiative: "Wir bieten aktiv Bleibeperspektiven für geflüchtete Menschen und setzen damit ein Zeichen für eine weltoffene und solidarische Stadtgesellschaft."

Was sagen die Stadträte?

"Im Rat tun immer alle so, als ob Dresden eine Stadt von Welt wäre, in der nächsten Sitzung hat der Stadtrat die Chance das auch zu beweisen und sich den 267 Städten, die sich zum Sicheren Hafen erklärt haben, anzuschließen", sagt Linken-Stadtrat Christopher Colditz. Er sei gespannt, ob CDU und FDP es dieses Mal schaffen, "aus ihrem provinziellen und kleingeistigen Denken zu kommen oder ob wir wieder eine Provinzposse erleben müssen", so Colditz und meint, ob die beiden Parteien mit für den sicheren Hafen stimmen. Aus Sicht der SPD-Fraktion sei es eine Selbstverständlichkeit, dass Dresden Sicherer Hafen werden muss, betont Sozialpolitiker Vincent Drews. Nach den Vertagungen im alten Jahr, müsse die Abstimmung über die Petition im Januar stattfinden. "CDU, FDP und den Oberbürgermeister fordere ich auf, ihre Ablehnung der Petition zu überdenken. Sie machen sich damit nur mit der Menschenfeindlichkeit der rechtsnationalen AfD und Freien Wählern gemein", sagt er. Auch die Grünen-Fraktion unterstützt die Petition und "wollen eine zeitnahe Entscheidung zur Petition und bemühen uns um eine demokratische Mehrheit im Stadtrat", so Stadträtin Tina Siebeneicher. Sie wünscht sich auch von OB Hilbert, dass er sich positioniert.