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Ein Bestseller nur für Frauen

Die Firma „Löbauer Druckhaus“ blickt auf 300 Jahre Buchdruck-Tradition. Millionen-Auflage erzielt ein anderes Produkt.

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© Matthias Weber

Von Markus van Appeldorn

Löbau. Das Bedürfnis nach Sensationen war zu allen Zeiten hoch – auch in Löbau. So vermeldeten die Ratsannalen im Dezember des Jahres 1717, dass ein Herr Ehlert Henning Reimers aus Altona „eine ganz neue und vor diesen in Löbau noch niemals gewesene Buchdruckerey allhier aufgerichtet“ hat. Die eigentliche Geburtsurkunde seines Unternehmens ist Uwe Stephan nicht erhalten geblieben. Aber die Gründungsgeschichte wird zitiert in der Festausgabe zum 150-jährigen Bestehen des Sächsischen Postillons aus dem Jahre 1935. Diesen Schatz hütet Uwe Stephan in seinem Unternehmens-Archiv. Mit dem Nachweis dieser ältesten Unternehmens-Wurzel kann er nun seit einigen Tagen auf 300 Jahre Geschichte seiner Firma „Löbauer Druckhaus“ zurückblicken.

Bücher werden am Theaterplatz schon lange nicht mehr gedruckt. Schon im späten 18. Jahrhundert verdrängte das Nachrichtengeschäft hier zunehmend die Belletristik und der Zeitungsdruck etablierte sich. 1785 wurde hier eben jener „Sächsische Postillon“ aus der Bleitaufe gehoben. Und das Zeitungsgeschäft hielt sich gut 200 Jahre an dem Standort. „Zur DDR-Zeit hieß das hier ,Werk 4 der Graphischen Werkstätte Zittau/Görlitz‘“, erinnert sich Gerd Richter. 47 Jahre lang war der Schriftsetzer-Meister im Betrieb und ist seit Sommer 2017 in Rente. „Bis zum 27. Februar 1981 haben wir hier die Löbauer Lokalseiten der Sächsischen Zeitung im Bleisatz hergestellt“ sagt Richter.

An diese Zeit erinnert sich Inhaber Uwe Stephan nicht mehr. Er schlug mit seiner Familie erst nach der Wende das vorerst letzte Kapitel des Unternehmens auf. „Mein Vater hat den Betrieb 1990 von der Treuhand gekauft“, sagt er. Hoffnungslos veraltet sei die damalige Technik gegenüber der Konkurrenz aus dem Westen gewesen. Die Familie musste erst einmal in modernste Druck- und Satztechnologie investieren und rettete den traditionsreichen Standort mit Produkten, die zu der Zeit stark gefragt waren. „Wir haben Rechnungsformulare und andere Geschäftsdrucksachen produziert“, sagt Uwe Stephan. Heute sei auch damit kein Geschäft mehr zu machen, weil die meisten Unternehmen so etwas gleich von ihren Rechnern ausdrucken. Damals aber hätte noch nicht überall ein Drucker auf jedem Schreibtisch gestanden.

An die Zeitungshistorie seiner Firma wird er allerdings bis heute zuweilen erinnert. „Es rufen manchmal immer noch Leute an und sagen: ,Sie machen doch diese Löbauer Zeitung.‘ Die wollen dann Anzeigen aufgeben“, erzählt Uwe Stephan. Damit kann er nicht mehr dienen. Er hat sich mit seinem Löbauer Druckhaus längst auf ein Produkt spezialisiert, das täglich eine höhere Auflage erzielt und mehr Kunden erreicht als jede Zeitung. Oder genauer gesagt: Kundinnen. Männer interessieren sich nicht für sein Druckerzeugnis.

Über drei Millionen bedruckte Papierbögen stapeln sich neben den Maschinen in der Druckerei. Weitere vier Millionen warten in Uwe Stephans Lager auf Auslieferung. Die Bögen sind in zig Sprachen bedruckt: Deutsch, Englisch, Französisch, Italienisch, Koreanisch, Portugiesisch, Japanisch und vielen mehr. Und alle beschreiben genau das Gleiche: Tampons. „Wir drucken nahezu ausschließlich die Beipackzettel für Tampons“, sagt Uwe Stephan. Die Gebrauchsanweisungen für Tampons von über 150 Marken weltweit entstehen in Löbau. Unternehmer Stephan sieht das mit kaufmännischer Professionalität, nicht mit der Sentimentalität eines Buch- oder Zeitungsdruckers: „Mir ist egal, ob irgendeine Frau auf der Welt liest, was da draufsteht“, sagt er, „solange die Beipackzettel vorgeschrieben sind, ist es ein gutes Geschäft.“

Er beliefert den Tampon-Hersteller Ontex in Großpostwitz mit seinen Drucksachen, den Produktionsbetrieb einer belgischen Unternehmensgruppe. Ein Auftrag, zu dem ihm einst ein Zufall verhalf: „In Belgien ist mal so eine Tamponbude abgebrannt. Da war das Werk in Großpostwitz froh, dass es zum Zuge kam.“ Und Uwe Stephan konnte dem Hersteller benötigte Drucktechnologie bieten. „Das technisch Aufwendigste ist die Falzung der Beipackzettel“, sagt er. Aus den auf großen Bögen gedruckten Gebrauchsanweisungen schneiden und falzen seine Maschinen acht- bis 16-seitige Beipackzettel. Stephan hat seine Falzmaschinen extra für seine Bedürfnisse umbauen lassen. Und auch besondere Hygiene-Maßnahmen muss Uwe Stephan in seiner Produktion beachten. So tragen alle Mitarbeiter in der Produktion Haar-Hauben. Besucher dürfen die Druckerei auch nur mit einem besonderen Schutzkittel betreten.

„Als wir damit angefangen haben, haben uns manche andere Druckereien belächelt und gesagt: Macht ihr mal euer Billigzeugs“, erinnert sich Uwe Stephan. Mittlerweile sind viele dieser Druckereien vom Markt verschwunden. Heute lächelt Uwe Stephan: „Unsere Maschinen sind super ausgelastet.“