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Egon und sein größter Coup

Die Olsenbande eröffnet ein letztes Mal den Bautzener Theatersommer und läuft beim Abschied zu Höchstform auf.

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© SZ/Uwe Soeder

Von Rainer Kasselt

Bautzen. Yvonne kreischt entzückt: Wenn man denkt, es geht nichts mehr, kommt von irgendwo ein Egon her. Die Olsenbande ist mal wieder pleite, die schönen Tage von Mallorca sind zu Ende. Egon, das Superhirn des Gaunertrios, weiß wie stets Rat. Er zieht an der Zigarre und zaubert einen todsicheren Plan aus der Melone. Der schlaksige Benny ist aus dem Häuschen: „Mächtig gewaltig, Egon“. Nur der dicke Kjeld meldet Bedenken an und sehnt sich nach einem Stück Torte. Yvonne zerstreut die Ängste und starrt Egon wie das siebte Weltwunder an: „Ein Genie weilt in unserer Mitte.“

Am Donnerstag verwandelte sich die historische Bautzener Ortenburg erneut in die Lausitzer Exklave des Königreichs Dänemark. Ausverkaufte Premiere für den dritten Freiluft-Streich des Deutsch-Sorbischen Volkstheaters. Diesmal heißt es: „Die Olsenbande hebt ab“. Intendant, Autor und Regisseur Lutz Hillmann verwendet in bewährter Weise Motive aus den 14 Olsenbanden-Filmen, gibt seinen scharfen Senf dazu und macht Nebenfiguren zu Hauptdarstellern. So die von Gabriele Rothmann putzmunter gespielte „Frau, die nie erschrickt“. Sie taucht in jeder zweiten Szene auf, als Autogrammjägerin, Verkehrshindernis oder verträumte Hundebesitzerin und ist immer ein Hingucker.

Die Handlung ist eigentlich egal. Hauptsache, es passiert was. Und da greifen die Bautzener in die Vollen. Die Bühne von Ausstatter Miroslaw Nowotny ist ein wechselndes Kulissenwunder: Mallorca mit Sand, Strand und Sonne, Polizeistation, Orchestergraben, Gefängnis, Bruchbude, Hoftheater. Ständig rasen Autos hin und her, über den Köpfen der Zuschauer schwirren Flieger, ein Sportflugzeug landet vor den Traversen. Hut ab vor den waghalsigen Fahrkünsten der Darsteller und Komparsen und dem tollen Einsatz aller Mitwirkenden.

Das dreistündige, temporeich inszenierte Spektakel wartet wie in den Vorjahren mit der bekannten Besetzung auf. Olaf Hais duldet als Egon Olsen keinen Widerspruch, knackt mit Stethoskop locker jeden Tresor, wird wie üblich erwischt und landet im Knast. Die Bande wendet sich kurz von ihm ab, will das süße Leben genießen, kehrt aber reuevoll zu ihm zurück. Egon beschimpft mit einer Wortkanonade die „blutigen Amateure und erbärmlichen Schlappschwänze“ an seiner Seite. Bezeichnet den von Rainer Gruß eifrig und ängstlich gespielten Kjeld als „fetten Hosenträger“. Nicht besser ergeht es István Kobjela, der den sexuell verwirrten Benny gibt. Egon bellt streng: „Sobald ein Weiberarsch vorbeikommt, setzt dein Verstand aus.“ Ralph Hensel als windiger Kommissar Jensen durchschaut den Laden und sieht weg, wenn es ratsam ist. Jensen schwärmt von Trump. Nicht, was Sie denken. Er angelt gern, steckt sein Geld in eine Stiftung zum Erhalt der Großen Meerforelle, Trump genannt. Der ewig betrunkene Dynamit-Harry, traurig und zitternd von Jan Mickan gespielt, ist Abstinenzler geworden, greift zur Brause statt zum Bier. Doch am Ende darf er noch mal ran und Wände in die Luft jagen. Katja Reimann ist als schrille Nervensäge Yvonne ideal besetzt. Ob sie zu tief ins Glas schaut oder in jedem Spanier einen Don Juan erblickt: Sie ist ganz Dame von Glitzerwelt.

Die Aufführung mischt sich in die Diskussion über die deutsche Leitkultur. Eine entsprechende Ausstellung wird vorbereitet. Geleitet wird die deutsche Delegation vom Schwarzen Baron, der in Stiefeln und Uniform an die SS erinnert. Zu seinen Exponaten gehören: Schlagbaum, Gasmaske, Weihnachtstanne, Alpenhorn, Bier, Bratwurst und Mensch-ärgere-dich-nicht-Spiel. Eine Anregung für Seehofers Heimatministerium?

Höhepunkt des Abends ist Egons letzter und größter Coup. Im Königlichen Theater Kopenhagen wird die Ouvertüre zur Oper „Elfenhügel“ des dänischen Komponisten Kuhlau gespielt. Mit der Partitur in der Hand lässt Egon taktgenau Kellerwände einreißen, wenn Pauken und Blech im Orchester den Lärm übertönen. Die anwesende Königin beschleicht eine Ahnung und sie spricht bedeutungsvoll: „Es ist etwas faul im Staate Dänemark.“ Egon und seinen Helfern gelingt der Durchbruch in die Ehrenloge. Bei der Staatshymne erheben sich die Gäste und buchstäblich unter deren Hintern werden Millionen und ein seltenes Kronjuwel weggezogen. Mit Geld und Gesang verlässt die Olsenbande Dänemark auf Nimmerwiedersehen und sucht sich eine Insel des Glücks.

Bis zum 22. Juli ist das heitere Spektakel 35 mal zu erleben. Am Premierentag waren bereits 34 500 Tickets verkauft. Im nächsten Jahr verwandelt sich die Ortenburg in die filmbekannte „Sonnenallee“.

„Die Olsenbande hebt ab“: Bis 22. Juli in Bautzen, immer Mi bis So; Kartentelefon: 03591 584225