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Ein Dorf feiert sein Jubelpaar

Das Doppeljubiläum, das Gottfried und Irmgard Säurig zusammen erreicht haben, schaffen nur wenige.

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© Anne Hübschmann

Von Jörg Richter

Böhla. Es ist Kaiserwetter. Genau richtig für eine Feier, zu der das ganze Dorf eingeladen ist. Jeder ist auf dem Drei-Generationen-Hof der Familie Säurig willkommen. Und es kommen viele, auch wenn der Aufstieg aus dem Unter- ins Oberdorf für manch älteren Böhlaer beschwerlich ist. Erst recht bei dieser Hitze. Doch diese Strapazen nehmen sie für ihren Gottfried und ihre Irmgard gern in Kauf. Denn beide wollen mit ihren Freunden und Nachbarn – in Böhla scheint das ohnehin ein und dasselbe zu sein – auf ihre diamantene Hochzeit anzustoßen.

Am Donnerstagnachmittag waren auf dem Hof der Familie Säurig schon viele Gratulanten erschienen.
Am Donnerstagnachmittag waren auf dem Hof der Familie Säurig schon viele Gratulanten erschienen. © Anne Hübschmann

Ihre Kinder und Enkel packen mit an, haben alles liebevoll vorbereitet. Im schattenspendenden Seitengebäude sind Tische eingedeckt. Rund 50 Leute haben hier Platz. „In Böhla ist der Zusammenhalt groß“, sagt Schwiegersohn Ulf Naumann. „Hier kommt noch das ganze Dorf. Das hat man heutzutage selten.“ Bei mehr als 80 Böhlaern könnte es eng werden. Gut, dass sie an diesem Donnerstag gestaffelt gekommen sind, um mit Gottfried und Irmgard Säurig dieses seltene Ehejubiläum zu feiern. 60 Jahre verheiratet zu sein, schaffen nur ganz wenige.

Dann ertönt ein Martinshorn. Die Böhler Feuerwehr fährt auf den Hof. Ortswehrleiter Sebastian Winkler, Klaus Rüger und der ehemalige stellvertretende Kreisbrandmeister des Altkreises Großenhain, Horst Kuhnke, steigen aus. Die kleine Delegation übermittelt ebenfalls die besten Grüße aller Böhlaer Kameraden zur diamantenen Hochzeit. Doch nicht nur deshalb sind sie in Uniform erschienen. Denn Gottfried Säurig ist mit 87 Jahren ihr ältestes Feuerwehrmitglied und damit einer der letzten Zeugen aus den Anfangsjahren der am 1. Mai 1945 gegründeten Feuerwehr Böhla. Dort trat er am 1. März 1948 ein. Deshalb überreicht ihn Sebastian Winkler das Ehrenkreuz des Landesfeuerwehrverbandes Sachsen für 70 Jahre treue Dienste. Auch diese Auszeichnung, die es erst seit wenigen Jahren gibt, ist sehr selten.

Und es ist mehr als verdient, dass Irmgard Säurig bei dieser Zeremonie an der Seite ihres Mannes steht. Denn diese Ehrung gilt auch ihr, die ihrem Gottfried immer den Rücken frei hielt, wenn er zum Einsatz fuhr. „Die ersten Jahre war es ganz verrückt“, erinnert sie sich. Fast jedes Wochenende musste die Feuerwehr raus, wenn der Bahndamm brannte, weil wiedermal ein Güterzug Kohle verloren hatte. Die Alterskameraden Kuhnke und Rüger können das bestätigen. Bis zu 100 Einsätze pro Jahr waren normal. Auf Gottfried Säurig kam es dabei besonders an. Der Landwirt besaß zu LPG-Zeiten einen 10 000-Liter-Tankanhänger, mit dem Gülle auf die Felder gefahren wurde. Nach getaner Arbeit spülte er ihn aus und füllte den Tank mit Wasser. „Ohne dieses Fass hätten wir die Brände nicht in den Griff gekriegt“, erzählt der langjährige Ortswehrleiter Gerd Kokisch und fügt würdigend hinzu: „Auf Gottfried war dabei immer Verlass.“