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Drohne über Dresden

Stephan Böhlig und Marcel Kaskens verändern den Blick auf die Stadt – mithilfe einer umstrittenen Technologie.

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Von Martin Lamss

Mit etwas Fantasie sieht der Albertplatz aus wie ein Gesicht. Seine Augen sind die Brunnen „Stürmische Wogen“ und „Stille Wasser“. Die Straßenbahnschienen dazwischen bilden eine Nase, und die Königsbrücker Straße wird zum Hals, auf dem das Gesicht zu ruhen scheint. Stierenden Blickes schauen die Brunnenaugen in den Himmel darüber, in dem ein anderes Auge schwebt. Dieses Auge macht es überhaupt erst möglich, den Albertplatz als Gesicht zu sehen. Es ist eine Kamera, montiert an einem ferngesteuerten Helikopter, nicht größer als ein Modellauto. Vier Rotoren halten das grau-weiße Gefährt in exakt 100 Metern Höhe und surren dabei wie ein wütender Maikäfer. Grüne und rote Positionslichter zeigen seine Lage im Raum an. Der Volksmund nennt so etwas Drohne.

Angriffe haben Stephan Böhlig und Marcel Kaskens mit ihrer Drohne gar nicht im Sinn, aber sie müssen sich oft gegen welche wehren. Meist von Menschen, die fürchten, dass sie heimlich ausgespäht werden.
Angriffe haben Stephan Böhlig und Marcel Kaskens mit ihrer Drohne gar nicht im Sinn, aber sie müssen sich oft gegen welche wehren. Meist von Menschen, die fürchten, dass sie heimlich ausgespäht werden. © Steffen Füssel

Dresden von oben

Mit einem Quadrokopter nehmen Stephan Böhlig und Marcel Kaskens vom Projekt Flymoment Dresden aus der Luft auf.
Mit einem Quadrokopter nehmen Stephan Böhlig und Marcel Kaskens vom Projekt Flymoment Dresden aus der Luft auf.
Blick aufs Dresdner Schloss.
Blick aufs Dresdner Schloss.
Am vergangenen Wochenende war die Drohne an der Elbe unterwegs.
Am vergangenen Wochenende war die Drohne an der Elbe unterwegs.
Auch diese Aufnahme im historischen Stadtzentrum entand mit Hilfe des Quadrokopters.
Auch diese Aufnahme im historischen Stadtzentrum entand mit Hilfe des Quadrokopters.
Noch ein Blick auf die Innenstadt.
Noch ein Blick auf die Innenstadt.
Den Zwinger aus ungewöhnlicher Perspektive zeigt diese Aufnahme.
Den Zwinger aus ungewöhnlicher Perspektive zeigt diese Aufnahme.
Auch Frauenkirche...
Auch Frauenkirche...
... Semperoper und ...
... Semperoper und ...
... Albertbrücke sind auf den Flymoment-Luftbildern zu sehen.
... Albertbrücke sind auf den Flymoment-Luftbildern zu sehen.
Blick auf das Elbufer und die Innere Neustadt.
Blick auf das Elbufer und die Innere Neustadt.
Diese Aufnahme zeigt das Glücksgas-Stadion.
Diese Aufnahme zeigt das Glücksgas-Stadion.
Hier ist der Große Garten mit dem Palais zu sehen...
Hier ist der Große Garten mit dem Palais zu sehen...
...hier das World Trade Center.
...hier das World Trade Center.
So sieht das Barockviertel mit der Dreikönigskirche von oben aus.
So sieht das Barockviertel mit der Dreikönigskirche von oben aus.
Der Albertplatz mit seinen Brunnen.
Der Albertplatz mit seinen Brunnen.
Diese Aufnahme zeigt die Leipziger Straße und den Elberadweg in Pieschen.
Diese Aufnahme zeigt die Leipziger Straße und den Elberadweg in Pieschen.
Und auch der UFA-Palast...
Und auch der UFA-Palast...
... und die Prager Straße sind aus ungewöhnlichen Perspektiven zu sehen.
... und die Prager Straße sind aus ungewöhnlichen Perspektiven zu sehen.

„Ich nenne das Gerät lieber Quadrokopter“, sagt ihr Pilot Marcel Kaskens. Die Bezeichnung leitet sich ab von den vier Motoren und klingt weniger belastet in seinen Ohren. Dem Wort Drohne hänge der drohende Ruch von Militär und Spionage an. „Ich werde ständig angequatscht, ob ich von der NSA bin und jemanden überwachen will“, sagt Kaskens. „Oder die Leute verlangen eine Gage, weil wir sie aus hundert Metern Entfernung mitfotografieren.“

Spione im Himmel?

