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Ein Deutscher entschlüsselt Boll

Martin Adomeit steckt hinter dem sensationellen Aus des deutschen Tischtennisprofis.

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Von Oliver Mucha

Martin Adomeit bejubelte den überraschenden Coup seines Schützlings auf der heimischen Couch im nordrhein-westfälischen Lippstadt-Bökenförde. Als Quadri Aruna aus Nigeria den deutschen Fahnenträger Timo Boll von der Tischtennisplatte putzte, konnte der deutsche Trainer nur vor dem Fernseher mitfiebern. „Im fünften Satz war Quadri so katastrophal, dass ich erst mal ausgeflippt bin. Am Ende bin ich jubelnd rumgesprungen“, sagte er. Nach Rio de Janeiro reisen konnte der ehemalige Frauen-Bundestrainer nicht: Das zuständige Ministerium verweigerte ihm einen Platz auf der Betreuerliste.

Quadri Aruna bejubelt seinen Erfolg gegen Timo Boll. Foto: Reuters/Alkis Konstantinidis
Quadri Aruna bejubelt seinen Erfolg gegen Timo Boll. Foto: Reuters/Alkis Konstantinidis © Reuters

Doch Aruna zerstörte Bolls Traum von einer olympischen Einzelmedaille auch ohne seinen deutschen Honorartrainer bereits im Achtelfinale. Wobei: Adomeit gab dem Weltranglisten-40. per Whatsapp Hinweise, wie Boll zu knacken sei. Aruna schlug beim 4:2 im Achtelfinale zu – für Adomeit, der seinen Schützling 2014 kennenlernte und als technischer Berater arbeitet, erwartet: „Er hat Respekt vor Timo, aber er glaubt ständig an seine Chance.“

Die Afrikaner, behauptet der 52-Jährige, seien außerdem sehr viel coachgläubiger als Europäer. In diesen Duellen gehe es aber auch um Emotionen und Psychologie. „Quadri kam wie so viele Afrikaner über die Emotion. Sein Jubelsprung hatte ja eine unfassbare Höhe.“ Obwohl er Boll sehr gut kenne: „Vom Kopf her“ war Adomeit in Rio de Janeiro, „ohne abgeflogen zu sein. Da kamen die Emotionen automatisch.“

Es habe derjenige gewonnen, der mehr siegen wollte. Adomeit hatte den Eindruck: „Timo wollte nicht verlieren. Quadri aber wollte gewinnen.“ Die größere Sensation aber sei der Sieg gegen den Taiwanesen Chuan davor gewesen. „Da war er im Januar noch dermaßen chancenlos, dass sie sich am nächsten Tag hingesetzt hätten, um zu schauen, wie man gegen ihn punkten könne – erfolgreich. Aruna sei die Ausnahme, was das Level der Afrikaner angeht.

Ovtcharov verliert Rekordsatz

Ein Abschnitt im Tischtennis ging früher bis 21, seit 2001 bis 11 – und neuerdings bis 33. Das erlebten zumindest die Zuschauer im Achtelfinale: Der deutsche Europameister Dimitrij Ovtcharov und der Slowene Bojan Tokic bekämpften sich, als würde es in diesem ersten Durchgang um Gold gehen. Am Ende gewann Tokic den Satz mit 33:31. Der Weltranglisten-53. vom 1. FC Saarbrücken musste sich nach diesem Kraftakt erst mal den Schlagarm behandeln lassen. „Ich glaube, das war der längste Satz, der je auf der Profitour gespielt wurde“, sagte Ovtcharov. Der Weltverband bestätigte den Rekord. „Ich sagte mir: Das war nur ein Satz. Vergiss, wie lange er war. Ich hatte gehofft, er ist danach ein bisschen müde, weil er ja ein paar Jahre älter ist.“ Diese Rechnung ging auf. Der Olympia-Dritte von 2012 gewann anschließend noch mit 4:1.

Aber nach Boll erwischte es auch ihn im Viertelfinale. Er scheiterte an seinem Freund und Klubgefährten Wladimir Samsonow aus Weißrussland mit 2:4. (sid/dpa)