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Durchgang verboten

Wieder mal wurde ein Weg im Stadtgebiet gesperrt. Diesmal oberhalb der Jägerhofstraße. Die Eigentümer sind dazu berechtigt, sagt die Stadt.

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© Norbert Millauer

Von Ines Scholze-Luft

Radebeul. Uwe Wittig glaubt, seinen Augen nicht zu trauen. Auf einem Gang durch Lindenau will der Stadtrat der Freien Wähler wieder mal über den kleinen Verbindungsweg zwischen Jägerhofstraße und Kreyernweg laufen. Beim Wollen bleibt es. Der Weg ist zu. Mit einem Tor gut verschlossen.

Der Radebeuler ist geschockt. Immer war der Durchgang offen. Und jetzt? Ein Anruf bei der Stadtverwaltung ergibt: Der Weg ist kein öffentlicher. Sondern in Privatbesitz. Jetzt soll geprüft werden, ob alle Eigentümer ihr Einverständnis gegeben haben. Wieso darf jemand vor abgeschlossener Prüfung den Weg zumachen, fragt Wittig. Und: Es könne doch nicht sein, dass sich die Radebeuler einfach Wege sperren.

Das sehen offensichtlich auch Anwohner so, wie es nicht nur Uwe Wittig selbst erlebt. Der Fotograf trifft auf eine Dame, die es an der Zeit findet, dass die Zeitung darüber berichtet. Über den unmöglichen Zustand, dass der Weg plötzlich tabu ist. Dabei sei er ja sogar in der Stadtkarte verzeichnet, sagt ein Herr. Für die Sperrung könne er gar kein Verständnis aufbringen. Warum das denn jetzt sein muss, und ob das überhaupt zulässig ist, will er wissen.

Bei privaten Wegen wie an der Jägerhofstraße legen die Eigentümer fest, ob sie andere darüber gehen lassen oder nicht, erklärt Baubürgermeister Jörg Müller. Die Stadt könne die Grundstücksbesitzer nur anschreiben, ob sie mit einer Öffnung einverstanden sind. Dann würde der Weg öffentlich als Gehweg gewidmet.

Die Auskunft beruhigt Uwe Wittig wenig. Weil noch lange nicht klar ist, ob es so wirklich wieder zu einem öffentlichen Durchgang kommt. Und weil es weitere öffentlich genutzte Privatwege in der Stadt gibt, wo er befürchtet, dass das mit der Jägerhofstraße Schule machen könnte.

CDU-Stadtrat Wolfgang Jacobi teilt die Sorgen. Das Thema beschäftigt ihn seit Langem. Genauer gesagt seit kurz nach der Wende. Da habe er im Stadtrat einen Antrag durchgebracht, dass alle Wege öffentlich gewidmet werden sollen. Zu einem festgelegten Stichtag im Juni 1990 – als geschaut wurde, was öffentlich war und was privat. Allerdings sei danach in Radebeul nichts weiter geschehen mit den von der Öffentlichkeit genutzten Privatwegen. Nun bestehe die Gefahr, dass immer mehr Wege zugemacht werden. Weil Privateigentum vorgehe vor den Interessen der Allgemeinheit.

Ein Beispiel aus jüngerer Zeit ist der versperrte historische Wanderweg Gemssteig in Niederlößnitz, der von der Oberen Bergstraße in die Weinberge – zur Finsteren Gasse und am Minkwitzschen Berghaus entlang führt – und am Sächsischen Weinwanderweg liegt. Die Stadt hätte den Gemssteig gern in ihre Weinwanderrouten einbezogen, erhielt aber nicht von allen Eigentümern die Einwilligung zur Freigabe. Der Gemssteig blieb zu, auch wenn sich mehrere Radebeuler für die Öffnung einsetzten. Wie Anwohner Martin Dehne, der sich deshalb sogar an den Landtagspräsidenten Matthias Rößler wandte.

Wolfgang Jacobi hatte sich ebenfalls für den Steig als begehbaren Wanderweg stark gemacht. Vergebens. Da müsse doch das allgemeine Interesse über dem privaten stehen, sagt er. Und dass er diese Gesetzeslage nicht verstehe. Was er mit einem weiteren Fall unterstreicht. Mit der Straße am Restaurant Dampfschiff. Ebenfalls Privatfläche, vorm Durchfahren mit Blumenkü-beln geschützt. Die wurden beim Hochwasser 2013 schnell weggeräumt, damit die Fluthilfe durch konnte. Doch als keine Hilfe mehr gebraucht wurde, standen die Kübel wieder. So was bringt Jacobi in Rage. Sein Vorschlag: Wenn alles nichts fruchtet, müsse eben ein Planfeststellungsverfahren eingeleitet werden.

Aus Sicht des Baubürgermeisters bleibt jedoch nur der Weg, die Eigentümer um Zustimmung zu bitten. Was beim Geh- und Radweg am Kaufland zwischen Weintraubenstraße und Straße des Friedens gelungen sei. Wenn auch erst nach langer, umfangreicher Arbeit.

Bei einmal abgelehnten Sachen dauernd nachzufragen, lohnt sich nicht, sagt Jörg Müller. Dafür müsse ein deutlicher zeitlicher Abstand bestehen, am Besten über eine Generation.

Wie viele öffentlich genutzte private Straßen und Wege es in Radebeul gibt, ist in der Stadt nicht bekannt. Mit einer Flut von Sperrungen rechnet die Stadt aber nicht. Der kleine Weg an der Jägerhofstraße liegt Müller zufolge momentan als Einziges vor.