Allerdings fliegt Kaskens seine Maschine nie nah an Häuser heran. Flugplätze oder militärische Anlagen sind genauso tabu wie Menschenmengen. Marcel Kaskens war also auch nicht derjenige, der Angela Merkel vor einigen Wochen bei einem Wahlkampfauftritt auf dem Neumarkt einen ferngesteuerten Hubschrauber vor die Füße knallte. „Mit so was würden wir unsere Fluglizenz ganz schnell verspielen.“

Die zu bekommen, war schwierig genug. Kaskens und sein Geschäftspartner Stephan Böhlig mussten dafür bei der Sächsischen Landesdirektion eine Menge Papierkram erledigen, Flugerfahrung nachweisen, sogar einen Aufsatz darüber schreiben, was sie mit dem Quadrokopter anfangen wollen und wie sie ihn fliegen werden. In Dresden beispielsweise nie höher als 100 Meter, außerdem muss jeder Flug beim Ordnungsamt angemeldet werden. Wer mit potenziellem Überwachungsgerät umgeht, muss sich selbst überwachen lassen. In Zeiten von Daten- und Geheimdienst-Skandalen kein Wunder. Wenn es um Drohnen geht, dann eben meist nicht darum, dass sie neue, ästhetische Blicke auf Städte oder Landschaften eröffnen. Genau das ist aber das Ziel von „Flymoment“, dem gemeinsamen Projekt von Marcel Kaskens und dem Fotografen Stephan Böhlig. Mithilfe ihrer Flugmaschine setzen die beiden Dresden ins Luftbild. Kaskens erfüllt die Rolle des Technikers, Stephan Böhlig die des Künstlers. „Wir spielen und spinnen zusammen“, sagt der 30-Jährige, der sonst für Zeitschriften unterwegs ist, Künstler porträtiert oder vom Boden aus die Straßenzüge der Neustadt, ihre Hinterhöfe und die Gesichter ihrer Bewohner mit ironischem Blick auf Bildern bannt.

„Stephan gibt mir den fotografischen Blick. So weiß ich, wie ich fliegen muss, um gute Bilder zu bekommen“, sagt der 29-jährige Marcel Kaskens. Der scheint eine wandelnde Technik-Enzyklopädie zu sein. Wenn er wollte, könnte er wohl Vorlesungen halten über das Drehmoment der Rotoren, die Kamerastabilisierung oder das satellitengestützte Navigationssystem seines insektenartigen Kleinsthubschraubers. Im richtigen Leben hat Kaskens bisher Fernseher und Stereoanlagen in einem kleinen Laden nahe Dresden verkauft. Die alten Leute in dem kleinen Ort wollen allerdings vor allem CD- oder Plattenspieler, Kaskens kann nur MP3-Player bieten. Und so zieht es ihn mittlerweile nach Dresden. „Flymoment“ könnte eine Chance sein, hier ein Auskommen zu haben.

Aktuell arbeiten Böhlig und Kaskens allenfalls semi-kommerziell. Zwei bis drei Aufträge haben sie monatlich. Architekten, die ihre Baustelle von oben sehen wollen, Privatleute, die Luftaufnahmen von ihrem Grundstück möchten, das sind ihre Kunden. Aber auch eine Firma, die Werbefilme macht, hat bei dem Fotografen und seinem Piloten angefragt. „Momentan geht es eher darum, unser Hobby zu finanzieren und einen neuen Kopter. Mit dem kann es im Frühjahr dann richtig losgehen“, sagt Böhlig. Der neue Helikopter liegt in Einzelteilen schon in Kaskens Wohnung herum. In den langen Winternächten, die nun kommen, soll ihr neues Baby zusammengesetzt werden. Sechs Rotoren wird es haben und eine Kamera, die ihre Bilder an eine Videobrille funkt. Wer sie trägt, hat das Gefühl, direkt unter der Flugmaschine zu hängen. Das wird Böhligs Job sein. Er leidet übrigens an Höhenangst und befürchtet, dass darunter auch sein Ruf als Luftbildfotograf leiden könnte. Bei Phobien hilft bekanntlich die Konfrontation mit dem Objekt der Angst, und entsprechend fällt der Seitenhieb von Marcel Kaskens aus: „Ich bin dafür, Stephan mit einer Kamera in der Hand direkt an den Kopter zu hängen. Dann bekämen wir auch die besten Bilder.“