Von Yvonne Popp
Pirna. Punkt 13 Uhr betrat Wolfgang Bieberstein, seines Zeichens Nachtwächter von Pirna, die Gartenstraße. Selten, so tat er kund, habe die Stadt ein solches Remmidemmi erlebt wie heute. Und da er sowieso nicht schlafen könne, habe er sich entschlossen, bei dem Spektakel mitzumachen, erklärte er. Dann rief er lautstark nicht zur Nachtruhe, sondern zum Sammeln für den großen Festumzug auf. Kein einfaches Unterfangen, denn immerhin galt es, 62 Schaubilder, beinahe 1 000 Mitwirkende, sowie die verschiedenen Musikkapellen aus Sachsen und Tschechien richtig aufzustellen.
Pirnaer Stadtfest
Flankiert von jeder Menge begeisterten Zuschauern setzte sich der Zug schließlich mit etwas Verspätung um 14.20 Uhr in Bewegung. Zu Fuß, in der Kutsche, hoch zu Ross oder in herausgeputzten Fahrzeugen ging es von der Gartenstraße aus über die Grohmannstraße, am Zwinger entlang, bis hin zur Badergasse. Weiter zog der Tross über Markt, Schlossstraße und Obere Burgstraße bis hin zum Tischerplatz.
Allein 19 Schaubilder gaben Meilensteine der 785-jährigen Geschichte Pirnas wieder. Persönlichkeiten wie Heinrich der Erlauchte, Kronprinzessin Sybilla Magdalena und Napoleon waren zu sehen, ebenso Schaubilder, die das Pirn’sche Elend oder den siebenjährigen Krieg darstellten. Die prächtigsten Kostüme trugen zweifellos die Darsteller des Canaletto-Motives.
Wie es um 1900 in Pirnas Schulen aussah, zeigten Schüler der Goethe-Oberschule Pirna. Zusammen mit ihrer Lehrerin Steffi Schöne haben die Fünftklässler auf der Ladefläche eines Lkw ein historisches Klassenzimmer nachgebildet. Holzbänke, Schiefertafeln und die große Lehrertafel bekamen sie dafür vom Stadtmuseum Pirna gestellt. Für die historische Kleidung hatten die Kinder aber selbst gesorgt.
Richtig Stimmung machten die Männer vom Armee-Spaß-Verein Königsbrück. Mit ihrem ZIL 131 Lastkraftwagen verkörperten sie die Zeit der russischen Besatzung nach dem 2. Weltkrieg. Damals hatte die Rote Armee die Kasernen auf der Rottwerndorfer Straße in Pirna besetzt und diese als Kriegsgefangenenlager genutzt.
Zum Umzug ging es aber wenig militärisch und streng zu. Nach bester russischer Lebensart unterhielten Uwe Meier und Silvio Kern das Publikum schon während des Aufstellens. Originalgetreu uniformiert und ausgestattet mit Balalaika und Schlagzeug gaben sie russische Melodien zum Besten. Zusammen mit ihrem General, der mit offener Uniformjacke und Wodkaflasche unter dem Arm das Schaubild anführte, waren die beiden Soldaten die Lieblinge des Publikums.
Beeindruckend war auch der Beitrag der Pirnaer Feuerwehr, die in diesem Jahr ihr 150-jähriges Jubiläum feiert. Die Kameraden stellten mit einem Großaufgebot an Fahrzeugen die Entwicklung, angefangen von der Gründung der „Freiwilligen Turner-Feuerwehr“ bis zur modernen und technisierten Wehr, dar.
Auch wenn all die Aufregung und Anstrengung den Rhythmus von Wolfgang Bieberstein durcheinandergebracht haben – Sorgen um die Nachtruhe musste sich am Sonntag niemand machen. Der Nachtwächter hatte angekündigt, bei einer Unpässlichkeit seinerseits seine Frau zum Dienst schicken zu wollen.
Der Festumzug ist nur eines der vielen Höhepunkte des Pirnaer Stadtfestes. Alle Bilder vom Wochenende gibt es hier zu sehen.