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Prozess nach Prügel-Attacken: Dynamo-Hooligan aus Dresden bleibt im Gefängnis

Weil er wiederholt auf Polizisten losging, landete ein 24-jähriger Dresdner in Untersuchungshaft. Das habe ihm gutgetan, sagt er nun. Wie gewaltbereit der Dynamo-Hooligan war, wird vor Gericht deutlich.

Von Alexander Schneider
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Ein Wachtmeister bringen Robert S. zu seinem Sitzungssaal im Amtsgericht Dresden. Der 24-Jährige hat sich vermummt. In seiner Verhandlung jedoch ist er ungewöhnlich offen.
Ein Wachtmeister bringen Robert S. zu seinem Sitzungssaal im Amtsgericht Dresden. Der 24-Jährige hat sich vermummt. In seiner Verhandlung jedoch ist er ungewöhnlich offen. © Foto: Alexander Schneider

Dresden. Zwei Anklagen, ein Strafbefehl, immer Gewalt. Robert S. zählt nicht nur zu den Tätern, die bei den bisher schwersten Ausschreitungen Dresdner Fußball-Randalierer im Mai 2021 in der ersten Reihe Polizisten angegriffen haben. Der gelernte Kaufmann ist zuvor bereits dreimal wegen ähnlicher Taten als Dynamo-"Fan" verurteilt worden, wenn auch nur zu Geldstrafen.

Auch nach der Randale beim Aufstiegsspiel gegen Türkgücü München am 16. Mai 2021 ging es munter weiter: Noch im Juli 2021 schlug der 24-Jährige offenbar als Security-Mitarbeiter nachts einen Mann nieder. An Himmelfahrt im Mai 2022 prügelte er sich mit einem Mitglied des Jugendclubs Eschdorf, die dort eine Feier organisiert hatten.

Der Anlass war wie immer nichtig. S. hatte beim Gehen seinen Getränkebecher mitnehmen wollen, behauptete, er habe Pfand für den Becher bezahlt, was nicht stimmte. Selbst als die Jugendlichen anboten, ihm zwei Euro für den Becher zu zahlen, lehnte er ab und stopfte das Gefäß in einen Wertstoffcontainer.

Und dann schlug der Mann, unterstützt von einem Freund, wieder schnell zu und trat dem damals 19-Jährigen mehrfach gegen den Kopf. Dort hat S., berichteten Zeugen gegenüber der Polizei, Jugendlichen auch gedroht, sie würden in keine Dresdner Diskothek mehr hereinkommen; auch das ist ein Hinweis auf seine Türsteher-Tätigkeit.

Erst nach Prügel-Attacke beim Bayreuth-Auswärtsspiel war der Bogen überspannt

Für die Justiz war der Bogen erst überspannt, als der Deutsche am 1. Oktober 2022, nun wieder als Dynamo-Prügler, auf der Fahrt zum Auswärtsspiel nach Bayreuth versucht hat, einen Polizisten zu treten. Beim Umsteigen in Hof war S. erbost, weil die Polizei einen seiner Fußball-Kumpel kontrollierte. Dass der Mann zuvor in den Sonderzug gepinkelt hatte, habe er da noch nicht gewusst, sagt Robert S.

Seit dem 28. Oktober sitzt er in Untersuchungshaft, fast ein halbes Jahr schon. Wenn man ihm glaubt, war das der Anfang eines besseren Lebens.

In seinem Prozess vor dem Amtsgericht Dresden räumt der 24-Jährige am Dienstag alle Vorwürfe voll ein. Zeugen müssen nicht mehr aussagen, manche Aussagen werden vom Vorsitzenden Richter verlesen. Das Geständnis ist Teil der Verständigung zwischen S., seinem Verteidiger Oliver Nießing, dem Staatsanwalt und dem Schöffengericht: maximal zwei Jahre und neun Monate Haft für alles, ohne Aussicht auf Bewährung. Dazu hatte sich der 24-Jährige einfach zu viel geleistet.

Flaschen, Steine, Äste, Bengalos auf Polizisten geworfen

Als S. am 16. Mai zum Trainingsgelände am Stadion gekommen sei, ausgestattet mit drei Signalfackeln und Vermummungsschal, "war da schon ein heiteres Tohuwabohu", sagt er: "Ich reihte mich ein und agierte sofort der Polizei entgegen." Es klingt nach Therapeuten-Sprech. Er habe Bengalos geworfen, sich umgedreht und aus dem Gleisbett der Parkeisenbahn weitere Steine gegriffen, um sie zu werfen. Auch später in der Hauptallee und der Lennéstraße habe er alles Mögliche aufgelesen, was zu greifen war, um es zu werfen, "so blöde wie es klingt".

Laut Anklage warf er 36-mal Flaschen, Steine, Äste, Bengalos und anderes auf die Uniformierten, dreieinhalb Stunden lang. S. bestreitet das nicht. Trotz pandemiebedingten Versammlungsverbotes sei er - wie Tausende andere auch - zum Stadion gegangen, um dem Aufstieg seiner Mannschaft entgegenzufiebern. Er habe erwartet, es käme zu ähnlichen Szenen wie im Jahr zuvor, als Dynamo abgestiegen war.

