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Edelstahlwerk stromert sich ins 21. Jahrhundert

Der Strom im Freitaler Werk wurde bislang mit einer betagten Anlage verteilt. Um das zu ändern, investierte man Millionen.

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© Andreas Weihs

Von Tobias Winzer

Freital. Der Unterschied ist selbst für einen Laien deutlich zu sehen. In der 50 Meter langen Halle auf dem Gelände des Freitaler Edelstahlwerks stehen die alte und die neue Schaltanlage noch nebeneinander. Hinten befinden sich die mittlerweile 65 Jahre alten Stromverteiler, die Leitungen sind um riesige Kolben gewickelt. Vorn hingegen ist von den lebensgefährlichen Leitungen nicht viel zu sehen. Sie sind hinter weißen Schränken verstaut. Die neue Schaltanlage hat eher das Aussehen einer überdimensionierten Waschmaschine.

Auch wenn sie unscheinbar daherkommt, so ist die neue Anlage doch überlebenswichtig für das Edelstahlwerk. „Damit sind wir wieder auf dem neuesten Stand der Technik“, sagt Geschäftsführer Alexander Grosse. Rund 3,5 Millionen Euro investiert die Konzernmutter BGH dafür. In der vorvergangenen Woche wurde die sogenannte gasisolierte Schaltanlage erstmals in Betrieb genommen.

Um die Bedeutung der Investition zu verstehen, muss man die Funktion der Anlage erklären: Der Strombedarf des Edelstahlwerks ist enorm und mit dem einer Kleinstadt vergleichbar. Über eine Hochspannungsleitung kommen gewaltige 110 Kilovolt am Werk an. Wie bei einer Verteilerdose sorgt die Schaltanlage anschließend dafür, dass der Strom in verschiedene Bereiche des Werkes geschickt werden kann – zum Beispiel zum Lichtbogenofen oder zum Walzwerk. Eine nachgeschaltete Trafostation wandelt die 110 Kilovolt in eine Spannung von 15 Kilovolt um. Fiele die Schaltanlage aus, würde im Extremfall also das gesamte Edelstahlwerk ohne Strom dastehen – ein Szenario, das mit der alten, nun abgeschalteten Anlage tatsächlich drohte.

Wie Projektleiter Andreas Piatek erklärt, habe die Anlage mit Baujahr 1952 zwar noch einwandfrei funktioniert. Jedoch sei es zunehmend schwerer geworden, bei Reparaturen Ersatzteile zu bekommen. Außerdem gebe es keine Firmen mehr, die die regelmäßige Wartung übernehmen könnten. Mit der neuen Anlage, die von Siemens stammt, sind diese Probleme nun gelöst. Außerdem kann die neue Technik wesentlich mehr leisten als die alte. So kommuniziert die Anlage beispielsweise mit großen Umspannwerken in der Region. Sollte eines der Werke einmal wegen einer Havarie ausfallen, würde schnell ein anderes Umspannwerk angezapft und der Strom ins Edelstahlwerk würde weiter fließen. Außerdem kann mit der neuen Anlage wesentlich mehr Strom weitergeleitet werden. Das ist wichtig, wenn es um künftige Erweiterungen des Werkes geht.

Damit auch während des Aufbaus der neuen Schaltanlage immer Strom floss, war ein eng gestrickter Zeitplan nötig. Stück für Stück wurden Felder der alten Anlage ab- und Felder der neuen Anlage zugeschaltet. Während der Betriebspause in den vergangenen Wochen konnte dann die alte Anlage endgültig vom Netz genommen werden. Bis zum September stehen nun noch Restarbeiten an. Dabei wird die alte Anlage in ihre Einzelteile zerlegt und aus der Halle geschafft. Die neue Anlage wird nur noch einen Bruchteil des Raumes ausfüllen. Statt 50 Meter ist sie gerade einmal sieben Meter lang.