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Ein Blick durchs Riesenteleskop

Raffael Benner ist beim elften Sächsischen Teleskoptreffen ein gefragter Mann. Schuld ist sein gigantisches Hilfsmittel.

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© Sebastian Schultz

Von Kevin Schwarzbach

Peritz. Raffael Benner ist eine Nachteule. Wenn die Dunkelheit hereinbricht und seine Nachbarn tief schlummernd ihren Schlaf genießen, sitzt der 73-Jährige im heimischen Garten und beobachtet den Sternenhimmel – mit seinem selbstgebauten 30 Zoll Spiegelteleskop. Ein Unikat, das in der Astronomie-Szene regelmäßig für Aufsehen sorgt. Auch beim Sächsischen Teleskoptreffen in Peritz.

Dort ist Raffael Benner dieses Jahr zum fünften Mal dabei, die Veranstaltung selbst erlebt am vergangenen Wochenende ihre elfte Auflage, über 70 Sternenfreunde sind dabei. Der Star: das selbstgebaute Teleskop mit einem Spiegeldurchmesser von 76,2 Zentimetern und einer Brennweite von vier Metern. Diese Maße sind selbst für eingefleischte Sternenfreunde galaktisch.

Mit strahlenden Augen erzählen Teilnehmer des Treffens, wie sie mit Benners Teleskop die Andromeda-Galaxie abgefahren oder den Saturn beobachtet haben. „Es ist beeindruckend, wie groß und detailliert man die einzelnen Objekte beobachten kann“, berichtet Sabrina Hofmann von den Riesaer Sternenfreunden. „Das Teleskop hat eine 40- bis 1 000-fache Vergrößerung.“

Gespannt lauscht Raffael Benner ihren fachkundigen Ausführungen, während er vor seinem Campingmobil genüsslich eine Bratwurst zersägt. Ab und an huscht ein zufriedenes Lächeln über sein Gesicht. Benner ist sichtlich stolz auf sein 21 Jahre altes Teleskop. „Ich habe viel Energie und Kraft in dieses Projekt investiert, doch es hat sich bisher wirklich jeden Tag bezahlt gemacht“, sagt er.

Immer größere Teleskope

Mit 14 Jahren bekam Raffael Benner sein erstes Teleskop zu Weihnachten geschenkt. „Es war ein traumhafter Tag“, erinnert er sich. „Der Himmel hat mich fortan immer mehr in seinen Bann gezogen. Meine Teleskope wurden nun regelmäßig größer und besser“, erzählt er. Es kam der Tag, an dem Raffael Benner sein erstes eigenes Teleskop baute. Wieder begann er klein und steigerte sich von Jahr zu Jahr. Vor 21 Jahren entstand dann das gigantische Spiegelteleskop.

Raffael Benner schiebt die Bratwurst beiseite und lehnt sich in seinem Campingstuhl zurück. „Damals war es das größte Teleskop Europas“, schwärmt er. „Heute gibt es noch ein paar größere, aber ich bin absolut zufrieden mit meinem. Es hat nie Probleme gemacht“, sagt er.

Benner ist der Typ Großvater, der mit seinen Enkeln gern in aller Lockerheit die Welt entdeckt, oder in seinem Fall: den Sternenhimmel. In grau-weiß gestreiftem Hemd, weißer Hose und Sandalen steht er neben seinem Teleskop und schwärmt von der Vielfalt der Objekte am Sternenhimmel. Durch sein ergrautes Haar und den weißen, perfekt getrimmten Bart wirkt er wie ein Gelehrter.

Raffael Benner ist der Robert De Niro unter den Sternfreunden: erfahren und betagt, aber noch immer quicklebendig – und allein durch seine Anwesenheit ein Mann mit Bedeutung. Immer wieder kommen Sternenfreunde oder interessierte Besucher und befragen den 73-Jährigen zu seinem Teleskop. Die Besucher stellen Fragen, Benner gibt die Antworten. In diesem Spiel ist er mittlerweile geübt, bereitwillig erzählt er von seinem Teleskop: Wie er den Rundspiegel in den USA bestellte und ein Jahr auf die 18 000 DM teure Spezialanfertigung warten musste. Wie er indes bereits den Rest des Teleskops konstruierte und baute. Und welche Okulare er über die Jahre erfolgreich und weniger erfolgreich an seinem Geräte der Marke Eigenbau ausgetestet hat.

Doch sattgesehen hat sich der Rentner auch nach beinahe 60 astronomiebegeisterten Jahren immer noch nicht. Jeder Blick durch das Teleskop ist für ihn ein neues, fantastisches Erlebnis. „Ich finde, dass man den Sternenhimmel als Amateur vor allem mit dem Herzen und nicht mit dem Kopf betrachten sollte“, sagt Benner. „Jedes Mal, wenn ich in den Himmel blicke und die Objekte dort beobachte, trifft mich vor langer Zeit losgeschickte Materie direkt ins Auge. Das ist ein unbeschreiblich belebendes und glücklichmachendes Gefühl.“

Mehr als 1 550 Nächte hat Raffael Benner sein 65 Kilogramm schweres Spiegelteleskop bereits benutzt, über 72 000 Kilometer damit zurückgelegt. Doch zu seiner Lieblingsbeobachtungsstelle sind es nur ein paar Schritte: „Wenn ich nachts zur Toilette muss, schaue ich durchs Fenster. Ist der Himmel klar, stehe ich schon wenige Sekunden später im Garten.“ Dann zieht der 73-Jährige die Plane von seinem Spiegelteleskop und legt sich im heimischen Plön auf die Lauer. In freudiger Erwartung auf ein wenig Materie, die ihn vermutlich nicht nur direkt ins Auge, sondern auch mitten ins Herz treffen wird.