Damals habe es auch Corona-Beschärnkungen gegeben, doch die Fans hätten an der Stadiontreppe ihre Mannschaft gefeiert, sogar auch mit Bengalos. "Gemeinsam Respekt zollen", nennt der Angeklagte das. "Es sollte dieses Jahr nichts anderes passieren als das." Es wäre vielleicht anders gelaufen, so S., wenn man das Stadion zugänglich gemacht hätte. "Emotionen und Gemeinschaftsgefühl wurde uns genommen", behauptet er.

"Hof" sei auch so eine Sache gewesen: Er habe dort "aufgrund seines sehr hohen Gewaltpotenzials" gehandelt. Dieses Problem und die Auswirkung auf seine Familie sei ihm jedoch erst klar geworden, als er im Gefängnis saß. Da wolle er nie wieder hin.

Seit 2022 fast jede Woche Prozesse rund um Dynamo-Ausschreitungen

Auf der Haben-Seite hat der 24-Jährige jedoch auch einiges zu verbuchen. Deutlich mehr jedenfalls als andere Dynamo-Randalierer vor ihm. Seit Anfang 2022 finden fast jede Woche Prozess rund um die Ausschreitungen vom 16. Mai statt, bei denen mehr als 180 Polizeibeamte und einige Journalisten zum Teil schwer verletzt worden waren.

Erst Ende März erhielten zwei 39 und 48 Jahre alte Täter unbedingte Freiheitsstrafen von 15 beziehungsweise 22 Monaten Haft, die auch gezielt Fotografen angegriffen und verletzt hatten. Im Februar kassierte ein 33-Jähriger am Landgericht Dresden eine Freiheitsstrafe von zweieinhalb Jahren Haft, kam auf freien Fuß und hat schon in der ersten Nacht in Freiheit wieder Polizisten attackiert.

Robert S. ist intelligenter und kann besser sprechen. Er berichtet über "soziales Engagement" der Fans, wo er sich seit Jahren einbringe - sie bauten über das Fan-Projekt etwa Kinderspielplätze und Hunde-Pools, versorgten Obdachlose für die Treberhilfe. Was S. über sein Gewaltproblem oder seine Knast-Erfahrung sagt, muss in Richter-Ohren gut klingen.

Er hat sich in einem Brief bei seinem Eschdorfer Opfer entschuldigt und nun dem jungen Mann ein Schmerzensgeld von 1.000 Euro zugesichert. Noch in der Haft habe er sich um ein Antiaggressionstraining bemüht, als Untersuchungsgefangener aber nicht bekommen. Er habe sogar von sich aus die SG Dynamo angeschrieben und um ein bundesweites Stadionverbot gebeten. S. bittet auch die Polizeibeamten um Entschuldigung.

Angeklagter kämpft mit den Tränen

Wie nahe dem Angeklagten sein Gewaltproblem geht, ist zu sehen, wie er mit den Tränen kämpft. Staatsanwalt Ingolf Wagner will von ihm wissen, woher seine Gewaltbereitschaft kommt und wie etwa seine Angehörigen darüber denken? Das sind Fragen, die dem 24-Jährigen wehtun. Er beantwortet sie nicht mehr. Sein Verteidiger Oliver Nießing grätscht dazwischen.

Etwas unter geht dabei, dass S. leidenschaftlich Kampfsport betreibt oder betrieben hat, dass er zumindest nebenher Security-Dienste geleistet hat und jemand zu sein scheint, der in der Fan-Szene einen Namen hat. Davon zeugt etwa die ungewöhnlich vielen Karten und Briefe, die er in der Haft erhält.

Die viele Post könnte eine Ursache dafür sein, dass auch die Polizei mit einem guten Dutzend Beamten an diesem Tag sicherheitshalber im Gericht ist. Zuschauer werden vor dem Gerichtssaal nochmals kontrolliert. Es gab die Sorge, zahlreiche Unterstützer des Angeklagten könnten kommen. Es sind aber nur ein paar da.

Haftstrafe und Geldstrafe für mehrere Delikte

S. wird zu zwei Jahren und drei Monaten Haft sowie einer separaten Geldstrafe in Höhe von 900 Euro verurteilt: wegen schweren Landfriedensbruchs, versuchter gefährlicher Körperverletzung, gefährlicher Körperverletzung, Angriffen auf und Widerstands gegen Polizisten und dergleichen. Der Richter bezeichnet die Ausschreitungen am 16. Mai als eine geplante Aktion.

Es könne nicht sein, dass sich Polizeibeamte von Wochenende zu Wochenende bei Fußballeinsätzen beschmeißen und beschimpfen lassen müssen, so der Vorsitzende. Solche Täter seien keine Fans, weil sie dem Verein Schaden zufügten. Erheblich negativ wertete das Gericht die drei einschlägigen Vorstrafen aus Dresden, Karlsruhe und Hamburg, zwar "nur" Geldstrafen, aber immer im Zusammenhang mit Fußballspielen.

Staatsanwalt Wagner hatte zuvor zwei Jahre und acht Monate Haft gefordert, Verteidiger Nießing eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren und einem Monat.