Von Sven Geisler, Aalen
Das Spiel läuft erst ein paar Minuten, als Peter Pacult das erste Mal mit dem Schiedsrichter aneinandergerät. Wild gestikulierend redet der Wiener nach einer strittigen Freistoß-Entscheidung auf Robert Hartmann ein, gibt ihm zu verstehen, dass er in einer ähnlichen Situation für Dynamo nicht gepfiffen hatte. Doch der 33-Jährige lässt sich nicht erweichen. Es ist der Anfang einer besonderen Beziehung zwischen dem Dresdner Trainer und dem Unparteiischen aus Wangen im Allgäu, und nach 90 Minuten steht fest: Ziemlich beste Freunde werden sie nicht mehr.
Das Spiel in Aalen
Die Partie, erklärt Pacult nach dem 0:3 beim VfR Aalen, sei nicht durch die beiden Mannschaften entschieden worden. „Da gibt’s noch einen, der mitlaufen und reinpfeifen darf.“ Oder eben nicht gepfiffen hat. Wie in der 18. Minute, als Idir Ouali in den Aalener Strafraum dribbelt und von Benjamin Hübner gehalten wird. „Ein ganz klarer Elfmeter“, meint nicht nur Pacult. „Es ist schon ein Unterschied, ob du 1:0 führst oder einem Rückstand hinterherlaufen musst.“
So wurde den Schwarz-Gelben eine klare Chance zur Führung verweigert, andere lassen sie ungenutzt. Die beste hat Filip Trojan, der aus acht Metern frei an den Ball kommt, aber Hübner vor der Linie klärt. Wie übrigens Florian Jungwirth zuvor auf der anderen Seite den Distanzschuss von Daniel Duballa. Es ist in den ersten 45 Minuten ein ausgeglichenes Spiel, in dem Dynamo zwar ein optisches Übergewicht erzielt, Aalen aber nicht wirklich in Bedrängnis bringen kann.
Dresdner Harmlosigkeit
Das Dynamo-Zeugnis: Ein Losilla ist zu wenig
Das liegt auch daran, dass nach den guten Flanken von Sebastian Schuppan und Cristian Fiel in der Mitte ein Abnehmer fehlt. Pacult hatte mit Tobias Müller nur eine Spitze aufgeboten, verzichtete bis zur 78. Minute auf Stürmer Pavel Fort. Das will der Chefcoach jedoch nicht als Grund für die Nulldiät im Angriff gelten lassen. „Dann muss eben der Koch einrücken und sich früher positionieren, nicht immer nur im Raum rumrennen“, grantelt Pacult. Und überhaupt habe die schwache Chancenverwertung nichts damit zu tun, ob man mit zwei, einem oder keinem Stürmer spielt.
Auch drei Minuten nach der Pause bringen erst Müller und dann Trojan den Ball nicht über die Linie. Was folgt, ist offensive Dresdner Harmlosigkeit. Während Aalen allein durch Robert Lechleiter zwei dicke Gelegenheiten hat, bevor der überragende Angreifer das überfällige 2:0 erzielt, ist Dynamos vielversprechendste Aktion ein Solo von Tobias Jänicke in der 76. Minute. Der Schiedsrichter gibt keinen Strafstoß und liegt diesmal richtig, auch wenn Pacult das anders sieht: „Da verhindert er wieder den Ausgleich mit keinem Pfiff.“ Dafür pustet Hartmann vier Minuten vor Schluss noch mal kräftig in seine Trillerpfeife, als Lechleiter im Strafraum fällt.
Doch noch mehr als der Elfmeter, den Leandro sicher verwandelt, bringt Pacult der Platzverweis in Rage. Den bekommt nämlich Trojan, und der Tscheche versteht die Welt nicht mehr. Er war an der Aktion nicht beteiligt. Wenn es überhaupt ein Foul ist, dann von Fiel. „Ich weiß nicht, ob ich ihn berühre, aber Filip war es sicher nicht“, sagt der Ersatz-Kapitän.
Der Schiedsrichter ist sich selbst unsicher. „Ich weiß nicht, was es soll, wenn er Trojan fragt, wer es überhaupt war, nachdem er ihm die Rote Karte gezeigt hat“, schimpft Pacult. Und Fiel meint: „Sogar vier Aalener haben ihm gesagt, dass es niemals Rot war. Warum erwarten die Schiedsrichter, dass man mit ihnen spricht, wenn sie doch nicht drauf hören?“ Pacult denkt darüber nach, was man gegen das Urteil machen kann. „Es wäre ungerecht, wenn man sieht, dass er mit der Situation nichts zu tun hat und trotzdem gesperrt wird.“
Ein Protest hätte durchaus Aussicht auf Erfolg. Immerhin gibt es zwei vergleichbare Fälle in dieser Saison. Der Dortmunder Marcel Schmelzer wurde nach einem vermeintlichen Handspiel auf der Torlinie genauso freigesprochen wie der Bochumer Holmar Örn Eyjolfsson. Der Isländer hatte für eine Notbremse am Münchner Stürmer Benjamin Lauth Rot gesehen. Doch die Fernsehbilder entlarvten seinen Kollegen Marcel Maltritz als Übeltäter. Keiner von beiden wurde gesperrt.
Aus Dynamo-Kreisen war zu erfahren, dass Hartmann sogar auf dem offiziellen Spielbericht vermerkt habe, sich nicht sicher gewesen zu sein. Pacult kommt zum Fazit: „Die Schiedsrichter-Entscheidungen waren maßgeblich.“ Allerdings greift das als Analyse viel zu kurz. Dynamos Auswärtsbilanz mit nur einem Sieg aus 17 Spielen ist schlichtweg nicht zweitligatauglich. Vier Tore in den letzten neun Spielen auf Gegners Platz schon gar nicht.